Frische, Qualität, ein großes Warenangebot und dazu der eine oder andere Schnack: Diese Mischung ist es, die für viele Besucherinnen und Besucher von Bremens Wochenmärkten bis heute den besonderen Reiz ausmacht. Jüngst wurde wie berichtet das 75-jährige Bestehen des Findorffmarktes gefeiert. Und auch am Wartburgplatz im Waller Westend stand in diesen Tagen ein runder Geburtstag an: Der Waller Wochenmarkt ist 60 Jahre alt geworden.
Genaugenommen ist er sogar älter, allerdings nicht an diesem Standort: Bevor im August 1944 das Gebiet zwischen Hansestraße und Nordstraße durch Bomben zerstört wurde, gab es auf dem Spielplatz Nordstraße – damals „Danziger Freiheit“ genannt – einen großen Markt. Nach Kriegsende wurde entschieden, diese Tradition in dem völlig zerstörten Gebiet nicht wieder aufleben zu lassen. So wurde 1963 ein neuer Wochenmarkt an der Wartburgstraße eröffnet. Elf Marktkaufleute waren damals dabei, das Standgeld betrug je Tag und Quadratmeter 15 Pfennige, wie der WESER-KURIER zum Silberjubiläum 1988 berichtete. In den 1980-er Jahren boten dort demnach 30 Landwirte, Gärtner, Schlachter, Gemüse-, Obst-, Geflügel- und Blumenhändler ihre Waren zum Verkauf an.
Mittlerweile ist der Waller Wochenmarkt wieder deutlich überschaubarer geworden, hat aber noch immer treue Fans. Der Waller Beirat bemüht sich seit einigen Jahren darum, dem Markt wieder neues Leben einzuhauchen. Zum festen Stamm der Händler auf dem Wartburgplatz gehört Gaby Sterbies, die dort seit 1993 dreimal die Woche mit ihrem Obst- und Gemüsestand anzutreffen ist. Dienstags und donnerstags baut sie ab 4.15 Uhr auf, sonnabends noch eine Stunde früher. Ihre Einkaufstour am Großmarkt hat die Händlerin zu diesem Zeitpunkt bereits hinter sich.
Sterbies butscherte schon als Kind hinter dem Verkaufsstand des Onkels rum und verbindet schöne Erinnerungen mit dem Waller Wochenmarkt. Diese zum Beispiel: „Als es die AG Weser noch gab, liefen vormittags die Hausfrauen über den gesamten Markt. Die sind um 6 Uhr gekommen und mit vollen Taschen wieder weg.“
Später half sie – so wie ihre Mutter und die drei älteren Geschwister – immer wieder beim Verkauf mit, schlug aber nach der Schule zunächst einen anderen Weg ein, wie die Delmenhorsterin erzählt: „Ich bin von Beruf Sozialpädagogin und habe zehn Jahre in diesem Beruf gearbeitet.“ Als ihr Onkel den Betrieb vor 30 Jahren an einen Nachfolger übergeben wollte, sattelte Sterbies dann schließlich ganz um.
Ab 20 Uhr ist Schlafen angesagt
Seitdem sind ihre Arbeitstage lang und spätestens ab 20 Uhr ist Schlafen angesagt. „Man wusste, worauf man sich einlässt. Das habe ich mir genauso ausgesucht und man hat auf der anderen Seite auch viele Freiheiten“, sagt die 60-Jährige, die an ihrer Tätigkeit vor allem den Umgang mit der Kundschaft und das Miteinander der Händler schätzt: „Es gibt so ein ganz eigenes Marktleben, das ich sehr mag. Und ich war auch gerne 30 Jahre lang selbstständig.“
Natürlich wäre es schön, wenn auf dem Waller Wochenmarkt wieder etwas mehr los wäre und er wieder besser aufgestellt wäre, sagt die Delmenhorsterin: „Solch eine Strukturveränderung schafft der Markt aber nicht von alleine. Das Leben hat sich geändert, die Jungen gehen arbeiten und die Kinder werden in der Schule verpflegt. Jeden Tag kochen und volle Brotdosen mit Gemüse – das gibt es nicht mehr.“ Immerhin: Während der Pandemie habe auch der Waller Wochenmarkt einen deutlichen Aufwärtstrend erlebt. „Das war extrem, die Leute haben lieber draußen eingekauft. Am ersten Tag bin ich fast eingegangen“, erinnert sich Sterbies und lacht: „Und es gab in der Corona-Zeit sehr disziplinierte Schlangen.“

Anneliese Mehnen gehört zu den Stammkunden des Waller Wochenmarkts. Die 102-Jährige bedauere, dass der Markt gelitten habe, seit die Sparkasse ihre Filiale am Wartburgplatz aufgegeben hat.
Anneliese Mehnen gehört zu den treuen Kundinnen und Kunden, die regelmäßig auf dem Waller Wochenmarkt vorbeischauen. Insbesondere der Blumenstand habe sich sehr gut entwickelt, hat sie dabei unter anderem beobachtet – wohl, weil es in der Gegend inzwischen keine Blumenläden mehr gebe. „Ich bin eigentlich regelmäßig enttäuscht, dass ich so wenig bekannte Gesichter sehe. Für mich und viele ältere Leute gehört das zum Markt dazu, auch wenn viele Jüngere das vielleicht nicht vermissen“, sagt die 102-Jährige aber auch, die außerdem bedauert: „Der Markt hat stark gelitten, seit die Sparkasse ihre Filiale hier am Wartburgplatz aufgegeben hat. Es müssten mehr Stände sein. Früher hatten wir zwei Fleischer, einen Bäcker und zwei Fischstände.“ Was die Seniorin dem Waller Wochenmarkt zu dessen 60. Geburtstag wünscht: „Dass er bestehen bleibt!“