Seit fast 50 Jahren schauen Oma und Opa jetzt schon aus dem Fenster Richtung Rembertiring. Die Arme haben sie aufgestützt aufs Fensterbrett, wie man das eben so macht, wenn man es bequem haben will. Ein auf den ersten Blick idyllischer Moment und eines der ersten großen Wandbilder, die in Bremen gemalt worden sind. 1975 war das.
Eine Darstellung mit Botschaft auf 189 Quadratmetern: Als kritischen Kommentar zur Umgestaltung des Ostertorviertels wollte der Künstler Peter K.F. Krüger seinen Beitrag damals verstanden wissen, als Aufforderung, Stadtentwicklung anders zu denken. Dreimal ist das Wandbild bis heute restauriert worden, zuletzt vor drei Jahren.

Hommage an die beste Zeit Werders: Double-Torwart Andreas Reinke mit Ivan Klasnic und Ailton an der Werder-Halle in der Hemelinger Straße.
Der „Blick aus dem Fenster“ gehört zu den mehr als 250 Bremer Kunstwerken, die jetzt Eingang in die internationale „Street-Art-Cities“-App gefunden haben. Rund 65.000 Kunstwerke aus über 1700 Städten in 103 Ländern sind in der App katalogisiert. Bremen ist seit Neuestem Partner der Internetplattform, als zweite deutsche Stadt nach Köln und vierzehnte weltweit überhaupt.
Stadtmarketing und Straßenkunst spielen Doppelpass. Finanziert aus Mitteln der Citytax und koordiniert von der Wirtschaftsförderung verfolgt das Wirtschaftsressort in Zusammenarbeit mit der Plattform das Ziel, Bremen als kreative Stadt weltweit sichtbar zu machen. Straßenkunst als Tourismusfaktor, Wandmalereien als ein Anreiz, Bremen zu besuchen. Mithilfe einer interaktiven Karte können sich Gäste Touren zusammenstellen und auf Spurensuche gehen.

Ob es drinnen im Haus wohl genauso aussieht? Anna Bart zeigt auf der Fassade des Hauses an der Achimer Straße 30, wie Privates öffentlich werden kann.
Street Art gilt inzwischen mehr und mehr als respektierte Kunstform. Die Frage „Ist das noch Geschmiere oder schon Kunst?“ stellt sich bei den gesammelten Arbeiten in der App nicht mehr. Natürlich ist das Kunst. Mal als Hommage wie bei Jub Mönsters „Das Double“ an der Wand der Werder-Halle in der Hemelinger Straße. Mal als Gruß an Freunde wie bei den „Greetings from Haifa“, einer Arbeit des Künstlerkollektivs Broken Fingaz aus dem Jahr 2013 im Rahmen der Jazzahead, zu finden an der Kaimauer auf Höhe der Herrlichkeit 4 an der Kleinen Weser.
Street Art hellt die triste Funktionalität von Bauten auf, wie im Falle von „Lothar“, den freundlichen Parkwächter, überlebensgroß gemalt auf die Rückseite des Parkhauses Langenstraße. Street Art mahnt, wie in Jürgen Wallers düsterer Erinnerung an die NS-Zeit in der Admiralstraße in Findorff mit dem Titel „Den Gegnern und Opfern des Faschismus“, gemalt über die gesamte Breite des Bunkers. Und Street Art verdeckt, wenn auch nur auf Zeit, wie aktuell das Graffito auf der Bretterwand an der Baustelle in der Sögestraße neben Salamander.

Grüße aus Haifa: das hochgelobte Graffito des Künstlerkollektivs Broken Fingaz, entstanden anlässlich der Jazzahed 2013.
Street Art schöpft aus sprudelnder Inspirationsquelle. Das neueste Wandbild in der Stadt, das „Neuzeit-Märchen“ des Bremer Künstlers Erwin Edel, ist an diesem Freitag in der Neustadt eingeweiht worden. Erstellt hat es Edel, der auch als Leinwandmaler und Tattoo-Künstler bekannt ist, zwischen März und September auf der fensterlosen Fassade des Weltkriegsbunkers in der Aßmannshauser Straße. Auch hier ist die Kulturpolitik mit im Boot. Das Wandbild entstand im Rahmen des Projekts „Junge Bremer Wandmalerei“ und wird vom Kulturressort finanziell gefördert.