Auch in Bremen treten Katholiken aus der Kirche aus. Auch in Bremen müssen die Gemeinden um Gottesdienstbesucher werben. Auch in Bremen stehen Frauen in den Pfarreien mutig auf und fordern mehr Rechte. Auch in Bremen muss die Kirche genau überlegen, für welche Aufgaben sie noch Geld ausgeben kann. Bundesweite Trends. „Die Gesellschaft verändert sich“, sagt Propst Bernhard Stecker, „Kirche ist Teil der Gesellschaft, und deshalb sind die Prozesse auch für uns spürbar.“
Wie sieht unter diesen Bedingungen die Zukunft der katholischen Kirche in Bremen aus? Diese Frage hat sich der Katholische Gemeindeverband mit seinen fünf Pfarreien in Bremen gestellt und im Januar und Februar eine Online-Befragung durchgeführt. Die Antworten von 856 Teilnehmern sind jetzt ausgewertet und auf dem jüngsten Stadtpastoraltag mit 100 haupt- und ehrenamtlichen Kirchenmitarbeitern sowie Interessierten vorgestellt und diskutiert worden.

Interview mit Propst Dr. Bernhard Stecker
„Wir haben da mal eine Frage!“ So lautete der Titel der Erhebung, die nicht repräsentativ ist, aber ein „gutes Stimmungsbild“ liefere, wie Christoph Lubberich sagt. Der Dekanatsreferent hatte die Umfrage vorbereitet. Die Teilnehmer waren zu 75 Prozent katholisch und zu 15 Prozent evangelisch, zwischen zwölf und 94 Jahre alt und zu 57 Prozent Frauen. Die Resonanz bezeichnet Lubberich als „sehr gut und erfreulich“.
Ein paar Ergebnisse: Vier von zehn Befragten sind mit ihrer Kirche vor Ort zufrieden. Acht von zehn Teilnehmern finden es sinnvoll, dass sich Kirche gesellschaftspolitisch engagiert. Jeder Zweite hat Interesse, sich in Initiativen und Projekten der katholischen Kirche zu engagieren. Nur 15 Prozent erleben die katholische Kirche in Bremen als bevormundend. Jeder Zweite hat das Gefühl, in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen in seinem persönlichen Glauben unterstützt zu werden.

Dekanatsreferent Christoph Lubberich
„Wir wollten nicht vermuten, was die Menschen wohl wollen, sondern wir wollten direkt von ihnen wissen: Was bewegt euch?“, sagt Stecker. Tatsächlich erlebt die katholische Kirche bewegte Zeiten und wegweisende Tage. Die Bischofskonferenz ist gerade zu Ende gegangen. Kommende Woche trifft sich die zweite Vollversammlung zum Synodalen Weg, dem 2019 gegründeten Gesprächsformat mit rund 230 Mitgliedern, darunter Bischöfe und Laien, Haupt- und Ehrenamtliche. Die Basis der Kirche setzt große Hoffnungen auf den Austausch mit der Führung.
Die 2019 veröffentlichte „Freiburger Studie“ sagt voraus, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland bis 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren werden. Immer mehr von denen, die noch da sind, fordern Mitsprache, Transparenz und Geschlechtergerechtigkeit. Initiativen wie „Maria 2.0“ kritisieren den Umgang der Bischöfe mit dem Missbrauchsskandal und verlangen Zugang zu Kirchenämtern wie Diakon, Priester und Bischof auch für Frauen.
Obwohl bei „Wir haben da mal eine Frage!“ nicht nach überregionalen kirchenpolitischen Themen gefragt worden war, äußerten sich viele Teilnehmer unzufrieden mit der Weltkirche, etwa mit der Aufarbeitung der Skandale des sexuellen Missbrauchs, mit der Rolle der Frau und dem Zölibat.
563 der befragten Personen äußerten teils sehr ausführlich Erwartungen. Zentral dabei der Wunsch nach mehr Offenheit, Transparenz und Reformen, alles Themen des Synodalen Weges. „Dieses Votum müssen wir sehr ernst nehmen“, sagt Stecker, „wir wollen diese gesamtkirchlichen Themen so aufgreifen, dass sie im Spielraum Bremen Widerhall finden.“
Beispiele dafür gibt es schon jetzt. Im Rahmen von Aktionswochen haben im vergangenen Jahr und in diesem September auch in Bremen Frauen gepredigt. Teilhabe ermöglicht der Gemeindeverband auch, wenn es um die Frage geht: Wofür gibt die Kirche ihr Geld aus? Der Gemeindeverbund finanziert viele Aufgaben, er betreibt elf Kitas, hält Beratungsangebote vor, macht Jugend- und Kulturarbeit. An Beratungen über den Haushalt nehmen die Pfarreien teil.
„Ich glaube, dass wir an manchen Stellen schon sehr weit sind“, sagt Stecker, „aber es ist immer noch Luft nach oben.“ An sieben Themenbereichen wie Präsenz, Transparenz oder mehr Offenheit, will man nun weiterarbeiten. Eine von mehreren Anregungen vom jüngsten Stadtpastoraltag, die bei Stecker nachklingt: Die Kirche, so der Impuls, solle Ausschau halten nach Kooperationspartnern. Die evangelische Kirche, aber auch Theatermacher, Kulturschaffende, Quartiersmanager oder Sozialarbeiter könnten solche Partner sein. Das traditionelle Pfarrfest, so eine Idee, könne doch zum Fest für den gesamten Stadtteil werden. Die Kirche mittendrin in der Welt sozusagen.