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Bremische Hafengeschichte Ein herausragendes Plätzchen in der Überseestadt

Ein Stück Hafengeschichte zum Anfassen: Stadtteilforscher Daniel Sokolis möchte den Molenturm in der Überseestadt für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Das ist allerdings nicht so einfach.
04.04.2024, 05:00 Uhr
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Ein herausragendes Plätzchen in der Überseestadt
Von Anne Gerling

Immer, wenn der Tag sich langsam seinem Ende zuneigt, ist am westlichsten Punkt der Überseestadt beim Molenturm ein reges Treiben zu beobachten: Spaziergänger, Radfahrer, Jogger, Familien mit kleinen Kindern, Hundehalter – im Minutentakt trudeln dann die verschiedensten Arten von Menschen auf der Mole am Wendebecken ein, drehen eine Runde um das „Molenfeuer Überseehafen Süd“ – so die offizielle Bezeichnung des kleinen denkmalgeschützten Turms – nicken einander gelegentlich zu und zerstreuen sich wieder in alle Winde.

Manch einem von ihnen geht es dabei vermutlich so wie Daniel Sokolis, seit er als Kind mit seinen Eltern zum ersten Mal hier war: „Wir haben uns geärgert, dass man hier nicht rein kann.“ Mittlerweile ist der gebürtige Gröpelinger 34 Jahre alt und selbst Vater von drei Söhnen. Und bis heute hat das Molenturm-Fieber den gelernten Schiffbauer und Stadtteilforscher nicht mehr losgelassen, der seit 2006 Erinnerungsstücke an die AG Weser sammelt, auf der einst sein Vater und auch der Großvater gearbeitet haben.

Nach und nach wuchs auf diese Weise das von Sokolis geführte AG Weser Werftarchiv heran, das mittlerweile etliche historische Fotoaufnahmen umfasst. Bei seinen Recherchen stieß der gebürtige Gröpelinger auf weitere interessante Motive im Umfeld der Gröpelinger Werft – etwa die Getreideverkehrsanlage und auch den zwölf Meter hohen Molenturm aus grau-braunen Portasandstein-Quadern. Sokolis begann damit, Geschichten und Wissenswertes rund um das markante Bauwerk zu sammeln und diese Informationen auf der Webseite www.molenturm-bremen.de anderen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Er hat den Turm vermessen, alte Baupläne nachgezeichnet und sich mit dem letzten Leuchtturmwärter getroffen, der dort noch seinen Dienst verrichtet hat: „Der hat hier 1973 die Tür abgeschlossen.“

Konzept mit Führung und Vortrag

2018 nahm Sokolis Kontakt mit der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) auf und regte an, den Turm – der vielen Bremern auch als Mäuseturm bekannt ist – im Rahmen von Führungen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im vorigen Sommer wurde man sich schließlich einig, Sokolis arbeitete einen 30-minütigen Vortrag aus, hielt ihn vor Test-Publikum und schrieb ein Konzept: „Maximal drei Leute gleichzeitig im Turm, Führungen nur nach Anmeldung, drei Monate Probebetrieb ab Mai.“ Sokolis‘ Traum: Dass der Molenturm eines Tages wieder in seinen Originalzustand versetzt und Ausgangspunkt eines Geschichtspfades mit mehreren Stationen werden könnte. Darum könnte sich der „Freundeskreis Molenturm“ kümmern, den Sokolis gerne ins Leben rufen würde, um das Areal sauber zu halten und kleinere Instandsetzungsarbeiten zu erledigen. Maurer, Maler, Elektriker, Metallbauer oder Gärtner – er habe viele Kontakte zu den verschiedensten Gewerken, sagt Sokolis.

Das Ziel sollte es sein, den Turm der Stadt zurückzugeben.
Sönke Busch, Bremer Autor und Künstler

Einen Unterstützer und Mitstreiter hat er außerdem in dem Bremer Autor und Künstler Sönke Busch – einer der wenigen, die bereits das Glück hatten, den Molenturm von innen zu sehen. Denn Busch durfte das Bauwerk vorübergehend als Büro nutzen und hat dort in den vergangenen zwei Jahren einen Roman verfasst. „Dementsprechend bin ich in das Ding vernarrt. Das Ziel sollte es sein, den Turm der Stadt zurückzugeben“, sagt Busch, der das Türmchen mit den zwei umlaufenden Galerien und der kupfergrünen Haube für einen städtebaulich sehr besonderen Ort hält: „Es ist einer der ganz wenigen konsumfreien Orte, die wir hier in Bremen haben. Man kann sich einfach dort hinsetzen und den Sonnenuntergang genießen.“

Große Resonanz auf Angebot

Nach mehrfacher Rücksprache mit der WFB begann Sokolis Anfang des Jahres damit, über verschiedene soziale Medien Werbung für kostenlose 30-minütige Führungen zu machen. Die Resonanz war groß: Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich etwa 800 Interessierte an, auch aus dem Ausland kamen Anfragen. Etwa zwei Wochen später musste der Gröpelinger Heimatforscher dann allerdings wieder zurückrudern – die WFB hatte aufgrund haftungsrechtlicher Bedenken für ihn überraschend ihre Zusage zurückgenommen: „Ich habe vier Tage gebraucht, um alle anzuschreiben und ihnen wieder abzusagen.“

Der engagierte Gröpelinger hofft nun, zumindest einen virtuellen Rundgang durch den Molenturm für seine Webseite erstellen zu können – eine Idee, die man bei der WFB begrüßt. „Wir finden es ganz toll, dass Herr Sokolis sich so einsetzt und wir kooperieren auch gerne mit ihm und wollen uns weiterhin mit ihm austauschen. Aktuell laufen Wartungsarbeiten im Turm, danach kann er gerne Bildaufnahmen von innen machen“, sagt WFB-Sprecherin Andrea Bischoff. Der Molenturm habe eine nautische Funktion, was mit Besichtigungen nicht vereinbar sei: „Er ist außerdem sehr klein und hat eine Treppe, auf der man stürzen kann. Er ist auch nicht für größere Menschenmengen ausgelegt, wir können dort keinen Versicherungsschutz gewährleisten.“ Durchaus denkbar seien aus Sicht der WFB aber auch Führungen um den Turm herum.

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