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Flugzeugabsturz in Bremen Ursache bleibt rätselhaft

Jens Eisenreich ist ein vorsichtiger Mann. Mehr als ein Jahr nach dem Absturz der Saab 91B Safir in der Neustadt, ist er dabei, den Abschlussbericht zu schreiben - allerdings ohne eindeutiges Ergebnis.
09.10.2015, 00:00 Uhr
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Ursache bleibt rätselhaft
Von Christian Weth

Jens Eisenreich ist ein vorsichtiger Mann. Mehr als ein Jahr nach dem Absturz der Saab 91B Safir in der Neustadt, ist er dabei, den Abschlussbericht zu schreiben - allerdings ohne eindeutiges Ergebnis.

Eisenreich bleibt selbst dann vage, wenn er alle Fakten ausgewertet hat: jedes Wort, das der Lotse mit dem Piloten gewechselt hatte. Jedes der mehr als hundert Fotos von den verstreuten Trümmern. Jede Einstellung im Motor, der akribisch auseinander genommen worden ist. Mehr als ein Jahr nach dem Absturz der Saab 91B Safir auf ein Autohaus in der Neustadt, ist Eisenreich dabei, den Abschlussbericht zu schreiben. Und sagt, dass die Ursache für den Absturz, bei dem Pilot und Passagier starben, wahrscheinlich ungeklärt bleiben wird.

Eisenreich, Spezialist der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, bleibt so unbestimmt, weil er nicht spekulieren und keine Spekulationen entfachen will. Weil seinen Abschlussbericht, der voraussichtlich Anfang des nächsten Jahres vorliegt, erst noch andere zu lesen bekommen, ehe er frei gegeben wird: die Lufthansa-Tochter Pro Flight, der das Kleinflugzeug gehörte, die Flugsicherung, die Staatsanwaltschaft. Und weil Eisenreich letzten Endes eben nicht hundertprozentig sagen kann, warum die einmotorige Maschine abgestürzt war. Ob es an einem technischen Defekt oder am Verhalten des Piloten gelegen hatte. Oder an beidem.

Dass er sich nicht sicher sein kann, führt Eisenreich nicht zuletzt darauf zurück, dass eine Maschine von der Größe der Saab 91B Safir keine Blackbox hat. Aber vor allem auf den Grad der Zerstörung. Selbst vom Motor, sagt der Spezialist, war nach dem Absturz nicht mehr alles übrig geblieben. Darum lässt sich auch nicht mit letzter Gewissheit rekonstruieren, warum der Deckel eines Ölstutzens offen war. Die Braunschweiger Flugunfallforscher fanden ihn eingeklemmt zwischen zwei Zylindern. Eisenreich: „Das ist aber kein Beleg dafür, dass die Maschine wegen Ölmangels abgestürzt ist.“ Das wäre reine Mutmaßung. Und für die, sagt er, ist in einem Abschlussbericht über den Absturz eines Flugzeugs kein Platz.

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Monatelang haben Eisenreich und sein Team in ungezählte Richtungen geforscht. Sie haben die Lage der Wrackteile vermessen, die Stellung der Schalter im Cockpit dokumentiert, Augenzeugen befragt und Daten des Towers gesichtet. Viele waren es nicht, die der Airport liefern konnte. Der Flug der Saab 91B Safir dauerte nur kurz – weniger als eine Minute. Das geht aus Aufzeichnungen der Deutschen Flugsicherung in Langen hervor. Das Wetter war nach deren Angaben gut und die Sicht klar, als der Pilot, der als erfahren galt, und sein einziger Passagier, ein Fotograf, mit dem Kleinflugzeug von der Startbahn abhoben – und Sekunden später der Pilot meldete, sofort umkehren zu müssen.

Der Lotse soll noch alles versucht haben, um dem Piloten zu helfen. Alle anderen Flugzeuge über Bremen waren nach Darstellung der Flugsicherung binnen weniger Sekunden in eine Warteposition gebracht worden. Gleich nachdem die Saab 91B Safir vom Radarschirm verschwunden war, alarmierte der diensthabende Mann im Tower die Rettungskräfte: Feuerwehr, Polizei, Sanitäter. Zugleich wurde die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung verständigt, die zunächst ein Zwei-Mann-Team zur Absturzstelle in die Neustadt schickte, um im Chaos des Trümmerfeldes nach ersten Hinweisen auf die mögliche Unglücksursache zu suchen.

Dass es länger als ein Jahr dauern kann, bis die Bundesstelle einen Abschlussbericht vorlegt, begründet Eisenreich damit, dass die Spezialisten immer wieder zu neuen Absturzstellen ausrücken müssen. Sie werden eingeschaltet, wenn ein deutsches Flugzeug im Ausland oder ein Flugzeug, egal welcher Nationalität, im deutschen Luftraum verunglückt. Deshalb, sagt Eisenreich, haben die sogenannten Untersuchungsführer selten nur einen einzigen, sondern meistens mehrere Unglücke parallel zu bearbeiten. Eisenreich gehörte beispielsweise auch zum Team, das den Absturz des Airbus A320 von Germanwings im März über dem französischen Bergmassiv Les Trois Evêchés untersuchte, bei dem 150 Menschen starben. „Dann muss die Arbeit an einem Abschlussbericht schon mal warten.“

Eine endgültige Expertise, sagt er, schreibt sich auch anders als etwa ein Zwischenbericht, den Eisenreich über die Saab 91B Safir bereits im November vorgelegt hat – vor allem nicht so schnell. „Weil es auf jedes noch so kleine Detail ankommt, kann es schon mal vorkommen, dass man einen Vormittag lang an zwei Sätzen feilt.“ Eisenreich geht davon aus, dass er den Abschlussbericht im Dezember fertig haben wird, um ihn dann der Fluggesellschaft, der Flugsicherung und der Staatsanwaltschaft vorlegen zu können.

Nach dem Gesetz haben Betreiber und Behörden dann sechs Wochen Zeit, das Papier zu kommentieren. Gegebenenfalls fließen die Stellungnahmen in den Bericht ein, immer vorausgesetzt, sagt Eisenreich, sie sind wesentlich. Grundlegend verändert kann der Abschlussbericht allerdings nicht mehr werden. „Das Resultat, zu dem wir gekommen sind, bleibt.“ Im Fall der Saab 91B Safir wäre das Ergebnis, dass die Unfallursache nicht eindeutig geklärt werden kann – und der Absturz in der Neustadt für die Bundesstelle damit eine Ausnahme.

Meistens, sagt Eisenreich, schaffen es die Spezialisten nämlich, die Ursache für einen Flugunfall zu finden. In wie vielen Fällen genau, kann er auf Anhieb nicht sagen. Die Braunschweiger Behörde untersucht im Jahr rund 200 Abstürze weltweit, bei 50 Einsätzen sind die Experten direkt vor Ort.

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