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Rettungshundestaffel Lemwerder Über Trümmer zu Verschütteten

Trümmer wild durcheinander. Bahnschwellen, Fässer, Betonschächte. Was einem Erdbebenszenario gleicht, haben Lemwerderaner bewusst zu Übungszwecken angelegt.
14.11.2017, 19:00 Uhr
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Über Trümmer zu Verschütteten
Von Barbara Wenke

Lemwerder. Das Areal sieht aus wie ein Schlachtfeld. Bahnschwellen, Fässer, Betonschächte und Leitern. Alles liegt wild durcheinander. Obenauf thront ein kaputtes Auto. Man könnte meinen, auf dem Gelände an der alten B 212 habe sich ein Erdbeben ereignet. Doch das wilde Durcheinander ist nicht zufällig entstanden. Es ist gewollt. Und es ist auch nicht so wild, wie es auf den ersten Blick wirkt. Vielmehr ist es wohldurchdacht angelegt. Schließlich dient es der Rettungshundestaffel der Feuerwehr Lemwerder als Übungsgelände.

Auf dem circa 5000 Quadratmeter großen Areal zwischen Bookholzberg und Krögerdorf haben die Rettungshundeführer in den vergangenen Monaten auf dem Dach eines alten Bunkers ein Trümmerübungsfeld für ihre Hunde angelegt. „Wir haben sechs Jahre lang auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne in Wildeshausen trainieren dürfen“, erzählt Ortsbrandmeister Lars Prößler, der mit seinen Hunden Pollux und Hans auch der Rettungshundestaffel angehört. „Die Verantwortlichen haben sich dort glücklicherweise viel Zeit gelassen, die Gebäude abzureißen und uns so lange üben lassen“, sagt der Ausbilder.

Nun haben die Akteure aus Lemwerder ihr eigenes Übungsgelände entworfen. Entworfen im wahrsten Sinn, denn die Trümmerteile wurden nicht einfach auf einen Haufen gekippt, sondern angeordnet. „Es ist ein geordneter Trümmerhaufen“, betont Lars Prößler, „schließlich müssen wir auf die Sicherheit unserer Mitglieder und Hunde achten.“ Eine Bahnschwelle wiege rund 300 Kilogramm. Wenn die ins Rutschen komme, könne es für die Übenden gefährlich werden. Auf dem gepachteten Gelände werden Szenarien geschaffen, die sie anderswo nicht vorfinden. „Hier können wir zum Beispiel Verstecke anlegen, an die der Hund nicht ran kommt“, erzählt Hundeführerin Bettina Dogs-Prößler, die sich bei der Rettungshundestaffel um die Pressearbeit kümmert. „Und wir haben Verstecke, die tiefer liegen. Hier können wir fokussiert arbeiten.“

Hundeführerkollege und Ehemann Lars Prößler, der mit seinem belgischen Schäferhund Pollux Ende April 2015 nach einem schweren Erdbeben in Nepal im Auslandseinsatz war, betont: „In einem Realtrümmereinsatz liegen durchaus ein paar Meter Schutt und Trümmer zwischen den Suchtrupps und den Verschütteten.“ Es sei notwendig, dass die Hunde auch derartige Schadenslagen trainieren. Auf dem selbst erstellten Trümmerfeld müssten die Hunde versteckte Personen durch drei Meter dicke Trümmer hindurch suchen und anzeigen.

Die Mitglieder der Lemwerderaner Rettungshundestaffel legen „extrem viel Wert auf die Ausbildung unserer Hunde in der Fläche und zwischen den Trümmern“, betont Bettina Dogs-Prößler. „Um dieser anspruchsvollen Arbeit gerecht zu werden, nutzen wir bundes- und europaweit Trümmerübungsgelände und führen jährlich unser Search Camp durch.“

Jedes Jahr stellen sich mehrere Hundeführer aus Lemwerder mit ihren Vierbeinern der höchstmöglichen Prüfung für Hundeführer der deutschen Feuerwehr: der RH3. Anders als die normale Einsatzprüfung RH2 stelle die RH3 Großschadenslagen wie nach Zugunglücken dar. Eine derartige Prüfung gebe es in Deutschland bei keiner anderen Rettungshundestaffel, so Dogs-Prößler.

Seit sieben Jahren gehören die Hundeführer als Abteilung zur Ortsfeuerwehr Lemwerder. Mittlerweile sind sie 19 Personen mit 23 Hunden. Bewiesen haben die Trümmerhunde aus der südlichen Wesermarsch ihr Können auch schon. Beispielsweise im Dezember 2015 bei einer Suche auf einem eingestürzten Baugerüst in Delmenhorst. „Weil keiner unserer Hunde dort angezeigt hat, konnte zügig mit den Aufräumarbeiten begonnen werden“, betont die Bettina Dogs-Prößler. Seit zwei Jahren bauen die Lemwerderaner Hundeführer auf dem gepachteten Gelände an der B 212 an ihrem Trümmerfeld. Von der Firma Troschke bekämen sie immer wieder Material, das sich gut verbauen lasse, sagt Ortsbrandmeister Lars Prößler dankbar. „Bei Abbruchschuppen, in denen wir auch oft üben, müssen wir immer nehmen, was wir kriegen können.“

Die Hunde müssen lernen, sich auf dem Haufen aus Bahnschwellen, Rohren und Betonteilen sicher und souverän zu bewegen, müssen auf dem unebenen, schiefen und manchmal wackeligen Untergrund immer wieder ihre Trittsicherheit beweisen. Um die Tiere an diese Szenarien zu gewöhnen, haben die Hundeführer Übungsgeräte wie Wippen, Leitern und Tunnel auf der nebenliegenden Grünfläche aufgebaut.

„Auf der Wippe schulen die Hunde ihr Gleichgewicht und die Koordination“, erläutert Bettina Dogs, „da müssen sie den Kipppunkt ausbalancieren.“ Auf einem realen Trümmerfeld sei auch nicht alles stabil. Da könne es vorkommen, dass Steine wackeln. Bei der waagerecht angebrachten Leiter gilt es für den Vierbeiner, einen festen Stand zu finden. Zudem müssten sich die Hunde trauen, über Abgründe wie Höhlen zu laufen. Der Tunnel simuliert dunkle und schmale Gänge.

Der Bau des Trümmerfeldes in Lemwerder ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Noch könne man oberhalb des alten Bunkers Wege entlang laufen, ohne über Trümmer zu steigen, stellt Lars Prößler fest. In absehbarer Zukunft solle ein Übungsteil entstehen, bei dem die Hunde klettern müssen. „Wir wissen im Moment allerdings noch nicht genau, wie wir das machen wollen“, räumt der erfahrene Hundeführer und Ausbilder ein.

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