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Kaffee Hag Fast wie ein Familientreffen

Einmal im Jahr treffen sich ehemalige Kollegen von Kaffee Hag im Marmorsaal, der sich in den Räumen ihres ehemaligen Arbeitgebers befindet. Jetzt war es wieder so weit.
29.09.2022, 10:00 Uhr
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Von Anke Velten

Die Tische im Marmorsaal waren festlich gedeckt – hoher Besuch wurde erwartet. 60 ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kaffee Hag im Alter zwischen 70 und 90 Jahren hatten sich zum jährlichen Wiedersehen angekündigt. Sie kamen aus allen Bremer Stadtteilen und aus der Region angereist, einige sogar aus dem Westerwald, aus Essen und Frankfurt, um sich mit den einstigen Kolleginnen und Kollegen zu treffen. Über die Geschichte des Bremer Unternehmens ist schon viel geschrieben worden. Wer wirklich wissen möchte, wie es dort war, erfährt es von den Menschen, die es noch selbst erlebt haben.

„Es hätten sogar noch mehr Gäste werden können“, berichtet Manfred Siebert: Hätte nicht ausgerechnet an diesem Sonnabend Claudio Pizzaro seinen Abschied im Weserstadion gefeiert, was einige Ehemalige nicht verpassen wollten. Auch die Pandemie zeigte noch Nebenwirkungen: „Mindestens 20 haben sich nicht getraut“, erklärte der langjährige Betriebsratsvorsitzende, der die Gemeinschaft zusammenhält, dafür sorgte, dass Kaffee und Butterkuchen bereit standen und beim Waller Schlachter das abendliche Buffet orderte.

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Gekommen waren trotzdem viele, und auch Werner Wehrs hatte sich getraut. Der 85-jährige aus Vegesack berichtete von seiner Zeit bei Kaffee Hag, die vor 57 Jahren in der technischen Einkaufsabteilung begonnen hatte, und abrupt endete, als die neuen Eigentümer, „die Amis“, wie man hier sagt, den 58-Jährigen nach Hause schickten. Zuvor war er unter anderem für den Fuhrpark des Unternehmens verantwortlich – Fahrzeuge vom Kleinwagen bis zum Ferrari des Chefs. Der Chef: Das war zu seiner Zeit schon Ludwig Roselius Junior. Der erst vor kurzem in Bern gestorben ist. Er sei „ein sympathischer, richtiger Mensch“ gewesen, so Wehrs. Von seinem Vater geerbt hatte er auch das große Engagement für die Kunst, der er sein restliches Leben widmete.

Auch Irene Tjeder erinnert sich gerne an ihre Zeit am Holzhafen. „Ich habe hier wirklich gerne gearbeitet. Das war hier richtig familiär“, erzählte die 79-Jährige aus Schwanewede. Im Alter von 16 Jahren hatte die gebürtige Wallerin ihre Lehrzeit bei Kaffee Hag begonnen – so wie schon die Mutter und der Großvater vor ihr – und arbeitete anschließend im Rohkaffee-Einkauf. „Morgens kamen die Vertreter mit ihren kleinen Kaffeesäcken. Dann wurde verkostet, und am Nachmittag gingen die Bestellungen raus“, erzählte sie.

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In Bremen dürfte die Geschichte bekannt sein: Im Jahr 1906 hatte sich der Kaffeehändler Ludwig Roselius das weltweit erste Verfahren zur Entkoffeinierung patentieren lassen und mit dem flüssigen Nervenschoner und seinen ungewöhnlichen Werbeideen genau den Geschmack seiner Zeit getroffen. 1907 wurde am Holzhafen die Produktion aufgenommen, 1929 kam der „Plantagentrank“ Kaba dazu. Roselius hinterließ der Stadt eine Weltmarke, und mit der Böttcherstraße eine Touristenattraktion. Bis 1979 blieb das Unternehmen in Familienhand, dann wurde es mit seinen mehr als 1500 Mitarbeitern an den amerikanischen Konzern General Foods verkauft, wechselte später noch öfter die Herren. Der Standort wurde immer kleiner, 2017 wurde die letzten Mitarbeiter entlassen.

Mit dem Werk, das Ludwig Roselius in Bremen bauen ließ – seinerzeit hochgelobt und heute denkmalgeschützt – wusste jahrzehntelang niemand etwas anzufangen. Doch das hat sich sichtbar geändert, seit der Komplex vor vier Jahren an eine Bremer Gesellschaft verkauft wurde. Am Fabrikenufer werden inzwischen Lebkuchen gebacken, handgemachte Seifen produziert und Fahrräder verkauft, in anderen Gebäuden haben sich kleinere und größere Unternehmen und Dienstleister angesiedelt, in den Backsteingebäuden an der Cuxhavener Straße möchte eine Initiative junger Leute ein kleines Kulturzentrum gründen. Er sei „so froh, dass hier wieder Leben einkehrt und sich das Gelände so positiv entwickelt“, sagt Manfred Siebert.

Direkt neben dem Marmorsaal wird seit fast 13 Jahren frischer Kaffee der Traditionsmarke Lloyd Caffee geröstet und ausgeschenkt. Die Verbindung zu diesem Ort hat sich offensichtlich vererbt, wie der 79-Jährige mit großväterlichem Stolz erzählt: Dort arbeitet Enkel Sebastian als Röstmeister.

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