Vor elf Monaten hatte Mark Christiansen keine Lust mehr. Sein Traum von einer Tiny-House-Siedlung war in weite Ferne gerückt – wieder einmal. Jahrelang hatten er und seine Mitstreiter nach einem Platz in Bremen gesucht, auf dem sie sich mit ihren Mini-Häusern ansiedeln können. Fündig wurden sie nicht. Im Mai 2022 kündigte Christiansen dann das Aus seiner Initiative Tiny-House-Kultur an. Man sehe keine Perspektive mehr, sagte er. Elf Monate später zeichnet sich eine Wende ab. Auf einem von der Initiative bevorzugten Standort, der nicht zu haben schien, könnten nun doch mehrere Häuser im Kleinformat entstehen.
Die Fläche an der Stromer Straße in Woltmershausen galt schon früh als Wunschort für das Projekt, auch der Beirat hatte seine Zustimmung signalisiert. Die Baubehörde meldete jedoch Bedenken an. Die Fläche liegt in einem Gewerbegebiet, müsste also umgewidmet werden. Hinzu kommen andere Probleme wie fehlende Zufahrtswege und ein geschützter Baumbestand. Unüberwindbar sind diese Hindernisse offenbar nicht, wie sich jetzt zeigt. Vergangene Woche hat die Baudeputation dafür gestimmt, dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Laut Vorlage soll damit „die Zulässigkeit eines Tiny-House-Wohnprojektes ermöglicht werden“. Christiansen zufolge könnte die Deputation den Plan im Herbst beschließen. „Wir sind mit dem Bauamt in der Detailplanung“, sagt er. Nächstes Jahr im März oder April, so seine Hoffnung, könnten dann die ersten Häuser stehen.
Christiansen gibt sich angesichts der vielen Rückschläge verhalten optimistisch. Die Initiative habe er noch nicht wiederbelebt – erst mal abwarten, so sein Motto. Interessenten für die Tiny-House-Siedlung gebe es nach wie vor genug. „Jede Woche fragen ein bis zwei Leute an“, sagt Christiansen. Wie viele Häuser letztendlich Platz finden, sei noch offen. Viele Fragen müssten geklärt werden, die finale Größe der nutzbaren Fläche könne sich noch ändern. Zuletzt sei es um 2000 Quadratmeter gegangen. Der Wunsch hingegen ist klar: Die zukünftigen Bewohner wollen den gemeinschaftlichen Gedanken leben. Eine Art Kommune, in der sich die Menschen gegenseitig helfen. Nicht jeder brauche eine eigene Waschmaschine oder Gartengeräte, ein E-Bike könne man auch gemeinsam nutzen, sagt Christiansen.
Dass diese Wohnform in Bremen nun doch noch eine Zukunft hat, führt SPD-Baupolitiker Falk Wagner vor allem auf das Einlenken der Baubehörde zurück. Wagner selbst und die Woltmershauser Beiratssprecherin Edith Wangenheim, beide langjährige Unterstützer der Tiny-House-Bewegung, hatten sich im vergangenen Jahr enttäuscht gezeigt, als die Pläne für die Stromer Straße gescheitert waren. Dass man es nicht geschafft habe, eine Lösung zu finden, sei unverständlich. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, so Wagner damals. Ein Jahr später lobt der Baupolitiker die Behörde. Baustaatsrätin Gabriele Nießen habe sich der Sache angenommen und im Oktober ein Treffen mit der Tiny-House-Bewegung organisiert.
„Für die Behörde ist das viel Arbeit für ein kleines Projekt“, räumt Wagner ein. Kein Vergleich zu großen Stadtentwicklungsvorhaben wie dem Tabakquartier, das sei klar. Es gehe aber auch darum, alternativen Wohnformen eine Nische zu schaffen. „In einer Großstadt muss für solche Experimente Platz sein“, sagt der Baupolitiker. Ähnlich äußert sich Bau- und Stadtentwicklungssenatorin Maike Schaefer (Grüne). Natürlich böten Tiny Houses weniger Wohnraum pro Fläche als der Geschosswohnungsbau – dafür hätten sie andere Vorteile. „Es wird weniger Fläche verdichtet, der ökologische Wert ist wesentlich bedeutsamer, oft wird dort viel über Sharing-Modelle gelöst“, sagt Schaefer. Tiny-House-Siedlungen könnten einem Stadtteil „einen positiven grünen Charakter verleihen und so zu einer Aufwertung eines ganzen Quartiers wie an der Stromer Straße beitragen“. Wagner ist überzeugt, dass sich die Siedlung gut an die natürliche Umgebung anpassen werde. „Die Häuser kann man gut zwischen die Bäume stellen“, sagt er.
Für Mark Christiansen könnte ein Traum in Erfüllung gehen. Tiny Houses seien nicht nur eine Wohnform, sondern eine Lebenseinstellung. „Es gibt einen unglaublichen Bedarf, sich zu reduzieren“, sagt er. Sein eigenes, normal großes Haus hat er laut eigener Aussage vor einigen Jahren verkauft. Aktuell lebe er in einer Wohnung auf 70 Quadratmetern. Seit Jahren schränke er sich immer mehr ein, schaffe Besitz ab. „Woltmershausen“, sagt Christiansen, „wird dann die Endstufe“.