Beim Blick auf die Burger Eisenbahnbrücken machen sich Anwohner zunehmend Sorgen. Bei Niedrigwasser erkennt man zwei Dinge deutlich: Am Fundament des Brückenpfeilers in der Mitte der Lesum nagt das Wasser. Auf Nachfrage beruhigen das Wasser- und Schifffahrtsamt und die Deutsche Bahn damit, dass die Brücke regelmäßig auf ihre Standfestigkeit untersucht wird. Die Experten beteuern: Die Brücke sei sicher.
Für 8.30 Uhr ist an diesem Tag Niedrigwasser angesagt. Normalerweise müsste das Wasser jetzt stehen. Tatsächlich umströmt aber die Lesum das Fundament und Steinschüttung der Eisenbahnbrücke an der Kopfseite mit Macht. „Aus der Hamme und der Wümme will viel Wasser durch. Und das hier ist die Engstelle. Deshalb haben wir sogar jetzt so viel Strömung“, erläutert Georg Rutenberg, der von seinem Haus am Deich aus einen direkten Blick auf das Bauwerk hat.
Ende November hat Rutenberg beim Lichtbildervortrag des Heimatvereins mit einem alten Bekannten aus Schulzeiten Fotos der Burger Brücken studiert. Die Aufnahmen reichten von 1976 bis 2015. Georg Rutenberg und Georg Finken wunderten sich gemeinsam, dass die Autobrücke für marode erklärt worden ist, die Eisenbahnbrücke offenbar aber noch hält. Finken: „Die sind ja beide zur gleichen Zeit gebaut worden. Und die Eisenbahnbrücke war unserem Wissen nach anfangs für fünfzig Züge am Tag ausgelegt. So viele fahren hier jetzt pro Stunde.“
Finken verweist auch auf die Bauverzögerungen bei der neuen Brücke, weil das Beton-Fundament angesichts schwieriger Verhältnisse im Untergrund noch viel tiefer gegründet werden musste: „Da fragt man sich ja schon, wie es um die Standfestigkeit der Eisenbahnbrücke bestellt ist, wenn sich auch der Flussgrund offenbar verändert hat.“
Enorme Strömungen
Georg Rutenberg ist über die Jahrzehnte Augenzeuge der Entwicklung gewesen, wie die Lesum ihr Bild verändert hat. Er hat mit ansehen müssen, wie sich die Lesum hinter dem Deich immer tiefer in ihr eigenes Flussbett gegraben hat: „Als Kinder konnten wir hier vom Haus aus noch bei Niedrigwasser bis zur Mitte der Lesum hineingehen. Und nun schauen sie sich mal heute an, wie sehr das Ufer mit den Steinschüttungen abgesackt ist.“ Rutenberg zeigt vom Deich in die heutige Flussschlucht und dann weiter zum besagten Mittelpfeiler: „Der sieht doch wirklich nicht mehr gesund aus.“ Tatsächlich scheinen Gründungssteine ganz unten schon leicht ausgewaschen zu sein. Die Steinschüttung als Stütze des Pfeilerfundaments könnte nicht mehr vollständig sein, so eine weitere Vermutung.
Rutenberg ist Deichamtsvertreter für Burglesum und das Werderland und weiß, wie Wasser Bauwerke unterspülen kann. Heute hat die Lesum an der Brücke seiner Schätzung nach einen Tidenhub von 3,5 bis vier Metern – so hoch sinkt und steigt das Wasser von Ebbe zu Flut. Das sorgt für enorme Strömungen und enorme Kräfte, die eben auch auf Brücken einwirken. Rutenberg: „Und konkret hier ist das ablaufende Wasser das Problem.“ Es seien ja auch schon Steine zur Brückensicherung an den Pfeiler gekippt worden, heißt es.
Beim Wasser- und Schifffahrtsamt ist Sven Wennekamp als Leiter des Außenbezirks Farge seit fünf Jahren auch für den Lesumabschnitt mit den genannten Brücken zuständig. Er betont, dass seine Behörde keine Stützmaßnahmen an der Brücke durchgeführt hat – sprich keine Steine zur Sicherung des Pfeilers in den Fluss gekippt hat.
Die Brücke sei allerdings Eigentum der Deutschen Bahn und müsse dem entsprechend auch von der Bahn gewartet werden. Wennekamp: „Dort, wo wir zuständig sind, kontrollieren wir Brücken dreimal im Jahr. Wir prüfen mit dem Peilschiff bei Niedrigwasser, ob es irgendwo Unterspülungen gibt. Dann sieht man oft erst die Sohle der Brücken.“ Brückeneigentümer wie die Bahn müssten dem Wasser- und Schifffahrtsamt gegenüber außerdem alle drei bis sechs Jahre Statikgutachten zur Sicherheit vorlegen.
Die Deutsche Bahn reklamiert für sich ein ähnliches Überwachungssystem wie das WSA für ihre Brücken. Aus der Hamburger Pressestelle heißt es auf Anfrage schriftlich: „Die von ihnen beschriebenen Schäden haben keine Auswirkungen auf die Standfestigkeit des Bauwerks. Gleichwohl sind diese bei Niedrigwasser als optischer Mangel vom gegenüberliegenden Ufer aus gut zu erkennen.“
Es werde weiter regelmäßig inspiziert und bei Bedarf würden Gutachten von Baufachleuten eingeholt. Sven Wennekamp vom Wasser- und Schifffahrtsamt glaubt auch nicht, dass die Brücke bei der Bahn vielleicht aus Versehen übersehen worden ist: „Das ist garantiert nicht passiert. Solche Fehler kann sich eine Deutsche Bahn gar nicht leisten. Und ich weiß aus Erfahrung, dass die Kollegen dort auch wirklich aufpassen.“