Wenn Andreas Heinrichs von Izmir, der Perle der Ägäis spricht, dann beginnen seine Augen zu leuchten. Der farbenfrohe Basar, die wunderschöne Natur mit den ausgedehnten Stränden der Hafenstadt sowie das nahe gelegene Ephesus, die antike Stadt an der türkischen Ägäisküste, einst wohl das bedeutendste Handelszentrum des Mittelmeeres. Aber auch und vor allem: Immer wieder die Herzlichkeit und die Gastfreundschaft der Menschen dort. Die hat der inzwischen pensionierte, stellvertretende Schulleiter der vormaligen Integrierten Stadtteilschule an der Carl-Goerdeler-Straße oft persönlich erlebt. Heinrichs, der die Türkei seit 1982 immer wieder bereist, hat sogar schon ein halbes Jahr in Istanbul gelebt, er spricht gut Türkisch. Aber seine besondere Liebe gilt eben Izimir, der Perle der Ägäis. Nicht von ungefähr ist er Mitglied des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Bremen – Izmir. Der Verein ist Herausgeber des Buches "25 Jahre Städtepartnerschaft Bremen – Izmir". Andreas Heinrichs hat das Buch auf den Weg gebracht, verschiedene Beiträge in Auftrag gegeben und selbst geschrieben. Eine Liebeserklärung.

Der Uhrenturm in Izmir.
Großes Interesse an Schulpartnerschaften
Mitfinanziert wurde das Buch vom Goethe-Institut. Von dort kam auch die Anregung, sowohl in Bremen als auch in Izmir noch einmal nachzufragen, wie groß das Interesse an weiteren Schulpartnerschaften sei. Um es vorwegzunehmen: Es ist riesig, so das Ergebnis einer Videokonferenz zum Fachkräfteaustausch. Allein acht Bremer Schulen aus vielen verschiedenen Stadtteilen zeigten bis Weihnachten reges Interesse, sechs Schulen aus Izmir waren genauso Feuer und Flamme von der Idee. Auf die für April angesetzte Lehrerfahrt mit acht Bremer Schulen freut sich Heinrichs besonders, genauso wie darüber, dass auch im universitären Bereich die Verbindungen verstärkt wieder belebt werden sollen. Austausche zwischen Schulen hat es seit Beginn der Städtepartnerschaft viele gegeben, allein fünf größere sind in dem Buch dokumentiert.

Unter anderem die Uferpromenade hat es Andreas Heinrichs in Izmir besonders angetan.
Wie wichtig solche Schüleraustausche für die Völkerverständigung und für den Abbau von Vorurteilen sind, wird in dem Buch veranschaulicht. Und die Reaktionen der jungen Bremerinnen und Bremer fallen durchweg positiv aus: Auch sie heben die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit der Bewohnerinnen und Bewohner von Izmir hervor. Das 25-jährige Bestehen der Partnerschaft, das eigentlich schon 2020 hätte gefeiert werden sollen, ging in der Pandemie unter. Wie überhaupt 2020 ein rabenschwarzes Jahr für Izmir war. Die Stadt wurde Ende Oktober 2020 zu allem Überfluss auch noch von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht. Die Bremer Spendenbereitschaft für Izmir war beachtlich, die Mitglieder des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Bremen-Izmir packten aktiv vor Ort mit an. Gleiches galt, als die Partnerstadt 2019 eine andere Katastrophe ereilte: Unzählige Bäume fielen Waldbränden zum Opfer. "Schon für eine Spende von zehn Euro konnten drei Setzlinge gekauft werden", erinnert sich Heinrichs. Wie über 1000 neue Bäume gepflanzt und liebevoll gepflegt wurden, auch davon berichtet das Buch.
Austausch auf kommunaler Ebene
Aber im vergangenen Jahr konnten die Besuche und Gegenbesuche, angeführt von den jeweiligen Bürgermeistern, in Izmir und Bremen nachgeholt werden. Die Bremer Delegation hatte dann im Juni 2022 ein Gastgeschenk im Gepäck: „Hayat Yollar“, die Ausstellung, die Borat Aksen, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Focke-Museums, aus Anlass des 60. Jahrestages des Anwerbe-Abkommens konzipiert hatte. Izmir gilt als eine der Städte, in das Prinzip der Trennung zwischen Religion und Staat große Bedeutung hat und zählt damit zu den liberalsten Städten der Türkei. Das mache sich auch am Flair der viereinhalb-Millionen-Metropole bemerkbar, sagt Heinrichs. „Die demokratischen Kräfte in der Türkei sehnen sich nach solchen Kontakten, die durch Städtepartnerschaften entstehen. Auf der kommunalen Ebene funktioniert das sehr gut.“ Für beide Seiten sei es eine Öffnung des eigenen Horizontes. Dass das mitunter angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland seitdem Recep Tayyip Erdogan 2014 das Präsidentenamt übernahm, für Städtepartnerschaften nicht unbedingt förderlich sei, räumt der Türkei-Kenner ein.

Konzert der interkulturellen Projektreihe "Transition" im Bremer Sendesaal.
Weshalb 1995 die Bremer Wahl auf Izmir fiel? Nach den rassistischen Anschlägen in Solingen und Mölln, denen 1992/93 viele türkischstämmige Menschen zum Opfer fielen, sei eine große Welle der Solidarität durch Bremen gegangen, erzählt Heinrichs. Nachdem Istanbul und Ankara bereits Partnerstädte hatten, sei die Wahl auf die Hafenstadt in der Ägäis gefallen. So unterhält die Hansestadt auch eine eigene Niederlassung in Izmir. Die Kontakte sind aber nicht nur im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich eng geknüpft, sondern auch und gerade auf dem Feld der Kultur. Das Bremer Filmbüro unterhält beste Kontakte zu den Filmschaffenden in Izmir, die jedes Jahr auf der Berlinale noch gefestigt werden. Die Bremer Shakespeare Company plant im Mai eine Neuauflage ihrer theatralen Zusammenarbeit mit der Metropole, dieses Mal sollen auch Jugendliche mit eingebunden werden. 2016 gab es einen groß angelegten Austausch zwischen Kunstschaffenden. Eine Neuauflage würde sich Andreas Heinrichs auch für die Zukunft wünschen.
Last not least: Eines der Referenzprojekte von großer Strahlkraft sind die vielfältigen musikalischen Verbindungen zwischen Bremen und Izmir. Sie schenken "Lebensfreude und Hoffnung, gerade in schwierigen Zeiten", wie Peter Dahm, Saxofonist und Leiter der Kulturwerkstatt Westend schreibt. Er ist der kreative Kopf der interkulturellen Projektreihe "Transition" und hat gemeinsam mit seinen türkischen Musiker-Kollegen seit 2006 unzählige, gemeinsame Konzerte im Rathaus, in der Kulturkirche, im Sendesaal und natürlich auch in Izmir selbst gegeben.
Das Fazit von Andreas Heinrichs: "In 25 Jahren sind unzählige, persönliche Freundschaften zwischen Bremen und Izmir entstanden. Gelebte Freundschaften, die das beste Mittel gegen Vorbehalte jedweder Art sind."