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Bremen als „Tor zur Olympiade“ Wie Bremen die Spiele von 1936 für sich nutzen wollte

Zu den Olympischen Spielen in Berlin reisten viele ausländische Athleten über Bremen an. Das wollte Bremen nutzen, um sich als führende deutsche Sportstadt etablieren - im Dienste des Körperkults der Nazis.
18.08.2016, 00:00 Uhr
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Von Frank Hethey

Zu den Olympischen Spielen in Berlin reisten viele ausländische Athleten über Bremen an. Das wollte Bremen nutzen, um sich als führende deutsche Sportstadt etablieren - im Dienste des Körperkults der Nazis.

Es war alles so schön geplant für den 23. Juli 1936. Gut eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele in Berlin sollte Bremen sein „Festkleid“ anlegen. Lange Stoffbahnen in den Farben der olympischen Ringe, die sich im Abstand von 20 Metern über die Straßen spannen sollten. Doch ganz so einfach und schnell wie gedacht ließ sich die Olympia-Dekoration dann doch nicht anbringen.

Nicht nur, weil die großen Holzreifen mit den Ringen und dem Bremer Schlüssel als Mittelelement nicht rechtzeitig fertig geworden waren. Sondern auch, weil sich die Schmuckbänder nicht ohne Weiteres über die Oberleitungen der Bremer Straßenbahnen hinweg ziehen ließen. Zu allem Unglück vermasselte auch noch ein Unwetter den reibungslosen Ablauf – einige schon aufgehängte Stoffbahnen wurden wieder heruntergefegt, andere sogar zerfetzt.

Bremen und die Olympischen Spiele vor 80 Jahren, das ist ein Kapitel für sich. Denn dabei ging es keineswegs nur um ein bisschen Straßenschmuck für auswärtige Olympia-Besucher. Wollte die Stadt ihre Stellung als „Tor zur Olympiade“ doch nicht nur nutzen, um sich einen ordentlichen Anteil am Olympia-Kuchen zu sichern. Über rein wirtschaftliche Vorteile hinaus war der Stadt daran gelegen, den Rückenwind der Spiele mitzunehmen für ein viel weiter gestecktes Ziel.

Bremen als Spätstarter

Und das, obschon Bremen gewissermaßen ein Spätstarter war. Bereits im Februar 1933 hatte der damalige Leiter des Instituts für Gesundheit und Leistung, Fritz Strube, die Bildung eines vorbereitenden Olympia-Ausschusses gefordert. „Nur ist nicht bekannt, ob sich in Bremen die behördlichen Stellen schon mit diesen Fragen befaßt haben.“

Hatten sie nicht, und es sollte auch noch eine ganze Weile dauern, bis sie in die Puschen kamen. Erst ein gutes Jahr vor dem Olympia-Start machte sich SA-Standartenführer Ernst Köwing als neuer Leiter der zuständigen Behörde den Strube-Vorschlag zu eigen. Am besten sei es, so seine Anregung vom 5. Juli 1935, wenn eine „möglichst große Zahl der ausländischen Olympia-Kämpfer auf ihrer Reise durch Bremen festgehalten würde, um hier in irgend einer Form, etwa durch Veranstaltung von Wettkämpfen, in Erscheinung zu treten“.

Dass zahlreiche Olympia-Teilnehmer aus Übersee via Bremerhaven und Bremen die Reise nach Berlin antreten würden, lag auf der Hand. In Zeiten, als die Schiffe des Norddeutschen Lloyd noch die Kontinente verbanden, war Bremen neben Hamburg der natürliche Ankunftsort für viele Besucher aus fernen Ländern. Eine Karte, die der Senat jetzt ausspielen wollte. Die Devise lautete: „1936 über Bremen nach Berlin.“ Und von Berlin wieder zurück über Bremen. Verschrieb sich der Senat doch jetzt der Aufgabe, direkt im Anschluss an die Spiele in Berlin eine sogenannte nacholympische Woche in Bremen auf die Beine zu stellen. Sich darum zu bemühen, war per Erlass jeder deutschen Stadt freigestellt.

Nach den eher lahmen Anfängen wollte Bremen also jetzt so richtig durchstarten. Der regierende Bürgermeister von Bremen, Otto Heider, übernahm als „Protektor“ die Schirmherrschaft des namhaft besetzten Olympia-Ausschusses. Gleich mehrere Unterausschüsse sollten die Kleinarbeit erledigen, darunter ein Empfangsausschuss zur Begrüßung wichtiger Funktionäre und Sportler.

Wie akribisch man dabei zu Werke ging, belegt ein Briefwechsel in der Olympia-Akte des Bremer Staatsarchivs. Als der Präsident des amerikanischen Olympia-Komitees, Avery Brundage, im Januar 1936 nebst Gattin in Bremen weilte, regte der Verkehrsverein an: „Vielleicht wäre es gut, in das Zimmer der Frau Brundage im Hillmann Hotel im Auftrage des Herrn Reg. Bürgermeister einen Blumenstrauss zu stellen.“ Eine fast devote Haltung, die kaum verwundern kann – lag ein Olympia-Boykott der USA damals doch immer noch im Bereich des Möglichen.

Leibesübungen und Rassengesetze

Ein heikles Thema war natürlich die NS-Rassenpolitik – sich der Welt von der besten Seite zeigen zu wollen und gleichzeitig die jüdischen Mitbürger zu diskriminieren, das passte schlecht zusammen. Unter der Überschrift „Der Olympiagast fragt – wir antworten: Deutsche Rassengesetze, warum?“ lieferten die Bremer Nachrichten am 13. August 1936 eine Argumentationshilfe für bedrängte „Volksgenossen“.

Dabei wehrte sich die Zeitung wortreich gegen die Befürchtung, der durch die Nürnberger Gesetze staatlich verankerte Antisemitismus könnte sich „morgen vielleicht gegen andere Völker oder andere Rassen richten“. Drei Jahre später folgte dann der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit dem Holocaust und dem deutschen "Vernichtungskrieg" gegen die Sowjetunion.

Derweil gaben sich die Organisatoren alle Mühe, der nacholympischen Woche zum Erfolg zu verhelfen, das Parteiblatt sprach gar von „völlig gleichwertigen“ Kämpfen. Das Publikum köderte man mit vollmundigen Versprechungen, medaillenbehängte Spitzensportler sollten in Bremen ihr Können zeigen. Doch die zogen es vor, sich andernorts zu präsentieren. Übrig blieben vor allem Olympia-Teilnehmer wie die US-Handballer, die in Berlin nicht gerade geglänzt hatten.

Die Quittung kam prompt, trotz immenser Werbung war die Publikumsresonanz auf die nacholympische Woche ernüchternd. Die erwarteten Zuschauerzahlen seien überall weit unterschritten worden, so das Resümee von Christian Dirbach und Harald Braun, emeritierter Sportwissenschaftler an der Uni Bremen, in ihrem 2003 publizierten Aufsatz „Bremen und die Olympischen Spiele 1936“.

Kein sehr gutes Zeugnis, um ein viel weiter gestecktes Ziel zu erreichen: nämlich Bremen als Sportstadt zu profilieren. Und zwar als federführende Sportstadt für ganz Deutschland. Die wichtigsten Bausteine waren neben der „Bremer Kampfbahn“, wie das Weserstadion seit März 1935 hieß, die Bremer Schule für Leibesübungen und das Institut für Gesundheit und Leistung an der Martinistraße. „Sie alle werden der großen Aufgabe gemeinsam dienen, Übungsstätten des deutschen Sports zu sein“, erklärte Köwing.

Dass es dabei nicht nur um sportliches Kräftemessen ging, versteht sich von selbst. Köwing sah die Bremer Einrichtungen ganz im Dienste der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Sie sollten dem Dritten Reich einen „gesunden Körper“ liefern, als „Wegbereiter eines neuen Menschen in einem neuen Deutschland“.

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