Beckedorf. Das „Patente de Serrurier“ wiegt schwer in der Hand. Auf einem Blatt Papier hinter Glas im gusseisernen Rahmen wird dem Schlosser Jacob Wildhack aus Stuttgart am 10. Juni 1812 die Lizenz zur Ausübung seines Gewerkes in Beckedorf erteilt, das damals unter französicher Herrschaft stand. Der schlichte Verwaltungsakt markiert die Geburtsstunde des Schmiedebetriebs in Beckedorf. Die Waldschmiede von Jacob Wildhack steht noch heute im Ort an der Straße, die nach ihr benannt ist. Seit 1996 betreibt ein Förderverein die alte Werkstatt als Museum. Alljährlich wird hier am 1. Mai ein Schmiedefest zu Ehren des Schmiedegründers gefeiert.
Dass der gar kein gelernter Schmied, sondern Schlosser war, hat Gerhard Schwarz jetzt entdeckt. Der Beckedorfer hob den Förderverein einst mit aus der Taufe und arbeitet seither ehrenamtlich im kleinen Museum. Zur Eröffnung vor 21 Jahren erstellte er eine Ausstellung über die Geschichte der Waldschmiede und ihren Gründer. Viele Jahre war sie im Museum zu sehen. Zum 200. Gründungsjubiläum der Schmiede im Jahre 2012 rückte eine Sonderschau über die Rolle der Schmieden in Bremen-Nord für Schiffbau und Walfang im 19. Jahrhundert an ihre Stelle. Gerhard Schwarz machte sich derweil ans Werk, die alte Dauerausstellung zu überarbeiten.
Bei seinen Recherchen auf den Spuren von Jacob Wildhack hat der 82-Jährige neue Erkenntnisse zutage gefördert. „Wir nahmen immer an, dass Wildhack gelernter Hufschmied war. Tatsächlich aber war er Schlosser.“ Der sich allerdings bei seinem Gewerk auch auf das Schmieden verstand. Nicht nur im „Patente de Serrurier“ wird Wildhack, der von 1778 bis 1854 lebte, als Schlosser geführt. Schwarz ist bei seiner Spurensuche auch auf eine „Ehrbarkeitserklärung“ für Jacob Wildhack aus dem Jahre 1800 gestoßen. „Da wird er schon als Schlosser benannt.“
Wo der spätere Beckedorfer Schmiedegründer seinem Beruf einst erlernte, lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Eine Nachfrage bei der Schlosser-Innung in Stuttgart brachte keinen Erfolg. „Unterlagen aus der Zeit, die Aufschluss hätten geben können, sind Ende des Zweiten Weltkriegs verbrannt“, so Schwarz. Seine Vermutung: Jacob Wildhack könnte sein Handwerk am Hof in Stuttgart gelernt haben. „Sein Vater Johann Andreas Wildhack war Kammerdiener bei Herzog Carl Eugen“, hat er herausgefunden.
Schmied auf Wanderschaft
Die neue Ausstellung, die noch in Arbeit ist, wird auch die Wanderjahre des Stuttgarters nachzeichnen. „Ab 1802 war er auf der Walz“, erzählt Schwarz. Von seiner Heimatstadt zog Wildhack zunächst nach Frankfurt am Main. Über Cremlingen bei Braunschweig ging es nach Weilburg in Hessen-Nassau. Von dort sei er in relativ kurzer Zeit nach Bremen gelangt. 1905 wohnte Wildhack in Beckedorf im Haus einer Seemanns-Witwe, deren Tochter er im Februar 1906 heiratete. Eine Frage, die Schwarz bei seinen Recherchen beschäftigte: Wie kam Wildhack so schnell in die Hansestadt? Zu Fuß hätte er das nie geschafft, ist der Beckedorfer überzeugt. „Sehr wahrscheinlich“ habe der Wandergeselle damals bei Flößern angeheuert, die Mitfahrgelegenheiten gegen Arbeit boten, mutmaßt er. Die Gegend um Hannoversch-Münden sei damals eine Hochburg der Flößerei gewesen.
Zunächst arbeitete Wildhack in Vegesack auf der Lange-Werft, bevor er sich mit der Schmiede in Beckedorf selbstständig machte. An Aufträgen mangelte es nicht. „Ein Großauftrag waren Schlosserarbeiten an der Bahnstation in Burg für die neue Eisenbahnstrecke von Bremen nach Geestemünde“, erzählt Schwarz. Für den Blumenthaler Sommersitz der Bremer Reederfamilie Wätjen sei Wildhack der Haus- und Hofschlosser gewesen, für Thyens Schloss am Burgwall habe er viel gearbeitet. „Von Türschlössern bis zum Bau von Pavillons und Aufzügen führte er alle möglichen Schlosserarbeiten aus. Auch die großen Türbeschläge an der reformierten Kirche in Blumenthal sind sein Werk.“ In der künftigen Ausstellung werden typische Arbeiten aus der Wildhackschen Schmiede wie Schlösser und Schlüssel gezeigt. Dazu Versatzstücke, die sich Wildhack aus einer Gießerei in Berlin schicken ließ. „Das waren gusseiserne Verzierungen wie Rosetten, die in Geländer eingearbeitet wurden. Einige sind heute noch an Wätjens Schloss zu sehen.“ Ein interessantes Detail am Rande kann Schwarz noch erzählen: Die Firma, die Wildhack einst belieferte, gibt es heute noch. Sie hat ihren Sitz inzwischen in Stuttgart, der Geburtsstadt des Beckedorfer Schmiedegründers.
Wann die neue Ausstellung in die alte Werkstatt einziehen wird, steht laut Schwarz noch nicht fest. Der Förderverein hat wie berichtet noch ein anderes großes Projekt in Arbeit. Er will in der Schmiede einen alten Lufthammer aufstellen und betreiben, dafür muss die Werkstatt erweitert werden. „Das geht vor“, sagt Schwarz.
Am Montag, 1. Mai, feiert der Verein erst einmal sein Schmiedefest. Von 11 bis 17 Uhr gibt es Schmiedevorführungen in der Werkstatt, die Sonderausstellung „Schmiede – Schiffbau – Walfang“ ist zu besichtigen, die Gesellenkammer ist geöffnet. In der Gaststätte „Zur Waldschmiede“ gibt der heimatkundliche Arbeitskreis der Dorfgemeinschaft Beckedorf Einblick in seine Archivarbeit. Ein kleiner Flohmarkt lädt zum Bummeln ein. Ein Drechsler, ein Seiler, ein Takler und die Spinngruppe vom Heimatverein Schwanewede führen ihr Handwerk vor. Kinder können an der Feldesse schmieden, außerdem gibt es Bastelaktionen. Bereits am Sonntag, 30. April, um 18 Uhr wird auf dem Parkplatz vor dem Schmiedemuseum der Maibaum gesetzt.