Wer über die Cuxhavener Straße oder vom Überseetor aus in die Überseestadt hineinfährt, der passierte bislang bei der abknickenden Vorfahrt an der Ecke Überseetor / Eduard-Suling-Straße eine unscheinbare Brachfläche. Seit einigen Monaten befindet sich dort nun eine Baustelle: Auf dem Grundstück entsteht ein Erweiterungsbau für die Hochschule für Künste (HfK), deren Fachbereich Kunst und Design mitsamt der Verwaltung seit November 2003 einige Hundert Meter weiter im Speicher XI ansässig ist. In dem historischen Speichergebäude in der Überseestadt stößt die Einrichtung allerdings räumlich immer mehr an ihre Grenzen.
Pläne für den Neubau
Schon längere Zeit war deshalb hin- und herüberlegt worden, wie sie ihre räumlichen Möglichkeiten vor Ort erweitern könnte – etwa durch temporäre Container-Bauten auf dem alten Gleisbett der Hafenbahn. Im Dezember 2019 hatte Hochschulrektor Roland Lambrette schließlich im Fachausschuss Überseestadt des Waller Beirats Pläne für den Neubau vorgestellt, der nun entsteht und im kommenden Frühjahr fertig sein soll: Die drei leicht versetzt aneinander gereihten acht Meter hohen Hallen mit einem sogenannten Shed- oder Sägezahndach sollen der Einrichtung in Zukunft mehr Raum für das kreative Arbeiten bieten. Der etwa 100 Meter lange Komplex mit gut 2000 Quadratmetern Fläche namens Speicher XIA wird aus zwei Werkhallen und einer Multifunktionshalle bestehen, die als Konzertsaal mit bis zu 400 Sitzplätzen für das Hochschulorchester, die Big Band oder eigene Opernaufführungen genutzt werden kann. Was Malerei, Bildhauerei, grafische Kunst oder Medieninstallationen betrifft, so werden die Ausstellungsmöglichkeiten im Neubau deutlich zeitgemäßer sein als bisher im Speicher XI. Und auf einem Catwalk können auch Modenschauen der Hochschule stattfinden.
Größentechnisch schließt die neue Multifunktionshalle die Lücke zwischen dem Konzertsaal der HfK-Dependance an der Dechanatstraße mit regulär 200 Sitzplätzen und dem BLG-Forum beim Speicher XI, das die HfK regelmäßig für Veranstaltungen nutzt und in das normalerweise 1000 Stühle hineinpassen.
Aufteilbare Ateliers
Mit den beiden anderen Hallen bekommen Lehrende und Studierende helle und individuell aufteilbare Ateliers mit großen Wandflächen, hohen Decken und moderner Be- und Entlüftung. Außerdem ist darin Platz für Werkstätten, Lager- und Büroräume. Mit dem Umzug einzelner Lehrgebiete in den Neubau möchten die Verantwortlichen die derzeit genutzten Flächen im denkmalgeschützten Speicher XI entlasten.
Ebenso wie hinter dem Neubau, der derzeit etwa 200 Meter weiter nordöstlich am Überseetor für die Berufsschule für Groß- und Außenhandel und Verkehr (BS GAV) heranwächst, steht auch hinter dem neuen HfK-Gebäude eine Kooperationen zwischen der öffentlichen Hand und der freien Wirtschaft in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP): Das deutsch-chinesischen Joint Venture Portinvest GmbH errichtet das neue Gebäudeensemble für die Stadt. Die HfK Bremen mietet es für 30 Jahre, die Mietzahlungen in Höhe von 300.000 Euro jährlich übernimmt das Wissenschaftsressort.
Großformatige Gasbeton-Tafeln
Bei der Präsentation des Entwurfs Ende 2019 hatten sich gleich mehrere Waller Ortspolitiker gewünscht, dass die Fassaden nach Möglichkeit in dem für Hafengebäude typischen roten Klinker gestaltet werden sollten. Davon ist Architekt Jan Fuchs zufolge unter anderem aus Kostengründen aber abgesehen worden. Stattdessen habe man sich für großformatige Gasbeton-Tafeln entschieden, die gut zu bemalen seien und in die auch ohne großen Aufwand Schrauben oder Nägel eingebracht werden könnten. „Sie sind außerdem leicht auszubessern“, so Fuchs. Auf diese Weise könne sich die HfK zukünftig auch außen auf dem Gebäude präsentieren: „Es soll wie eine Leinwand oder eine neutrale Hülle sein. Schöne rote Klinker wären dafür viel zu schade gewesen.“
Die stellvertretende Waller Beiratssprecherin Brunhilde Wilhelm (Grüne) findet ohnehin einen anderen Aspekt wichtiger. „Wir fanden die Pläne gut und haben es sehr begrüßt, dass dort ein Erweiterungsbau für die Kunsthochschule entsteht“, erinnert sie sich noch lebhaft an die Diskussion unter den Ortspolitikern, „denn das ergänzt ja letztendlich die Struktur dort. Außerdem möchte sich die HfK da ja auch mit Veranstaltungen zum Stadtteil öffnen – das gefällt mir auch sehr gut.“
Ausbau der Überseestadt
Tatsächlich ist Roland Lambrette überzeugt, dass die Hochschule mit dem neuen Speicher XI A einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Überseestadt und zur Anbindung in Richtung Alt-Walle leistet: „Es entsteht eine neue, gut sichtbare Adresse der HfK als Kultur- und Kreativzentrum – deutlich präsent im Stadtraum – an der Hauptachse, die von Walle zur Überseestadt und später voraussichtlich auch über die Weser bis nach Woltmershausen mit dem Tabakquartier führen wird. Der Raum zwischen dem alten Speicher XI und dem neuen Speicher XI A wird jetzt gefasst und zu einem Platz mit eigener Atmosphäre.“