Hat die Jacobs-Uni ihre Studenten aus dem Blick verloren? Nicht benotete Zeugnisse, nicht ausbezahlte Löhne, nicht aufgearbeitete Gewaltdelikte – die Liste der Beschwerden von Bachelor-Studenten ist lang. Dazu kommen ungelöste Platzprobleme auf dem Campus. Recherchen der NORDDEUTSCHEN zufolge wurden Master-Studierende über Tage und Wochen in Hotels untergebracht. Aktuell wohnen 60 Master-Studierende im 21 Kilometer entfernten „The Fizz“, einem Studentenwohnheim an der Universität Bremen.
Studenten der privaten Jacobs-Uni werden von der Öffentlichkeit hauptsächlich dann wahrgenommen, wenn sie bei der Graduierungsfeier ihre Hüte werfen. Selten passiert es, dass sich Studierende über die Uni beklagen, die großen Wert auf ihren exzellenten Ruf legt. Und wenn doch, dann hinter vorgehaltener Hand.
„Wir, das Undergraduate Student Government (USG) denken, dass es an der Zeit ist, dass die Studenten auch einmal gehört werden, denn es gibt verschiedene Dinge, über die oft geschwiegen wird. Vor allem im vergangenen Semester entstanden viele Situationen, die extreme Unzufriedenheit und Spannung zwischen Studenten und der Leitung der Universität hervorgebracht haben. Studenten haben oft das Gefühl, dass auf ihre Kosten Entscheidungen getroffen werden“, heißt es in einem Schreiben an den WESER-KURIER.
Frust über Administration zu groß
„So wurden die Studenten bis heute nicht offiziell informiert, dass es einen Wechsel in der Führungsetage gegeben hat; es gibt strukturelle Probleme mit dem neuen Präsidenten Michael Hülsmann; und Studenten, die im Sommer ihren Abschluss machen werden, können sich momentan nicht für weitere Universitäten oder anderes bewerben, weil keine Zeugnisse ausgestellt worden sind.“
Nouria Jantz aus Nordrhein-Westfalen ist gewählte Präsidentin des Parlaments, das die vier Studentenwohnheime auf dem Campus repräsentiert. Die Studentin der Geowissenschaften lernt im dritten Jahr in Grohn und wartet auf Noten: „Das Semester ist Weihnachten zu Ende gegangen. Wir Bachelor-Studenten haben Prüfungen geschrieben. Doch wir haben noch keine Noten. Und jetzt ist die Deadline für die Fünft-Semester vorbei, sich für bestimmte Unis zu bewerben.“
Der Frust über die Administration sei zurzeit groß. Das liege auch daran, dass die Löhne studentischer Hilfskräfte nicht rechtzeitig ausbezahlt worden seien. Studenten, die in der Verwaltung nachfragten, was mit ihrer Bezahlung sei, hätten feststellen müssen, „dass die Verwaltung schwer zugänglich ist“, sagt Teresa Döring. Die junge Frau aus Duisburg studiert im zweiten Jahr Internationale Beziehungen und kümmert sich im USG-Gremium um Finanzfragen. Die Sache mit den Löhnen hat sich inzwischen geklärt. Teresa Döring: „Die Universität hat eine E-Mail mit der Information geschickt, dass alle Studenten eine Entschädigung von 40 Euro bekommen.“
Es gibt weitere Kommunikationsdefizite. „Wir erleben, dass Verbrechen oder Regelverstöße, die sich im letzten Jahr ereignet haben, nicht ausreichend besprochen wurden. Das betrifft Einbrüche, tätliche Übergriffe und sexuelle Gewalt. Es ist dazu nie etwas von Uniseite zu hören, es wird so getan, als würde nichts auf dem Campus passieren, als seien alles andere Falsch-Nachrichten“, urteilt Teresa Döring. Dies wolle das USG nicht akzeptieren: „Die Uni soll Verantwortung übernehmen. Sie muss bei Übergriffen deutlich machen, wo die Grenzen sind und dass es Konsequenzen gibt“, sagt auch Noemi Linden, USG-Mitglied und Biochemie-Studentin aus Hamburg.
Wie Uni mit Kriminalität auf Campus umgeht, bleibt offen
Die Studentinnen wollen ihre Uni nicht schlechtreden. „Akademisch haben wir gute Erfahrungen gemacht“, sagt Teresa Döring. Aber das Gremium wünscht sich einen anderen Umgang mit Problemen. Und es will mitreden. „Offenheit ist unserer Meinung nach der beste Weg der Kommunikation. Totschweigen von Gewalt- oder Drogenproblemen löst die Probleme nicht“, sagt USG-Präsidentin Nouria Jantz.
Unisprecher Thomas Joppig sagt nicht, dass es keine Probleme an der Jacobs-Universität gibt. Aber er sagt, ohne konkrete Beispiele könne er die Sachlage nicht prüfen. Wie die Uni überhaupt mit dem Thema Kriminalität auf dem Campus umgeht, bleibt offen.
Die Ursache für nicht rechtzeitig gezahlte Löhne war laut Joppig ein technisches Problem bei der Dezember-Abrechnung, das mittlerweile behoben sei. „Aus Gründen der Fairness und Gleichbehandlung haben wir uns entschlossen, jedem unserer studentischen Mitarbeiter die gesetzliche Mahnpauschale von 40 Euro zu zahlen – unabhängig davon, ob die Zahlung im Einzelfall angemahnt wurde oder nicht.“

Fordern, dass an der Jacobs University auch die Probleme offener angesprochen werden: Noemi Linden, Nouria Jantz und Teresa Döring vom Undergraduate Student Government.
Was die Beschwerde über die Zeugnisse betrifft, sieht sich die Uni nicht in der Pflicht, von selbst tätig zu werden: Anders als in der Schule gebe es keine jährliche oder halbjährliche Zeugnisausgabe. Joppig: „Wer für Bewerbungen ein benotetes Zwischenzeugnis benötigt, muss dieses rechtzeitig über ein Online-Formular anfordern.“ Darüber würden die Studierenden auch informiert.
Ein strukturelles Problem bei der Geschäftsführung sieht die Hochschule ebenfalls nicht. Michael Hülsmann, Nachfolger von Präsidentin Katja Windt, sei Geschäftsführer und Präsident in Personalunion. Er habe einen zeitlich befristeten Vertrag, der jedoch verlängert werden könne. Gerüchte, dass Michael Hülsmann seit Monaten erkrankt sei, weist der Sprecher zurück. Die Uni verfüge über mehrere Abteilungsleiter mit Prokura, sei also stets handlungsfähig.
Unterdessen wächst die Zahl der Studenten schneller als die Wohnraumkapazitäten. 361 neue Studierende sollen sich zuletzt eingeschrieben haben. Zum geplanten College-Neubau heißt es seit Monaten vage, es gebe konstruktive Gespräche mit den Verhandlungspartnern. Nachdem die Unileitung in den vergangenen Jahren zahlreiche externe Unterkünfte für Studenten wieder aufgegeben hat, wurden zwischenzeitlich Studenten in Hotels untergebracht. Wie Thomas Joppig auf Anfrage bestätigt, buchte die Uni Zimmer für 47 Masterstudierende in deren erstem Monat. Danach wurde ein Umzug ins Studentenwohnheim The Fizz organisiert.
Hat die Uni die Hotelkosten übernommen? Joppig weicht aus: „Master-Studierende, die Unterkunft und Verpflegung mitgebucht haben, zahlen hierfür zusätzlich zu den Studiengebühren eine Pauschale von 6000 Euro für ein akademisches Jahr. Dies gilt unabhängig davon, ob wir sie auf dem Campus oder auswärtig unterbringen.“