Vegesack. Wie sehen die Niederländer die Deutschen? Eine Ausstellung mit Karikaturen aus dem Pressemuseum Amsterdam lässt keinen Zweifel: Die beiden Völker sind zwar Nachbarn, unterscheiden sich aber erheblich.
"Da sind sie wieder." Ein Holländer flüchtet vor Heerscharen deutscher Touristen, die mit Sonderbussen in sein Land einfallen. "Sieh mal Rosa, hier habe ich gekämpft", hat der Zeichner einem der Fahrgäste in den Mund gelegt. Wie ein Kanonenrohr ragt ein Gepäckstück auf dem Busdach hervor. "Mai-Invasion 1952" hat der Karikaturist vom "De Groene Amsterdammer" seine Darstellung betitelt.
"Karikaturen bieten die Chance, sich selbst durch die Augen der anderen zu sehen", sagt Marnix Krop. Der Botschafter des Königreichs der Niederlande eröffnete am Donnerstag im KITO mit dem holländischen Konsul Hylke Boerstra eine Ausstellung mit politischen Karikaturen aus der Sammlung des Pressemuseums Amsterdam. Wie die Niederländer die Deutschen im Laufe von rund 140 Jahren sahen und sehen, das macht die Schau "Ständig auf der Lauer" anschaulich. Zu sehen sind Originale von 1871 bis 2010 aus holländischen Zeitungen und Zeitschriften.
Mit der Feder auf der Lauer
Der Botschafter stellte bei seiner Begrüßung in Deutsch und Holländisch fest, dass etliche Besucher seine Muttersprache verstanden. Den Repräsentanten des Königsreichs verwunderte das nicht. "Im Norden Deutschlands leben viele Menschen, die der niederländischen Sprache mächtig sind." So gebe es einen Lehrstuhl für niederländische Philologie an der Universität Bremen. "Und an der Volkshochschule in Vegesack wird Niederländisch für die Reise angeboten." Ein Schelm, wer einen feinen Unterton heraushörte.
"Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden deutlich, wenn man sich intensiver mit der Kultur eines Landes beschäftigt", meinte der Botschafter. Die Karikaturen im KITO spitzen mit der Feder vor allem politische Ereignisse zu. "Karikaturisten liegen immer auf der Lauer", griff Krop das Ausstellungsmotto auf. Manche waren ihrer Zeit sogar voraus. So hätten niederländische Karikaturisten des linken Spektrums schon in den ersten Jahren des Nazi-Regimes vor Hitler gewarnt.
Der Besucher der Ausstellung kann sich davon überzeugen. Eine Karikatur vom 3. März 1934, ein Jahr nach der Machtübernahme, zeigt den teuflischen Diktator und Konsorten, wie sie in der Hölle die Bierkrüge schwingen und feiern. "De hel viert feest." Ein Holzschnitt vom 22. Dezember 1934 greift die Judenverfolgung mit einem biblischen Motiv auf: Die Heilige Familie auf der Flucht aus Nazi-Land. "Die Angst vor Deutschland zieht sich als roter Faden durch viele historische Karikaturen", sagt Niels Beugeling vom Pressemuseum Amsterdam. Er hat die Ausstellung kuratiert.
Augenfällig wird das in Karikaturen aus der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Am 28. Juni 1919, als die deutschen Verlierer in Versailles den Friedensvertrag unterzeichnen, erscheint in "De Nieuwe Amsterdammer" eine Karikatur. Sie zeigt den französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau, der dem deutschen Adler die Federn rupft. Offenbar traut der Karikaturist dem Frieden aber nicht so recht. Der Vertrag liegt am Boden. Der als Zwerg dargestellte Clemenceau hat Mühe, den Riesenvogel trotz Fesseln zu bändigen.
Die Karikaturen bespiegeln das deutsch-niederländische Verhältnis nicht nur an politischen Ereignissen. Das Liebeswerben von Prinz Claus um Beatrix wird ins Bild gesetzt. Auf das Reizthema Fußball spielt eine andere Karikatur an. Sie zeigt den niederländischen Ministerpräsidenten Ruud Lubbers als Fußballfan. EU-Kommissionspräsident will er werden. Doch der große schwarze Mann, der auf ihn herab blickt, sagt Nein. Es ist Kanzler Helmut Kohl.