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Handelskammer-Gutachten Rechtliche Zweifel an Ausbildungsabgabe vom Bremer Senat

"Schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken" - das ist ein Fazit des Rechtsexperten Christian Waldhoff. Er hat sich im Auftrag der Handelskammer mit der geplanten Ausbildungsabgabe beschäftigt.
07.03.2023, 15:59 Uhr
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Rechtliche Zweifel an Ausbildungsabgabe vom Bremer Senat
Von Peter Hanuschke

Ein Verfassungsrechtler hat "schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken" gegen die vom Bremer Senat geplante Ausbildungsabgabe öffentlich gemacht. Der Berliner Rechtswissenschaftler Christian Waldhoff war von der Handelskammer Bremen und der IHK Berlin damit beauftragt worden, den Gesetzentwurf der Landesregierung juristisch zu überprüfen. Das Ergebnis wurde am Dienstag vorgestellt.

Die Wirtschaftsvertretung lehnt die geplante Ausbildungsabgabe ebenso ab wie etwa 30 weitere Wirtschaftsverbände von Apothekern und Rechtsanwälten über den Verein Bremer Holzhändler bis hin zur Kreishandwerkerschaft Bremen und Zahnärztekammer Bremen. Die Handelskammer schließt nicht aus, im Falle einer Gesetzesverabschiedung gerichtlich dagegen vorzugehen.

Der Bremer Senat war vor Wochen zu einem anderen Ergebnis gekommen: Laut Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hat Bremen als Land das Recht zu einem solchen Fonds. Das habe man im Vorfeld von Verfassungsrechtler klären lassen. Nach den Vorstellungen des Bremer Senats soll sich der Fonds aus einer Unternehmensabgabe finanzieren: Danach sollen Unternehmen 0,3 Prozent der jährlichen Bruttolohnsumme zahlen. Diejenigen Betriebe, die ausbilden, bekommen jährlich pro Azubi 2500 Euro aus diesem Topf zurück. Mit dem Fonds sollen Maßnahmen finanziert werden, die Potenziale junger Menschen mit schwierigen Startbedingungen als auch kleine Betriebe mit gezielten Maßnahmen unterstützen, um eine zukunftsgerichtete Fachkräftesicherung zu stärken, heißt es von Senatsseite.

Der Gesetzesentwurf hatte vor zwei Wochen die erste Hürde genommen: Mit 47 Ja- und 28 Nein-Stimmen wurde dem Papier in der Bürgerschaftssitzung in erster Lesung zugestimmt. Erste Lesung bedeutet, dass der Gesetzesentwurf zur weiteren Beratung in die Wirtschaftsdeputation überwiesen wird. Diese Sitzung wird an diesem Mittwoch veranstaltet, wegen des großen Interesses findet die entsprechende Anhörung im Festsaal der Bürgerschaft statt. Nach der Anhörung geht der Gesetzesentwurf zurück ins Plenum, wo dann die nächste und voraussichtlich letzte Abstimmung stattfinden wird.

Bremen verfüge derzeit zwar über die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung einer Ausbildungsabgabe, so Waldhoff, der einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin hat. Doch angesichts des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung einer „Ausbildungsgarantie“ auf Bundesebene, die zu einem Ausschluss konkurrierender Landesregelungen führen könne, "ist die nicht akut gebotene Einführung einer Ausbildungsabgabe auf Landesebene jedoch rechtspolitisch unklug." Der Bremer Entwurf sei zudem nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Erhebung von Sonderabgaben vereinbar. Die vom Entwurf ausgewählte Gruppe von Abgabenschuldnern stelle keine homogene Gruppe dar, weil sie ohne erkennbaren Sachgrund einzelne Ausbildungsbetriebe der öffentlichen Hand von der Erhebung ausschließt, so die Begründung des Rechtswissenschaftlers.

Die herangezogene Gruppe von Abgabenschuldnern treffe zudem keine besondere Finanzierungsverantwortung für das sehr allgemein gehaltene legislative Sachziel einer „besseren Versorgung“ mit Fachkräften, so der Rechtsexperte weiter. Der Fachkräftemangel habe vielfältige gesellschaftliche Ursachen – etwa den demografischen Wandel –, die nicht im besonderen Verantwortungsbereich der Arbeitgeber liegen. Der Verantwortungsbereich der Unternehmen beschränke sich darauf, eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen bereitzustellen.

Zum weiteren Vorgehen sagte Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, dass man an diesem Mittwoch innerhalb der Deputationssitzung versuchen werde, das Gesetzesvorhaben zu stoppen. "Überzeugungsarbeit ist unser erstes Anliegen", so Fonger. Falls das Gesetz doch in den nächsten Wochen auf den Weg gebracht werden sollte, "werden wir in der nächsten Woche uns in unseren Gremien präventiv damit beschäftigen und eine Entscheidung darüber herbeiführen, wie die weiteren Schritte sein werden und wie ein möglicher Klageweg aussehen kann." Rechtsexperte Waldhoff bestätigte, dass die Bremer Handelskammer vor dem Staatsgerichtshof Bremen eine gerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes herbeiführen könne.

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