Sechs große weiße Zelte und viele kleine Container, eingefasst von einem Metallzaun: Das ist die Zeltstadt an der Herzogin-Cäcilie-Allee in der Überseestadt. Hier leben mehr als 900 Menschen. Die Zelte dienen als Erstaufnahme für Geflüchtete aus verschiedenen Ländern. Eröffnet wurde die Zeltstadt Anfang Mai, als größte Notunterkunft der Stadt. Die Zelte, die insgesamt Platz für mehr als 1200 Menschen bieten, wurden aufgebaut, weil sich Bremen für die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine wappnen wollte.
Ursprünglich sollten die Zelte Ende September abgebaut werden – denkbar ist aber, dass die Notunterkunft noch länger gebraucht wird. Laut Sozialressort ist derzeit noch nicht entschieden, ob Ende des Sommers abgebaut wird. Grundsätzlich sei es möglich, die Zeltstadt auch länger zu nutzen. Betrieben wird die Notunterkunft vom Deutschen Roten Kreuz (DRK).
Bewohnerinnen und Bewohner: In der Zeltstadt sind Menschen aus 41 Ländern untergebracht. Geflüchtete aus der Ukraine machten zuletzt etwa 40 Prozent der Bewohner aus. "In der Zeltstadt leben auch viele Menschen aus Syrien, Afghanistan, Mazedonien, Georgien und verschiedenen afrikanischen Ländern", sagt Anja Drewes, DRK-Einrichtungsleitung für die Zeltstadt.
Schlafräume: Vier große Zelte dienen als Unterkünfte. Zwei von ihnen sind ausschließlich für Familien und Frauen, zwei weitere nur für Männer. Die Zelte sind mit Gips-Wänden unterteilt in Schlafräume: Darin stehen Hochbetten, Tische und Schränke. Es gebe Schlafräume für bis zu acht Personen und andere für bis zu zwölf, schildert Anja Drewes. Bewohner würden sich in den Schlafräumen oft selbst eine Art Raumteiler basteln, um zumindest für etwas Sichtschutz zu sorgen. "Oft teilen sich zwei Familien einen Schlafraum, dabei sind auch schon Freundschaften entstanden" erzählt Kristina Fress, Koordinatorin der Flüchtlingshilfe beim DRK Bremen. Ihre Wertsachen können Bewohner in einem Spind einschließen. Duschen, Toiletten und Waschmaschinen befinden sich in Sanitärcontainern auf dem Gelände.
Essen: Neben den vier großen Schlafzelten gibt es ein kleineres Versorgungszelt für die Essensausgabe. Darin sind lange Reihen von Holztischen und -bänken aufgebaut. Dort werden Frühstücksbuffet, Mittag- und Abendessen angeboten. Küchen gibt es in der Zeltstadt nicht, die Bewohnerinnen und Bewohner können also nicht selbst kochen. Dies ist laut Sozialressort in allen Bremer Erstaufnahmen so. Wenn Geflüchtete aus der Zeltstadt in ein Übergangswohnheim umziehen, gibt es dort in der Regel Gemeinschaftsküchen.
Wohnungssuche: Wie lange Geflüchtete in der Zeltstadt leben, ist unterschiedlich. Manche wohnten hier, seit die Zelte aufgebaut wurden, andere nur für anderthalb Wochen, sagt Kristina Fress. Die Suche nach Wohnungen für die Geflüchteten gestalte sich schwierig, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde: "Die Wohnraumsituation in Bremen ist eng, besonders für alleinstehende Personen und für größere Familien ist Wohnraum knapp." Die Wohnraumvermittlung habe seit März etwa 400 Menschen aus der Ukraine in Wohnungen vermittelt. Die meisten Zeltstadt-Bewohner werden angesichts der fehlenden Wohnungen aber zunächst in ein Übergangswohnheim vermittelt. Doch auch in den Wohnheimen sind nicht immer Plätze frei. "Es ist im Moment alles schwierig", sagt Drewes. Bremen arbeitet am Aufbau weiterer Wohnheime. Das DRK zum Beispiel will in den Gebäuden der Horner Eiche und der Deutschen Eiche demnächst zwei neue Heime einrichten.
Hilfsangebote: In jedem Zelt steht eine Infotafel mit einer Wochenübersicht über verschiedene Angebote für die Bewohner. Dazu gehören Sprachkurse und Beratungszeiten sowie Sportangebote für Kinder. Zudem gebe es ein Netzwerk von Ehrenamtlichen, die die Geflüchteten unterstützten, sagt Kristina Fress. Ehrenamtliche begleiten Geflüchtete auf Wunsch zum Arzt, spielen mit den Kindern oder unterstützen beim Deutsch-Lernen.
Rotes Kreuz vor Ort: Acht bis zehn DRK-Mitarbeiter sind pro Schicht in der Zeltstadt im Einsatz. Dazu gehören viele Sozialarbeiter, die in Containern auf dem Gelände der Notunterkunft Beratung bei Behördengängen und bei der Wohnungssuche anbieten. In der Zeltstadt sind auch Übersetzer im Einsatz, die bei der Verständigung helfen. Zudem ist laut DRK ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr vor Ort.
Kinder: Für Kinder gibt es Spiel- und Bewegungsangebote sowohl in der Zeltstadt als auch außerhalb. In einem Zelt, das vom DRK als Aktionszelt bezeichnet wird, können Kinder Bobbycar fahren oder zum Beispiel Tischtennis und Federball spielen. Im Überseepark direkt neben der Zeltstadt gibt es weitere Optionen für Kinder. Donnerstags wird dort zum Beispiel Basketball und Fußball vom Verein Sportgarten angeboten.
Für Externe ist der Zugang zur Zeltstadt nicht gestattet. Gleiches gilt offenbar für Journalisten: Die Bitte des WESER-KURIER um einen Rundgang durch die Zeltstadt wurde vom Sozialressort abgelehnt – mit Verweis auf den Schutz der Privatsphäre der dort lebenden Menschen, die meistens gerade erst hier angekommen sind.