Wer fündig werden möchte, muss genau hinsehen: Das gilt bei "Antik Vegesack" gleich in mehrfacher Hinsicht. Denn wer das Ladenlokal des neuen Auktionshauses an der angegebenen Adresse Reeder-Bischoff-Straße 33 sucht, wird nicht auf den ersten Blick fündig. Leichter ist es von der Beilkenstraße aus, wo Schaufenster bereits erste Einblicke gewähren.
Genau hinsehen muss auch, wer sich im Laden einen Überblick verschaffen möchte. Die rund 260 Quadratmeter Ladenfläche sind vollgestellt mit Möbeln. Teilweise sind die hundert Jahre und älter, wie die Inhaber betonen. Aber auch Bilder oder allerlei Deko-Gegenstände sind zu finden. Vieles kommt aus Haushaltsauflösungen. Einiges ist Trödel, anderes ist kreativ aufgearbeitet und manches wird als wertvoll angepriesen. "Der Schreibtisch dort ist ein Teil Bremer Stadtgeschichte", betont Hero Wiemers und schlüpft ohne es selbst zu merken in die Rolle des Verkäufers. "Der ist aus dem Büro von Johannes Degener, der nach dem Krieg Senator war", legt er nach. Ob das stimmt? Wer weiß, aber darauf kommt es auch nicht an. Praktisch jedes Stück im Laden hat eine Geschichte. Meist sind es Familienerinnerungen. Und da steht immer die gute Geschichte im Vordergrund. "Für die Sachen, die wir hier verkaufen, muss kein Baum mehr gefällt werden", betont Marion Wiemers. "Sie sind aber auf alle Fälle zu schade, um weggeworfen zu werden." Bei Haushaltauflösungen sei es vielen wichtig, dass das gute Familienstück wertgeschätzt werde und es in einem anderen Haushalt weiter gute Dienste leistet. Das ist das Geschäftsmodell von Marion und Hero Wiemers mit ihrem volkstümlichen Auktionshaus. Volkstümlich deshalb, weil sie die Geschichte der übernommenen Stücke respektieren und das Sortiment bewusst auch für den kleinen Geldbeutel ausgelegt ist. Das sei auch eine Botschaft gegen die Wegwerfgesellschaft. Damit sehen sich die Geschäftsleute durchaus im Zeitgeist.
Auktionshaus, Trödelladen, Kunstsalon
Der Familienbetrieb setzt jedoch auf mehrere Standbeine. Es werden Auktionen veranstaltet. Zunächst nur im Internet, später nach Möglichkeit auch in Präsenz. Zudem können Interessierte auch im Laden stöbern und Dinge direkt erwerben. Dazu wird vor der Eröffnung noch einmal umgeräumt: Auktionsware zum Betrachten kommen in den hinteren Teil und das sofort käufliche Sortiment in den vorderen Bereich des Ladens. Darüber hinaus sollen auch Künstler aus der Region Raum für kleine Ausstellungen bekommen. Aber das ist zunächst noch Zukunftsmusik. Erste Gespräche seien aber schon geführt worden, versichert Marion Wiemers. Einen Namen gibt es auch schon: Vegesacker Kunstsalon.
Eine kreativ tätige Person ist jedoch fester Bestandteil des Konzepts. "Adelheit P. arbeitet verschiedene Stücke künstlerisch auf", erläutert Wiemers. Adelheit P. ist ein Künstlername, hinter dem sich eine Partnerin verbirgt, die es nicht in die Öffentlichkeit zieht. "Grob gesprochen versieht sie alte Möbel mit einem neuen, oft farbigen Gewand ohne dabei die Funktion zu verändern", sagt Wiemers. Das geschehe aus eigenem Antrieb, aber auch auf Bestellung. Das alte Tellerregel der Großeltern werde so beispielsweise zum bunten Farbtupfer in der Studentenbude.
Für die Eheleute Wiemers ist es das erste Ladenlokal. Bisher haben sie allein auf das Internet gesetzt und dort Waren verkauft. "Nach überstandener Krebserkrankung war für uns der richtige Zeitpunkt gekommen, die lang gehegte Idee eines eigenen Ladens umzusetzen", verrät Marion Wiemers. Die Idee ist lange gereift und geht auf eine Kindheitserinnerung von Marion Wiemers zurück. "Damals wollte ich in einem Antikladen ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter kaufen. Ich hatte 38 Mark. Das war viel Geld", erinnert sie sich. In dem angesteuerten Laden jedoch sei sie von oben herab angeschaut worden und nicht willkommen gewesen. Für ihre 38 Mark gab es nur eine Kleinigkeit. Das solle ihren Kunden nicht passieren, hat sich Marion Wiemers fest vorgenommen.