Ein Unternehmer ist jemand, der etwas unternimmt. Wie er so dasteht, in der farbbefleckten alten Cordhose und der Kappe auf dem Kopf, macht Lüder Vollers seinem Berufsstand alle Ehre. Mehr als 50 Jahre lang hat er eine der großen Firmen der Hansestadt geleitet. Nun nahm sich der 82-Jährige freiwillig, auf eigene Kosten und mit der eigenen Hände Arbeit 40 Verteilerkästen im Stadtteil Walle vor, um sie zum Wohlgefallen der Allgemeinheit wieder herzurichten.
Den Nachnamen werden die meisten Bremerinnen und Bremer bestimmt schon einmal gehört oder gelesen haben – leuchtend Gelb auf blauem Grund auf den Hallen am Speicherhof oder auf den riesigen Transportern, die ihre Güter durch ganz Europa fahren. Lüder Vollers leitete die Vollers Group, die sein Vater Berthold 1932 gegründet hatte, und die seit 90 Jahren eng mit dem Stadtteil Walle und dem Hafen verbunden ist. Die ersten Aufträge erhielt Vollers von seinem früheren Arbeitgeber Ludwig Roselius, dem Chef von Kaffee Hag, berichtet die Firmenchronik.
Um die Geschichte kurz zu halten: Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich daraus ein international tätiges Logistikunternehmen mit 320 Mitarbeitern, das nun seit drei Generationen in Familienhand geblieben ist. Er selbst sei seit 1962 an sechs Tagen pro Woche ins Hafengebiet gefahren, erzählt Vollers und kam dort vor allem in den vergangenen Jahren zunehmend missmutig an.
Nicht der Arbeit wegen. „Die macht man ja gerne“, sagt er. Vielmehr habe er sich über den Zustand der Kabelverzweiger auf seinem Weg geärgert. Die Funktionsträger, die sich im Idealfall möglichst unauffällig am Straßenrand verstecken, wurden zum täglichen Aufreger: beschmiert, beschädigt und vermüllt. „Einfach schmuddelig“, sagt Vollers. Er beschloss, sich das nicht mehr länger anzusehen.
Mit Malergeselle Stefan Karcher vom Delmenhorster Malerbetrieb J. Kautz engagierte er professionelle handwerkliche Unterstützung, und beide fuhren in den vergangenen Wochen ihre 40 Sanierungsprojekte ab, um sie zu säubern, anzuschleifen, zu grundieren und zweimal zu lackieren. „Herr Vollers hat bei allem kräftig mitgearbeitet“, betont Stefan Karcher. Im besten Fall benötigten die beiden Männer etwa eine Stunde, um einen Stromkasten aufzuarbeiten. Mitunter dauerte es aber auch viel länger, berichtet Karcher: „Am schlimmsten war es, wenn die Kästen von oben bis unten mit Stickern beklebt waren.“
Dass nicht jeder einfach ungestraft daherkommen könne, um auf eigene Faust einen Stromkasten zu bemalen, der ihm gar nicht gehöre – das war ihm natürlich bekannt, sagt Vollers: „Ich kann ja gar nicht so schnell vor der Polizei weglaufen.“ Vielmehr habe es insgesamt eineinhalb Jahre gedauert, bis er sämtliche Genehmigungen eingeholt hatte und mit seinem Projekt loslegen durfte. Zunächst galt es nämlich, die Besitzer der jeweiligen Kästen zu ermitteln und deren Erlaubnis einzuholen. Die 40 ausgewählten doppeltürigen Kästen gehören allesamt der Deutschen Telekom, „aber es gibt auch noch viele andere“, erklärt Vollers. Allzu viel Kreativität wurde bereits im Vorfeld unterbunden: Das Kommunikationsunternehmen bestand darauf, dass die Kästen im originalen RAL-Mausgrau gestrichen werden, weiß Maler Karcher.
Mit seiner Idee hatte Lüder Vollers vor einigen Monaten auch beim Waller Beirat vorgesprochen. An jenem Abend ergab sich auch der Vorschlag, wie sich die Kästen noch besser und dekorativer in den Stadtteil fügen könnten, erklärt Beiratsmitglied Alex Becker, gleichzeitig Vorsitzender des Vereins der Waller Geschäftsleute: Das Echt-Walle-Logo mit dem blauen Anker, das im Rahmen einer Marketingkampagne vor acht Jahren gestaltet worden war, steht allen Unternehmen, Institutionen und Privatleuten zur freien Verfügung, die ihren Waller Lokalstolz nach außen tragen möchten.
Die erste der eigens angefertigten Klebefolien mit dem Waller Markenzeichen wurde auf einem Kasten an der Waller Heerstraße angebracht. Dort haben es unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ortsamt West ständig vor Augen.
Für den engagierten und tatkräftigen Einsatz zugunsten des Stadtteils drückte Ortsamtsleiterin Ulrike Pala ihren Dank aus. Dann zog der kleine Malertrupp weiter zur nächsten Baustelle – bester Laune, denn Gründe zum Ärgern gibt es inzwischen ja auch ein paar weniger. Vollers sagt verschmitzt: „Ich mach´s ja auch im eigenen Interesse.“