Nach dem früheren Wahrzeichen der Waller Feldmark muss man heute schon gezielt suchen, denn die Fleetkirche liegt gut versteckt hinter Büschen und Bäumen. Eine Kirche mitten im Parzellengebiet?! „Es war damals einfach dringend notwendig, hier eine Kirche zu bauen“, erzählt der Künstler und Schriftsteller René Niemann, der das Gebäude 2017 erworben und vor dem Abriss gerettet hat.
Denn anders als heute war die Waller Feldmark in den Nachkriegsjahren dicht besiedelt: Rund 4000 Ausgebombte und Heimatvertriebene hatten sich mit Erlaubnis des damaligen Bürgermeisters Wilhelm Kaisen in den Kleingärten eine neue Bleibe eingerichtet. „Diese Menschen gehörten theoretisch zur Gemeinde Walle – da hatte man aber nicht so viel Platz“, so Niemann, der aus alten Unterlagen weiß: „Es war ein großer Kampf und bedurfte mehrjähriger Verhandlungen mit der Baubehörde, diese Kirche zu errichten.“ Die Feldmark sollte ja vom Wohnquartier für Kriegsgeschädigte nach und nach wieder zum Kleingartengebiet werden. „Deshalb“, so Niemann, „wurde sehr darauf geachtet, dass es ein Behelfsheim in Barackenbauweise sein sollte. Aber Hermann Gildemeister war ein sehr guter Architekt, der auch mit billigsten Materialien etwas sehr Schönes machen konnte.“
Am Sonntag, 7. September 1958, wurde der erste Gottesdienst in der Notkirche gefeiert, die schließlich bis 2016 in Betrieb war. Hochzeitspaare aus ganz Bremen wählten ihr einladendes Inneres für den Treueschwur aus und in den 1990er-Jahren gaben dort Jugendliche Zirkusvorstellungen.
Dann zog die Bremische Evangelische Kirche (BEK) die Konsequenzen aus der Kosten- und Nutzenrechnung: Am 3. Oktober 1999 feierte die Kirchengemeinde Walle den letzten Gottesdienst in der Fleetkirche, im darauffolgenden Jahr zog die Serbisch-Orthodoxe Kirchengemeinde für Weser und Ems in Bremen dort ein. Als 2016 in der Fleetkirche endgültig die Lichter ausgingen und Abrissgerüchte die Runde machten, schreckte dies so einige Waller auf.
Im August 2017 dann das große Aufatmen: René Niemann eröffnete dem Waller Beirat, er wolle aus dem Gebäude eine Kulturkirche machen und regelmäßig zum Tag der offenen Tür einladen. Diese Pläne seien dann aber an den hohen Auflagen gescheitert, so Niemann: „Daraus mache ich jetzt das Beste.“
Der Kirchenraum mit Tonnendecke ist nun ein Atelier, die Inspiration liegt direkt vor der Tür. „Ich habe die schöne Natur hier schätzen gelernt“, schwärmt er. Ihm zufolge zählen zu den regelmäßigen Gästen auf dem Kirchengrundstück neben Rehen auch Schmetterlinge, Molche, Kröten und Frösche. Einmal war ein Silberreiher da und sogar ein Eisvogel ist schon gesichtet worden. „Das ist mir die größte Freude“, sagt der Künstler, der sich dem Erhalt dieses naturbelassenen Refugiums verschrieben hat und sich nach mehreren schlimmen Erlebnissen vor allem wünscht, dass mehr Hundehalter ihre Vierbeiner anleinen.
Auch die Umwandlung des Areals in einen Naherholungspark beobachtet er mit Zurückhaltung. „Die Erschließung des Gebietes sollte auf eine behutsame und umsichtige Art stattfinden, sonst macht man das hier kaputt. Auch die Tier- und Pflanzenwelt muss eine Chance erhalten und nicht völlig verdrängt werden“, ist Niemann überzeugt, wenn er erzählt, wie es manchmal sonntags am Fleet aussieht: „Komplett zugeparkt.“