Es müssen raue Zeiten gewesen sein. Damals in Vegesack, Ende der Sechzigerjahre, als „die Rocker mit ihren Motorrädern aus Marßel kamen“, um den Exis die Nasen blutig zu schlagen. Und umgekehrt. „Die haben sich heftig geprügelt“, erinnert sich Peter Geist. Er hat das alles noch vor Augen: die Rocker – „in Leder und mit Schmalzlocke“ - und die „Exis mit ihren langen Haaren, der karierten Kleidung, den sehr breiten Gürteln und den Schlaghosen“. Im City-Club in der Alten Hafenstraße, wo es manchmal auch zur Sache ging, erzählt er, „gab es zwei Boxen, die waren genauso groß wie ich. Hinter denen habe ich mich versteckt“. Im City-Club arbeitete der Jugendliche damals als Disc-Jockey.
Disco als Musikstil mit Tanz unter der Spiegelkugel, mit Glitzerkleid und Schlaghose kam vor genau 50 Jahren in Fahrt. Aber vorher schon, wollten die Leute in Cafés und Kneipen tanzen. Und Peter Geist legte dafür die Platten auf. Bald jeden Abend. Tagsüber machte er eine Lehre bei der Justizbehörde, danach ließ er bis nachts halb eins die Scheiben drehen und den Sound raus: „Rock'n Roll, Soul, Pop, Memphis oder Reggae.“ Und natürlich Songs von den Beach Boys, den Bee Gees, den Beatles, Ike und Tina Turner oder Stevie Wonder. Nicht nur einmal sei er im Berufsschulunterricht eingeschlafen.
Erster Job am Kinderkarussell
Er war noch ein Schüler, als die Jobberei seinen Lauf nahm. Zunächst auf dem Vegesacker Markt. Der 15-jährige Rönnebecker arbeitete nach der Schule als Kassierer am Kinderkarussell. „Das war cool, weil man umsonst stehend mitfahren konnte. Und dafür habe ich sogar noch Geld bekommen“, blickt der 74-Jährige zurück. Die Musik kam da auch schon ins Spiel. Im Jugendfreizeitheim Alt-Aumund war Peter Geist mit seinem Plattenspieler zum eigenen Vergnügen im Einsatz. Er verdiente nichts dafür, dass er dort auflegte. Aber er lernte „die Kultbands kennen, die im Jugendheim auftraten“. Für die damalige Schüler-Rockband „Rustlers“ malte der Rönnebecker die Werbeplakate. Jedes Plakat ein Unikat – Werbung, mit breiter Scribtolfeder auf Din-A-4-Papier gebracht. Waren die Plakate fertig, hängte Peter Geist sie in Vegesack aus – und bekam dafür bei den Konzerten freien Eintritt.

Viel los im City Club, in dem Peter Geist 1968 auflegte.
Selbst tanzen wollte der Jugendliche, der in den Sommerferien 1966 drei Wochen lang als Küchenjunge auf dem Passagierdampfer „TS Bremen“ nach New York mitfuhr, um sich etwas zu verdienen, natürlich auch. In den Gaststätten habe man dafür die Musikautomaten genutzt. „Mich zog es damals immer ins Fährhaus Vegesack“, erzählt Peter Geist. In der „Kultkneipe für Schüler und Studenten“ traf sich die musikbegeisterte Szene, in der seine DJ-Karriere startete. Weil einige Musikgaststätten dazu übergingen, die angesagte Musik auflegen zu lassen, erhielt Peter Geist für einen Abend am Wochenende seinen ersten Auftrag in einer Gaststätte in Farge, an deren Namen er sich nicht mehr erinnert. „Bezahlt wurde das nicht, aber es gab Essen und Trinken.“
Café Bodensee und City-Club
1967 sei er dann ins Café Bodensee in der Rohrstraße in Vegesack gewechselt, blickt der einstige DJ zurück. „Richtig mit Mischpult und so.“ Und bald darauf sorgte der junge Mann auch im City-Club in der Alten Hafenstraße unter dem Roxy-Kino für Tanzmusik. Da musste man schon Gespür dafür haben, was angesagt war, erzählt Peter Geist. „Wenn man daneben lag, war die Tanzfläche leer.“ Offenbar hatte er ein Händchen für seinen Job – für beide Tanzcafés durfte er jede Woche neue Platten einkaufen. Er erinnert sich noch, dass seine Eltern weniger begeistert gewesen seien von seinen nächtlichen Einsätzen an Mischpult, Plattenspieler und Tonbandgerät. „Die haben das gar nicht erlaubt, aber ich hab's trotzdem gemacht.“
Jeden Tag sei er 1968 und 69 in Vegesack als DJ unterwegs gewesen. Bis Peter Geist über die Weser wechselte. Eine Kellnerin aus der Disco Wendebecken in Lemwerder habe ihn im Sommer 1969 im City-Club angesprochen und als DJ abgeworben. Sogar einige seiner Fans konnte er auf die andere Weserseite lotsen. Im Wendebecken sei die Bezahlung besser gewesen, sagt Peter Geist. Und obendrein hatte ihm der Wechsel Glück gebracht. Im Wendebecken lernte er seine Frau Regina kennen.
Die „Droge“ Musik
1971 ging die DJ-Zeit für Peter Geist zu Ende. „Meine Regina und ich haben im Mai geheiratet.“ Peter Geist absolvierte seine Wehrpflicht bei der Marine in Glückstadt und auf Sylt. Aber die Erinnerungen an die musikerfüllte Zeit im Bremer Norden ist noch sehr wach. In den Clubs und Discotheken gab es Tanzwettbewerbe, bei denen er mitmachte. „Wir lebten die pure Lebensfreude exzessiv aus. Die Musik und die Tänze waren damals unsere ,Drogen'“, beschreibt Peter Geist die Stimmung, die die prügelnden Rocker nicht trüben konnten. Und es seien „DJ-Zeiten mit sehr vielen Emotionen, mit Lebensfreude und vielen fröhlichen, glücklichen, sorgenlosen und ausgelassenen Menschen“ gewesen. Mit seiner Musik etwas rüberzubringen, habe ihm viel Freude bereitet und ihn geprägt. Er war DJ durch und durch. Die Platten, die er einkaufen durfte, nahm Peter Geist mit seinem Kassettenrekorder auf. Wenn er mit dem Zug zu seinem Ausbildungsplatz in Bremen-Mitte fuhr, hatte er den Kassettenrekorder dabei, ließ die Songs erklingen und sorgte auf den Schienen für gute Laune. „Da wurde morgens um halb sieben in der Bahn schon getanzt.“