Mütter mit Neugeborenen werden heute meist nach wenigen Tagen aus der Klinik entlassen. Und trotz aller Freude über den Nachwuchs beginnt zu Hause der ganz normale Wahnsinn einer Wochenbett-Familie: Das Baby schreit, der Vater muss arbeiten, der Kühlschrank ist leer und das Geschwisterkind womöglich eifersüchtig. Um junge Familien zu entlasten, gibt es im Bereich der Frühen Hilfen weiterhin Familienpatenschaften. Alle Familien, die im ersten Lebensjahr ihres Kindes bei der Betreuung auf die Unterstützung wie sonst durch Familie, Freunde oder Nachbarn zurückgreifen können, finden für fast alle Stadtteile Bremens Hilfe durch „Wellcome“.
Hinter diesem Namen steckt ein Non-Profit-Sozialunternehmen aus Hamburg. Es setzt seine Idee einer modernen Nachbarschaftshilfe in Bremen in Zusammenarbeit mit dem SOS-Kinderdorf, dem DRK-Kreisverband Bremen und der evangelischen Kirchengemeinde St. Martini Lesum um. Dabei geht es aber nicht um die Übernahme von Haushaltsarbeiten wie putzen, kochen oder bügeln, sondern dieses Hilfsangebot gestaltet sich nach Auskunft von Renate Hoffmann, „Wellcome“-Teamkoordinatorin Mitte, so: Bis zu drei Monate lang nehmen ehrenamtliche Patinnen ein- bis dreimal pro Woche den jungen Eltern Aufgaben im Alltag ab. Beispielsweise wachen sie über den Schlaf des Babys, kümmern sich um Geschwister oder hören einfach nur zu.
In dieser Zeit der Pandemie sieht Renate Hoffmann die zeitliche Befristung allerdings „eher großzügig“. Das könnten die Beteiligten unter sich ausmachen, sagt die Koordinatorin, die seit zehn Jahren dabei ist, „wenn die Warteliste nicht drückt.“ Denn das gibt es auch, dass auf einmal viele Familien bei ihr anfragen. „Einige finden uns übers Internet“, sagt sie. Doch den größten Zulauf erfährt „Wellcome“ nach ihren Worten, „weil wir sehr gut mit Hebammen, Kinderärzten und Kliniken zusammenarbeiten.“
Die Koordination verschafft sich im Erstgespräch einen Eindruck von der Familie, um eine passende Patin zu suchen. „Dafür nehmen wir eine einmalige Vermittlungsgebühr von zehn Euro und danach deutschlandweit pro Betreuungsstunde fünf Euro“, sagt sie. Ob es bei dem Satz bleibt, macht Renate Hoffmann von der jeweiligen Lebenssituation der Familie abhängig. „Es soll nie am Geld scheitern“, betont sie. „Wir wollen die Familien ja unterstützen.“
Der „Wellcome“-Pool von freiwilligen Frauen sei „ein starkes Team in Bremen“, erklärt die Projektkoordinatorin für Mitte, die beim DRK angedockt ist. Für dessen „wohlgesonnene“ Unterstützung ist Renate Hoffmann dankbar, insbesondere im Bereich der Fortbildung. „So sind unsere Ehrenamtlichen gut informiert“, stellt sie heraus. Drei Viertel der Frauen nehmen die Angebote auch wahr. Allen „Wellcome“-Familienbetreuerinnen attestiert Renate Hoffmann zudem die Grundeinstellung, „dass Mutter und Kind im Vordergrund stehen, nicht die aufgeräumte Wohnung.“
Die Altersspanne der freiwilligen Patinnen reicht von 25 bis 71 Jahre. Manche sind laut Hoffman durch ihren Beruf für diese Aufgabe qualifiert, andere sehr empathisch. Beides bringt Renate Meyer mit. Und große Lust. „Ich kann das richtig genießen“, sagt sie über ihre Freiwilligeneinsätze im Bremer Süden, die übers SOS-Kinderdorfzentrum koordiniert werden. Als Rentnerin habe sie die Muße, sich entspannt dem „Patenkind“ zu widmen und sei glücklich darüber, die Entwicklungsfortschritte miterleben zu dürfen.
Seit 2018 schenkt sie ein paar Stunden ihrer freien Zeit Familien mit Babys. Nach dem Tod ihres Mannes und dem Eintritt in den Ruhestand wollte die Erzieherin sich weiter für Kinder und Familien engagieren, allerdings ohne zu feste Termine, eher flexibel. So kam für den „Zeitengel“, wie ihre Freundin sie nun nennt, der Einstieg des SOS-Kinderdorfzentrums ins „Wellcome“-Trägernetzwerk gerade recht.
Inzwischen ist die Sebaldsbrückerin in der vierten Familie im Einsatz und verschafft durch ihre Besuche einer alleinerziehenden Mutter einmal in der Woche zwei, drei Stunden Zeit für sich selbst. „Die Mütter können dann machen, was sie mögen, mal in Ruhe duschen, etwas Schlaf nachholen oder andere Dinge erledigen“, erzählt Renate Meyer. „Ich gehe meistens mit dem Kind spazieren, wir spielen auch zusammen und mit der Mutter ist Zeit zum Reden und Zuhören.“
Falls Begleitung beim Arztbesuch gewünscht ist, kommt der „Zeitengel“ auf Anfrage ebenfalls mit oder holt ein Geschwisterkind vom Kindergarten ab. Beides hat sie in ihren Familien getan. An eine Familie mit insgesamt vier Kindern erinnert sich Renate Meyer mit einem Lächeln im Gesicht zurück, das von freundschaftlicher Verbundenheit zeugt.
Der direkte „Familienanschluss auf Zeit“ ist nicht zuletzt ein großer Vertrauensbonus, manchmal wird die „Wellcome“-Patin auch in die Babypflege eingebunden. „Diese Einsätze sind ganz toll“, stellt Renate Meyer mit zufriedener Stimme fest, „ich freue mich auf diese Tage, die für die Familien ein Bonus sind und mir persönlich viel geben: Sie sind für beide eine Bereicherung.“
Insgesamt 40 Ehrenamtliche waren 2020 nach Angaben von Karin Gruhl, Landeskoordinatorin für Hamburg und Bremen, in Bremen für „Wellcome“ im Einsatz. „Wir freuen uns sehr darüber, wie sich unsere Ehrenamtlichen für Familien stark machen und für sie auch in diesen Zeiten unterwegs sind; natürlich unter der Einhaltung aller Vorgaben in der Pandemiezeit und der fachlichen Begleitung unserer Fachkraft“, stellt Karin Gruhl dazu fest.
In die Altersspanne der Frühen Hilfen für Kinder von null bis drei Jahre fällt teilweise auch das Programm „Mit Kids“-Aktivpatenschaften der Freiwilligen-Agentur Bremen. Derzeit sind nach Auskunft von Koordinatorin Kathrin Klug drei Kinder dieser Altersstufe darunter. In dieser frühen Kindheitsstufe sei eine Begleitung noch sehr intim, sagt sie, von daher eher ein schwieriges und herausforderndes Einsatzgebiet für Ehrenamtliche.
„Wellcome“
„Wellcome“ wurde 2002 als lokales Projekt mit zwei Teams in Norderstedt und Hamburg gestartet. Ab 2004 begann die systematische Verbreitung mit der Social-Franchise-Methode. Innerhalb weniger Jahre verbreitete sich „Wellcome – Praktische Hilfe nach der Geburt“ bundesweit: 2009 eröffnete das 100. Team. Ansprechpartner für „Wellcome“ in Bremen sind die Koordinatorinnen Petra Hock, Telefon 0170 / 375 78 78, E-Mail: bremen.sued@wellcome-online.de, Sprechzeit Mittwoch von 9.30 bis 12 Uhr (SOS-Kinderdorf); Renate Hoffmann, Telefon 69 90 54 99, E-Mail: bremen.mitte@wellcome-online.de, Sprechzeit Montag 10 bis 12 Uhr (DRK-Kreisverband); Heike Petschellies, Telefon 0157/ 71 31 20 80; E-Mail: bremen.nord@wellcome-online.de, Sprechzeit Montag von 13 bis 15 Uhr.
Weitere Informationen
Das Familiennetz listet unter der Adresse familiennetz-bremen.de rechts oben unter dem Reiter „Fachliches“ diverse Elternprogramme auf, für die es teilweise Zugangs- und Teilnahmevoraussetzungen gibt. Dort sind auch Informationen zu „Wellcome“ zu finden, ebenso zum Hausbesuchsprogramm „Tipp Tapp“ des Gesundheitsamtes und zu „Brise“ (Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung).