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Genossenschaften, Teil 4: Im Bauernladen dürfen alle mitreden / Diskussionen um Preise und Angebot Aus der Region auf den Tisch

Eine alte Idee kommt zu neuen Ehren. Die Vereinten Nationen haben 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Sie wollen damit auf die Bedeutung von genossenschaftlich organisierten Unternehmen aufmerksam machen. In einer Serie stellen wir Bremer Genossenschaften aus verschiedenen Branchen vor.
05.07.2012, 05:00 Uhr
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Von Alexander Klay

Eine alte Idee kommt zu neuen Ehren. Die Vereinten Nationen haben 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Sie wollen damit auf die Bedeutung von genossenschaftlich organisierten Unternehmen aufmerksam machen. In einer Serie stellen wir Bremer Genossenschaften aus verschiedenen Branchen vor.

Bremen. Über den Stromverbrauch der Kühlschränke können sie leidenschaftlich diskutieren und ob das Bund Möhren vielleicht zehn Cent weniger kosten sollte. Die Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft (EVG) bringt zwei Dutzend Landwirte aus der Region mit Hunderten Verbrauchern zusammen. "Es geht uns nicht um ,Hauptsache Bio’, wir wollen wissen, wo unsere Lebensmittel herkommen", sagt Peter Bargfrede. Die Genossenschaft betreibt einen Bauernladen im Ostertor.

Grundsätzlich gibt es dort alles, was man zum Leben braucht. Die meisten Produkte kommen aus der Region. "Wir kennen die Bauern", sagt Bargfrede. Apfelsaft kommt von der Mosterei Finkenburg in Thedinghausen, Ziegenkäse aus Asendorf, Eier gibt es aus Meyenburg und Brot aus Hollen. Gemüse gibt es nur, wenn es auf den Äckern der Region gerade Saison hat. "Tomaten gibt es bei uns im Winter konsequent nicht", sagt Jan Saffe. Aber, wendet er ein, "man kann so einen Laden nicht führen, wenn man gewisse Sachen nicht hat." Tütensuppen sind ein Beispiel oder Bananen. Auch Wein gedeiht in Norddeutschland nicht. Dafür sind Winzer vom Kaiserstuhl Mitglieder der Genossenschaft. Die Kaffeebohnen kauft die EVG bei einer Kooperative in Honduras ein.

Start als Selbstversorger

Angefangen hat alles mit einer kleinen Gruppe in den späten 1970er-Jahren. Sie wollte ökologisch erzeugte Lebensmittel kaufen – doch die gab es in den Supermärkten kaum. Aus der Selbstversorger-Kooperative mit ihren 40 Mitgliedern entstand gut zehn Jahre später die Genossenschaft. "Wir brauchten eine andere Organisationsform", erinnert sich Bargfrede. Die Idee kam aus Österreich. Vorbilder für die EVG gab es in Wien und Linz. Über das Modell der Genossenschaft sei viel diskutiert worden – der Begriff sei durch die damalige Konsumgenossenschaft co-op negativ besetzt gewesen, sagt Bargfrede. 1989 öffnete schließlich der Bauernladen.

Nach Dioxin-Skandalen, verseuchten Futtermitteln, Diskussionen um genmanipulierte Hochleistungspflanzen und der Atomkatastrophe von Fukushima interessieren sich immer mehr junge Menschen und Familien für das Angebot der Genossenschaft. Die Mitgliederzahl steigt. Im vergangenen Jahr sind 30 Bremer neu dazugekommen. Vorher waren es fünf bis acht im Jahr, sagt Bargfrede: "Wir wollten nie eine große Genossenschaft werden und mehr als 500 Mitglieder haben." Inzwischen sind es 585. "Wir müssen erst einmal mit dem Wachstum klarkommen." Schließlich sollte die Genossenschaft überschaubar bleiben, denn jeder hat gleichberechtigtes Stimmrecht, um seine Meinung einzubringen. "Das kann zu riesigen Diskussionen führen." Ursprünglich sei geplant gewesen, die Genossenschaft aufzuspalten, wenn die selbst gesetzte Grenze erreicht ist.

Wer im Bauernladen einkaufen will, muss der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft beitreten. Die Einlage beträgt 50 Euro, anschließend werden elf Euro für Einzelpersonen oder 22 Euro für Mehrpersonen-Haushalte und Wohngemeinschaften fällig. Alternativ kann eine Schicht im Laden übernommen werden.

Besuch auf dem Bauernhof

Durch die Beiträge kann die Genossenschaft die Preise niedrig halten. Auf Einkaufspreise werden zehn Prozent aufgeschlagen, mehr nicht. "Bio muss nicht teuer sein", sagt Petra Schröder, "wir müssen keinen Gewinn machen". Ziel sei es, jedem Menschen erschwingliche, ökologisch hergestellte Nahrungsmittel zu bieten. "Oft sind wir billiger als normale Produkte in den Supermärkten, aber nicht immer." Bei Bio-Fleisch zum Beispiel sei das gar nicht möglich. Dafür können die Genossen die Höfe besuchen und sehen, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten werden.

Bei einem Jahresumsatz von gut 200000 Euro bleibt der Genossenschaft gerade genug Geld übrig, um die Ladenfläche abzubezahlen und den Verein Sozial-Ökologie zu unterstützen. Bargfrede: "Wenn wir 5000 Euro Gewinn hätten, dann stimmt etwas an unserer Preiskalkulation nicht." Dass vom Umsatz im Bauernladen kein Landwirt leben kann, ist ihm klar. "Aber es ist ein zusätzliches Standbein und schärft das Bewusstsein für regionale Produkte."

Morgen berichten wir am Beispiel einer Bremer Wohnungsgenossenschaft wie es ist, wenn der Mieter gleichzeitig Anteilseigner ist.

n Im Bereich der Landwirtschaft gibt es weitere Genossenschaften, die nicht direkt vom Landwirt an die Verbraucher verkaufen. Etwa das Deutsche Milch-Kontor, das aus den Genossenschaften Humana-Milchunion und Nordmilch entstanden ist. Rund 12000 Landwirte gehören der Organisation an. Auch Molkereien sind Teil der Genossenschaft. Für die Versorgung mit Futtermitteln gibt es in Bremen und umzu etwa die Heidesand Raiffeisen-Warengenossenschaft, die 800 Mitglieder zählt.

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