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Serie "Weniger ist mehr" Wie Minimalismus in einem Bremer Kloster gelebt wird

Im Schnoor gibt es ein kleines Kloster, in dem fünf Franziskanerinnen leben. Sie verzichten weitgehend auf persönlichen Besitz – und auf Liebesbeziehungen. Wie erleben sie diesen bewusst gewählten Verzicht?
06.12.2023, 05:00 Uhr
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Wie Minimalismus in einem Bremer Kloster gelebt wird
Von Sara Sundermann

Mitten im Schnoor leben in einem kleinen Kloster fünf Ordensschwestern. Sie sind Franziskanerinnen. Ihr Konvent ist ein Ableger des Mutterhauses in Thuine im Emsland. Sie haben drei Gelübde abgelegt: Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit. Damit gehört bewusster Verzicht untrennbar zu ihrem Alltag.

Ihre Wohnräume und persönlichen Besitztümer kann man definitiv als minimalistisch bezeichnen. "Wir verzichten auf Wohlstand", sagt Maria Paula Eberle, die hier nur Schwester Maria Paula genannt wird. Ein eigenes Auto, ein Sparkonto, einen Fernseher – all das haben die Franziskanerinnen im Schnoor nicht. Auch Schmuck tragen sie nicht. "Vielleicht eine Kette mit einem Kreuz", sagt Schwester Francis. Für ihre Arbeit werden sie bezahlt, aber ihr Gehalt wird nicht ihnen persönlich, sondern ihrem Orden überwiesen. "Unser Verdienst geht an Thuine", sagt sie.

Wohngemeinschaft auf wenigen Quadratmetern

Das Gebäude des Bremer Konvents ist so wie die meisten Häuser im Schnoor: klein. Das merkt man auch im Inneren. Alles, was hier gebraucht wird, ist auf wenigen Quadratmetern untergebracht. Insgesamt ist das Kloster organisiert wie eine professionelle Wohngemeinschaft. Es gibt individuelle und geteilte Räume.

Im Obergeschoss hat jede der Ordensschwestern ihre Privaträume: Ein Schlafzimmer, ein kleiner Wohnraum, ein eigenes Bad. Dieser Bereich dient auch der Klausur, dem Rückzug. Er wird normalerweise nicht von Gästen betreten. Alle anderen Räume nutzen die Ordensschwestern gemeinsam. Dazu gehören ein kleiner Andachtsraum, der als Kapelle dient, eine Küche, ein Esszimmer mit Fernseher, ein Vorzimmer, um Gäste zu empfangen und ein kleiner Innenhof, in dem sie Trauben anbauen. Auch ein Auto gehört zum Gemeinschaftsbesitz des Konvents.

Kaum persönlicher Besitz

Die persönlichen Besitztümer der Franziskanerinnen sind überschaubar. Ein Bücherregal, eine Kreuzkette, ein Heiligenbild. Welche privaten Gegenstände ihnen wichtig sind? "Meine Bücher", sagt Schwester Maria Paula. Sie liest gern spirituelle Literatur, die sich mit dem Heiligen Geist beschäftigt.

Ein wichtiger persönlicher Gegenstand ist für Schwester Francis ihr E-Bike, das sie vom Orden geschenkt bekommen hat. Das Rad hat sie sorgsam in einem Unterstand der katholischen Gemeinde nebenan geparkt. Damit fährt sie zum Einkaufen auf dem Markt, zu Arztterminen oder auch mal raus ins Blockland.

Der Verzicht der Nonnen ist selbst gewählt. Doch das heißt nicht, dass er immer leicht fällt. "Unsere Zimmer sind klein, es ist alles klein und eng, das ist mir am Anfang schon schwergefallen", sagt Schwester Maria Paula. "Aber es lohnt sich, mit Gott zu leben." Dadurch, dass sie nicht so viel materiellen Besitz habe, könne sie sich mehr um die inneren Werte kümmern, sagt Schwester Francis. Besitz könne auch ein Ballast sein – schließlich müsse Eigentum meistens gepflegt werden. "Ich beschäftige mich nicht damit, was für ein tolles Auto ich mir kaufen könnte, sondern fokussiere mich mehr auf die Beziehung mit Gott – mein Auftrag ist es, Gottes Liebe in die Welt zu tragen", sagt sie.

Das bedeutet auch mal, Einsamkeit auszuhalten.
Schwester Maria Paula

Auch der Verzicht auf Intimitäten und eine Partnerschaft gehört zum Ordensleben. "Wenn ich nicht mehr ehelos leben will, wenn ich das Gelübde nicht halten kann, muss ich aus dem Orden austreten", sagt Schwester Francis. Wer sich verliebt, kann von seinem Gelübde entbunden werden, muss damit aber sein Leben in der Ordensgemeinschaft aufgeben. Ohne Liebesbeziehungen zu leben, das ist ein Verzicht, den man spürt, sagt Schwester Maria Paula. "Das bedeutet auch mal, Einsamkeit auszuhalten. Allein zu sein, und das auch Gott zu zeigen, das gehört zu unserem Lebensstil."

Der Verzicht habe aber auch positive Folgen, sagen die beiden Ordensschwestern: Durch ihn fühlt sich Schwester Francis im Alltag oft freier im Herzen, sagt sie. Die Franziskanerinnen haben Möglichkeiten, für die viele Menschen sich im Alltag selten Zeit nehmen. Zum Beispiel eine Stunde lang in der Kapelle sitzen, beten und innehalten, sagt Schwester Maria Paula. "Dadurch habe ich die Möglichkeit, Gott zu entdecken, gerade in einer Zeit, in der viele sich von Gott abwenden."

Wo der Verzicht schwer fällt

Manchmal fällt der Verzicht aber auch schwer. Obwohl die Franziskanerinnen regulär drei Wochen Urlaub im Jahr haben, können sie sich nicht jede Reise nach Belieben erlauben. "Ich komme nicht mehr überall hin, ich kann nicht einfach am Wochenende in die Berge fahren oder nach Hause an den Bodensee", sagt Schwester Maria Paula, die gebürtig aus Süddeutschland kommt und früher gern in den Alpen wandern ging. "Ich wäre gerne mal nach Israel gefahren, in das Heilige Land", sagt Schwester Francis. Das sei für eine Ordensschwester aber normalerweise nicht einfach so möglich. "Das finde ich schade." Oft verbringen die Nonnen ihren Urlaub in Einrichtungen ihres Ordens - zum Beispiel auf Borkum oder an der Ostsee.

Doch das Leben der Franziskanerinnen ist nicht nur von Verzicht und spiritueller Innenschau geprägt. Sie übernehmen auch praktische Aufgaben in der Außenwelt. Schwester Francis bereitet die Messe in der St. Johann-Kirche nebenan vor. Schwester Maria Paula geht als Gemeindereferentin in Seniorenheime und gestaltet Trauerfeiern bei Beerdigungen. "Und wir essen auch mal ein Eis, wir trinken mal ein Bier mit Wasser und wir feiern zusammen, wenn eine Schwester ihren Geburtstag oder Namenstag hat", sagt Maria Paula. Dann gibt es oft bestimmte Gerichte, die sich die feiernde Schwester gewünscht hat. Zuletzt war es Bratwurst mit Pommes.

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Welche Gelübde es in verschiedenen Klöstern gibt

Ein Gelübde ist ein feierliches Versprechen Gott gegenüber. Mönche und Nonnen, die einem Orden beitreten, legen solche Gelübde ab. Das Ablegen der Ordensgelübde wird auch als Profess bezeichnet. Das kommt aus dem Lateinischen von dem Wort Professio, übersetzt "Bekenntnis".

Bei den Franziskanerinnen von Thuine, deren Ableger das Kloster im Bremer Schnoor ist, gibt es drei Gelübde: Keuschheit, Armut und Gehorsam. Die Ordensschwestern verpflichten sich, "nichts Eigenes zu besitzen, auf die Ehe und deren Freuden zu verzichten und den Willen Gottes so anzunehmen, wie er sich im Erwägen mit den Vorgesetzten zeigt", so formuliert es der Orden.

Drei Versprechen

Die Ehelosigkeit gilt im Christentum als Nachahmung der Lebensweise Jesu Christi. Auf Ehe und Partnerschaft wird bewusst verzichtet, um in besonderer Weise frei zu sein für den Dienst an Gott und der Kirche.

Armut bedeutet im Alltag der Bremer Ordensschwestern zwar nicht, dass sie gar keinen persönlichen Besitz haben. Sie haben kein eigenes Auto, kein Sparkonto, nur wenige kleinere persönliche Gegenstände.

Gehorsam bedeute einerseits Gehorsam gegenüber der Ordensleitung in Thuine, die zum Beispiel Ordensschwestern in ein Konvent in einer anderen Stadt versetzen kann, erläutern die Bremer Ordensschwestern im Schnoor. Gemeint sei damit aber auch Gehorsam gegenüber Gott als geistliche Dimension.

Die Gelübde können bei verschiedenen Orden variieren. Bei den Benediktinern beispielsweise gilt, dass Novizen drei Gelübde ablegen: Sie betreffen die Beständigkeit (stabilitas loci), den sittlichen Lebenswandel (conversatio morum) und den Gehorsam gegenüber den Kloster-Oberen (oboedientia).

In manchen Orden gibt es auch mehr als drei Gelübde. Die Klarissen von Bocholt, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, versprechen neben Armut, Keuschheit und Gehorsam auch ein Leben in Klausur, also mit Rückzug in die klösterliche Gemeinschaft.

Die Aufnahme ins Kloster

Frauen und Männer, die in einen katholischen Orden aufgenommen werden möchten, durchlaufen oft einen mehrstufigen Prozess: Zunächst gelten sie als interessierte Kandidaten oder Aspirantinnen. Darauf folgt die Phase des Postulats. Das Postulat dauert meist sechs bis 12 Monate und gilt als Prüfzeit. In dieser Zeit lernen die Ordensanwärterinnen und Anwärter das Klosterleben und die Gemeinschaft kennen.

Darauf folgt das Noviziat, das ein oder zwei Jahre dauern kann. Als Novizin bekommt die Nonne ihre Ordenskleidung und die Ordensregeln. Am Ende des Noviziats werden erstmals die Gelübde abgelegt – zunächst auf Zeit für beispielsweise ein oder zwei Jahre.

Am Abschluss des Aufnahmeprozesses steht die sogenannte "ewige Profess", das endgültige Versprechen, als Mönch oder Nonne nach den Regeln des Ordens zu leben.

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