Bis zum Mond und wieder zurück: So weit fährt der Bremer Verein „Aktion Hilfe für Kinder“, um zu leisten, was der Vereinsname sagt. An der Bremer Universitätsallee 3 sitzt die Hauptzentrale einer der mitgliederstärksten und umtriebigsten Kinderhilfsorganisationen Deutschlands. Es ist eine Sammelstelle für Ideen und Maßnahmen, die Kindern und ihren Familien das Leben leichter, besser und schöner machen sollen. Die Idee dazu hatte vor 20 Jahren eine Gruppe Bremer Eltern. Sie wünschten sich dringend eine schnelle, unbürokratische und direkte Unterstützung in Notsituationen. Längst steckt dahinter noch viel mehr, zum Beispiel ein bundesweit wohl einmaliges Therapiezentrum für hirngeschädigte Kinder.
Den Gründermüttern und -vätern ging es darum, einzuspringen, wenn es schnell gehen muss. Wenn die Mühlen von Behörden oder Versicherungen zu langsam mahlen oder eine Kostenübernahme abgelehnt wurde. Diese lebenspraktische Familienhilfe sei nach wie vor der Kern des Vereins, erklärt Oliver Domsky, der stellvertretende Vorsitzende. Die „Aktion Hilfe für Kinder“ unterstützt Familien, die es sich finanziell nicht leisten können, Wohnung oder Familienauto für das behinderte Kind umzubauen. Sie finanziert auch medizinische Hilfsmittel, Trainingsgeräte sowie Spezial- und Alternativtherapien.
Mittlerweile zählt der Verein nach eigenen Angaben bundesweit 27.000 zahlende Mitglieder und verwaltet ein jährliches Budget im unteren siebenstelligen Bereich. 2010 wurde eine gemeinnützige Stiftung gegründet, die das Engagement absichern soll. Ein sehr mobiles Standbein ist der vereinseigene Fuhrpark, der inklusive Fahrer kostenlos verliehen wird. Die sieben behindertengerechten Kleinbusse chauffieren Kinder- und Jugendgruppen immer dann, wenn die Fahrten anders nicht zustande kommen würden – wenn zum Beispiel das Geld fehlt, oder wenn Kinder mit Behinderung sonst nicht am Ausflug oder an einer Ferienfreizeit teilnehmen können.
"Ein solcher Service ist in Deutschland einmalig"
Die zurzeit zehn ehrenamtlichen Busfahrer sind dafür im ganzen Land unterwegs. „Ein solcher Service ist in Deutschland einmalig“, sagt Domsky. Mehr als 1,2 Millionen Kilometer hätten die Aktionsbusse mittlerweile zurückgelegt – das entspreche dreimal der Strecke von der Erde bis zum Mond. Weitere Projekte von „Aktion Hilfe für Kinder“ sind das „Hood Training“, ein preisgekröntes Programm, das gleichzeitig Körper und Sozialkompetenz trainiert und sich vor allem an Kinder und Jugendliche in Stadtteilen mit erhöhtem Entwicklungsbedarf richtet, sowie die Aktion „Steilkurve“ des Ex-Radprofis Gerd Döring. Der Sportler nimmt im schwäbischen Öschelbronn Kinder mit Handicap auf Tandem-Radrennen mit.
Außerdem unterhält der Verein das Kinderhaus „Sterntaler“ in Woltmershausen, das vor 14 Jahren gegründet wurde, als Ganztags-Krippengruppen in Bremen noch kaum existierten, so Domsky. Der besondere Stolz des Vereins ist das eigene Therapiezentrum an der Universitätsallee, das vor eineinhalb Jahren eröffnet wurde. Neben klassischen Therapieformen bieten speziell geschulte Physiotherapeuten die neuroaktive Reflextherapie (NART) an.
Für die Intensivtherapie, die für Kinder und Jugendliche mit infantiler Zerebralparese entwickelt wurde, hätten Familien bislang Flugreisen unternehmen müssen, sagt Oliver Domsky. Aktuell werden im bundesweit einzigen NART-Zentrum 51 Kinder aus ganz Deutschland behandelt. Noch ist die Therapie bei deutschen Krankenkassen nicht anerkannt. Der Verein hat eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, die die Wirksamkeit nachweisen soll.
Ein großer Teil des Vereinsbudgets wird aber an andere soziale, kulturelle oder sportliche Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in Not ausgeschüttet. Unter „Not“ versteht der Verein nicht nur materielle Armut. Gefördert werden Projekte für Kinder und Jugendliche, die krank sind, körperlich oder geistig beeinträchtigt, die seelisch leiden oder sexuell missbraucht wurden.
„Wir unterstützen langfristig Projekte oder Einrichtungen, deren Arbeit wir nicht besser machen könnten, darunter viele kleinere Projekte, die nur schwer Förderer finden“, erklärt der Vorstandsvertreter. Ein ehrenamtlicher, zurzeit achtköpfiger Beirat trifft sich einmal im Monat, um über die neueste Auswahl förderwürdiger Projekte zu beraten und zu entscheiden. Zu den aktuell unterstützten Einrichtungen gehört zum Beispiel der Darmstädter Verein Mäander, der das Geld für präventive pädagogische und kunstpädagogische Projekte einsetzen möchte.
„Violeta“, eine Fachberatungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und Frauen aus Hannover, kann davon Nachhilfestunden und Selbstverteidigungskurse finanzieren. Die Kieler „Kinder-Herz-Hilfe“ wird eine Betreuung von Geschwisterkindern im Universitätsklinikum Kiel einrichten, und das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe leistet sich damit musiktherapeutische Angebote und Fortbildungen.
"Die meisten Mitglieder kommen aus Süd- und Mitteldeutschland"
Unterstützung geht auch an ein Internat für Waisen sowie ein Kinderkrankenhaus für Krebspatienten in Russland. In Bremen fördert der Verein nach seinen Angaben unter anderem ein inklusives Tanzprojekt, den Verein Trauerland und die Kinder- und Jugendfarm in Habenhausen. So viel Gutes – und in Bremen weiß kaum jemand davon? Zwar zähle der Verein diverse namhafte Bremer Unternehmen zu seinen Spendern, doch in der Bremer Öffentlichkeit sei der Name erstaunlich wenig bekannt, sagt Oliver Domsky. „Die meisten unserer Mitglieder kommen aus Süd- und Mitteldeutschland.“
Auf eine bestimmte Form der Öffentlichkeit würde der Verein allerdings gerne verzichten. Vor zehn Jahren kam der Name bundesweit ins Gerede, es ging damals um veruntreute Spendengelder, das Verfahren läuft noch immer. „Der Vorwurf ging dabei nie an die Organisation selbst, sondern an eine Einzelperson“, betont Domsky, ein Bremer IT-Unternehmer, der sich seit fünf Jahren im Verein engagiert. „Und niemand hatte dadurch einen größeren Schaden als der Verein selbst“.
Kurzfristig habe sogar eine Auflösung im Raum gestanden. Man habe sich dann aber entschieden, die Dinge hinter sich zu lassen und das verlorene Vertrauen mit der größtmöglichen Transparenz zurückzugewinnen. Oliver Domsky sagt: „Wir wollten weitermachen, im Sinne der Kinder.“ Nähere Informationen über die „Aktion Hilfe für Kinder“ mit ausführlichen Vorstellungen der Förderprojekte finden sich auf der Internetseite aktion-hfk.de. Finanzielle und ehrenamtliche Unterstützung ist in allen Bereichen willkommen.