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Hunderte Plätze fehlen Wo in Bremen neue Flüchtlingsunterkünfte entstehen könnten

Für fast 30 Millionen Euro plant das Bremer Sozialressort in den nächsten Jahren zehn neue Standorte für Flüchtlingsunterkünfte. Doch das reicht angesichts des prognostizierten Zuzugs nicht.
20.06.2022, 05:00 Uhr
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Wo in Bremen neue Flüchtlingsunterkünfte entstehen könnten
Von Timo Thalmann
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Bis zum Jahresende werden Bremen nach aktuellem Stand 700 Plätze in den Übergangswohnheimen und noch einmal rund 800 in den Erstaufnahmeeinrichtungen fehlen, um den weiterhin zu erwartenden Zuzug von Flüchtlingen nicht nur aus der Ukraine aufzunehmen. Die Zahlen beruhen auf Prognosen des Sozialressorts und sind als Fortschreibung der bisherigen Entwicklung mit einigen Unsicherheiten versehen.

Am Dienstag wird sich gleichwohl der Senat damit befassen, denn sicher ist, dass bislang noch vorhandene Plätze wie in den Messehallen sowie in Wohnzelten in der Überseestadt im Laufe der zweiten Jahreshälfte wegfallen. Insgesamt ergibt sich daraus rechnerisch ein Verlust von rund 3600, der zum Stichtag 16. Mai vorhandenen 4970 Plätzen für die Erstaufnahme im Land Bremen. Damit verblieben etwa 1300 Plätze. Den dauerhaften Bedarf gibt das Sozialressort mit 2500 Plätzen an. Für die damit verbleibende Lücke von 1200 Plätzen gibt es derzeit nur eine Perspektive für 400 neue Plätze. Das Sozialressort führt dafür neben Mietverhandlungen über ein Hotel in Habenhausen auch Gespräche über die Nutzung eines Gebäudes, in dem bislang ein Baumarkt beherbergt war.

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Wie viele Flüchtlinge sind aktuell in Bremen?

Bis 16. Mai sind laut Sozialressort insgesamt rund 9000 Personen aus der Ukraine im Land Bremen angekommen, von denen 7500 längerfristig aufgenommen wurden, davon 5750 in der Stadt Bremen. Davon wiederum konnten knapp 4000 eine private Unterkunft finden. Über 1750 befanden sich zum Stichtag entweder in einer Einrichtung der Landeserstaufnahme oder einem Übergangswohnheim. Hinzu kommen alle übrigen Flüchtlinge. Auch hier sind die Zahlen gestiegen: Kamen im Jahr 2021 insgesamt 5153 Flüchtlinge in Bremen an, von denen 2651 im Land geblieben sind, waren es von Januar bis April dieses Jahres ohne ukrainische Staatsangehörige schon über 2100 Neuankömmlinge, laut Sozialressort ein Anstieg von 275 Prozent im Vergleich zu den ersten vier Monaten des Vorjahres. Vor allem Menschen aus dem Westbalkan sind darunter, die zwar kaum die Chance auf einem Verbleib haben, aber anders als Flüchtlinge aus Syrien, Afrika oder Afghanistan relativ schnell und leicht hierher reisen können.

Mit welchem weiteren Zuzug wird gerechnet?

Wenn die Zugänge von geflüchteten Menschen für 2022 fortgeschrieben werden, ist mit 535 Personen pro Monat zu rechnen – ohne weitere Ukraineflüchtlinge. Bei dieser Gruppe kalkuliert das Sozialressort mit durchschnittlich 134 Personen, die im Rest des Jahres pro Monat hier ankommen und nicht privat unterkommen. Die Zahl ergibt sich aus dem Bremer Anteil an den insgesamt prognostizierten eine Million Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland. Aktuell sind bereits über 880.000 hier. Daraus berechnet sich ein Gesamtzugang von 669 Menschen pro Monat in Bremen. Da nach den bisherigen Erfahrungen im Laufe des Jahres die Zahlen immer steigen, werde von rund 700 Flüchtlingen pro Monat ausgegangen.

Wie ergibt sich daraus der Bedarf an Plätzen in der Erstaufnahme?

Laut Asylgesetz müssen in der Erstaufnahme Plätze für das Zugangsvolumen von drei Monaten vorgehalten werden. Dies entspricht bei den angenommenen 700 Menschen pro Monat 2100 Plätze. Dazu rechnet das Sozialressort einen Puffer von 400 Plätzen, um durchgehend aufnahmefähig zu sein, denn erfahrungsgemäß verteilt sich der Zuzug nicht gleichmäßig, sodass es immer wieder Spitzen mit höherem Platzbedarf gibt.

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Wie ergibt sich der Bedarf in den Übergangswohnheimen?

Aus allen Zu- und Abgängen aus dem System der Erstaufnahme kalkuliert das Sozialressort mit etwa 200 Personen, die Monat für Monat eine dauerhafte Unterkunft benötigen und auf dem freien Wohnungsmarkt erst einmal nicht fündig werden. Daraus ergibt sich gerechnet ab Juni bis Jahresende ein Bedarf von 1400 Plätzen. Hinzu kommen geschätzte 600 Menschen, die jetzt noch in Notunterkünften der Erstaufnahme untergebracht sind, aber im Laufe des Jahres von dort in Übergangswohnheime wechseln werden. Dem stehen aktuell rund 300 freie Plätze gegenüber, weiter 40 Plätze sollen noch bis Jahresende entstehen. Unterm Strich ergibt sich, dass knapp 1700 zusätzliche Plätze benötigt werden.

Wo sollen neue Übergangswohnheime entstehen?

Das Sozialressort wird dem Senat am Dienstag eine Liste mit zehn neuen Standorten vorlegen, die zusammen rund 1000 Plätze bieten. Unter anderem vorgesehen sind bereits ab Juli langfristige Anmietungen für zehn Jahre beispielsweise des Apartmenthauses 24 bis 26 am Breitenweg. Auch das schon in der Vergangenheit für Flüchtlinge genutzte ehemalige Hotel Horner Eiche soll ab August für zehn Jahre wieder als Übergangswohnheim dienen, ebenso das ehemalige Hotel Deutsche Eiche an der Lilienthaler Heerstraße. Insgesamt werden für alle neuen Unterkünfte Gesamtkosten für Mieten und Investitionen von fast 30 Millionen Euro innerhalb der kommenden zehn Jahre veranschlagt. Dennoch fehlen dann weiterhin rund 700 Plätze.

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Wohnheim statt Borgfelder Landhaus

Die wohl prominenteste Adresse für ein neues Übergangswohnheim für Flüchtlinge ist das Borgfelder Landhaus. Geplant ist laut einer Senatsvorlage, auf dem Grundstück zwischen Lilienthaler Wörpe und Borgfelder Wümme vier neue Gebäudekomplexe zu bauen, "die sich gut in den Stadtteil und die Umgebung integrieren". 127 Plätze für Geflüchtete könnten so in Borgfeld ab dem dritten Quartal 2023 verfügbar sein. Eigentümer des Borgfelder Landhauses ist die Bührmann Gruppe GmbH. Ihr zufolge steht das Gebäude zurzeit leer. Der Catering-Service BCS, der das Borgfelder Landhaus bislang bespielt hat, habe dort im Januar die letzte Kohlparty veranstaltet.

Zu Anfragen über konkrete Abrisspläne zur alten Gaststätte gab es bis zum Redaktionsschluss am Sonntagabend keine Antworten. Nach Angaben des Sozialressorts wurden auch noch keine Verträge mit den potenziellen Projektpartnern geschlossen. Borgfelds Ortsamtsleiter Karl-Heinz Bramsiepe vermutet, "dass sich die Pläne noch ganz am Anfang befinden." Er habe noch keine schriftlichen Informationen erhalten. "Es wäre ein Verlust, wenn das Gebäude des alten Borgfelder Landhauses verschwinden würde", sagt Bramsiepe.

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