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Branche in Schwierigkeiten Warum Bäcker in Bremen in der Krise stecken

Die Zahl der Bäckereien schrumpft seit vielen Jahren, auch in Bremen. Woran das liegt und wo die Chancen für die Branche stecken, erklärt der Handwerksexperte Lukas Meub von der Uni Göttingen.
16.05.2023, 05:00 Uhr
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Warum Bäcker in Bremen in der Krise stecken
Von Christoph Barth

Herr Meub, in Bremen und anderswo müssen Bäckereien schließen, das Handwerk steckt in der Krise. Woran liegt das?

Lukas Meub: Das Bäckerhandwerk befindet sich seit Jahrzehnten in einem anhaltenden Strukturwandel: Die Zahl der Betriebe und Beschäftigten nimmt tendenziell ab, während die Konkurrenz durch Supermärkte oder andere handwerksfremde Anbieter zunimmt. Betriebe werden häufig nicht mehr übergeben und so bleiben Modernisierungsmaßnahmen aus. Mangelnder Nachwuchs und gescheiterte Betriebsübergaben sind dabei natürlich ein generelles Problem im Handwerk und nicht spezifisch für die Bäcker. Trotzdem zeigt sich die Problematik hier besonders ausgeprägt: Die Arbeitsbedingungen sind mit speziellen Herausforderungen verbunden, zum Beispiel den Arbeitszeiten, und die Löhne liegen eher auf einem niedrigen Niveau.

Und diese Probleme werden jetzt durch die gestiegenen Energiepreise verschärft?

Die gestiegenen Energiepreise beziehungsweise die damit verbundene Unsicherheit treffen das energieintensive Bäckerhandwerk ganz besonders. Betriebe werden eher aufgegeben, Neugründungen verschoben oder überhaupt nicht realisiert. Allerdings verstärken diese Effekte nur den langhaltenden Trend im Bäckerhandwerk. Diese Unsicherheiten bezüglich der Verlässlichkeit von Lieferketten und der Stabilität von Energiepreisen wird fortbestehen. Das wiederum führt tendenziell zu weniger Investitionen und schwächt damit die Zukunftsfähigkeit des Bäckerhandwerks. Kurzum: Kurzfristige monetäre Effekte sind das offensichtliche Problem, langfristig negativ wirkt sich die ausgelöste Unsicherheit aus – auch bei wieder fallenden Energiepreisen.

In Bremen schaffen es dennoch einige Betriebe – vor allem aus dem Umland – zu expandieren. Was machen die besser?

Konzentrationsprozesse oder „Filialisierung“ charakterisieren das Bäckerhandwerk. In größeren Strukturen können Skaleneffekte genutzt werden, das heißt, die Fixkosten verteilen sich auf eine größere Produktionsmenge, dadurch entstehen niedrigere durchschnittliche Kosten. Zum Beispiel kann eine effizientere Verwaltung etabliert werden – gemessen am Umsatz oder den Beschäftigtenzahlen – oder moderne Maschinen werden besser ausgelastet. Überhaupt lohnt sich der Maschineneinsatz eher und wird relativ günstiger bei steigendem Fachkräftemangel. Welche Betriebe sich durchsetzen, hängt sicherlich mit der Absicht und Fähigkeit zu investieren zusammen – und diese wiederum mit der Perspektive einer Betriebsübergabe und der langfristigen Werterhaltung eines Betriebs.

Wie können die handwerklichen Bäckereibetriebe ihre Situation verbessern?

Das ist vor allem eine betriebswirtschaftliche Fragestellung, die aus volkswirtschaftlicher Perspektive nur schwer beantwortet werden kann. Ansätze sind aber sicherlich eine verbesserte Marketingstrategie, zum Beispiel in den Sozialen Netzwerken, ein effizienterer Ressourceneinsatz, auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz, eine starke Profilbildung etwa durch die Verwendung regionaler Produkte, Investitionen in Modernisierungsmaßnahmen und so weiter. Der entscheidende Faktor wird voraussichtlich die Fähigkeit zur Fachkräftebindung und -gewinnung sein. In vielen Gewerken hat sich längst ein schärferer Wettbewerb um Fachkräfte als um Aufträge etabliert.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Es ist damit zu rechnen, dass der Konzentrationsprozess fortschreitet, da die Auswirkungen des demografischen Wandels sich deutlich verschärfen werden. Die Konkurrenz um Nachwuchs wird innerhalb des Handwerks zunehmen, aber vor allem auch gegenüber anderen Akteuren wie der Industrie, dem öffentlichen Dienst, der Bundeswehr und so weiter. Daher ist mit weniger Betrieben, weniger Auszubildenden und Beschäftigten zu rechnen. Dazu kommt: Produkte des Bäckereihandwerks können leichter durch industrielle Verfahren ersetzt werden, als dies für andere Gewerke möglich ist. Somit führt die Fachkräfteknappheit im Bäckerhandwerk voraussichtlich nicht im gleichen Maße zu steigenden Löhne, wie dies für andere Gewerke erwartet wird. Das Lohnniveau bei den Bäckern wird weiter sinken – nicht absolut, aber relativ zu anderen Gewerken, die dadurch für den Nachwuchs interessanter werden.

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Und die größeren Betriebe haben da bessere Chancen?

Größere Betriebe sind tendenziell besser in der Lage, auf Unsicherheiten zu reagieren und Engpässe zu überbrücken. Konzentrationsprozesse können auch als Chance verstanden werden. So sind größere Betriebe tendenziell innovativer und haben eine modernere Ausstattung. Der zunehmende Wettbewerbsdruck, vor allem bei der Gewinnung von Nachwuchskräften, wird innovative Konzepte voranbringen. Es wird verstärkt auf Präsenz in Sozialen Medien gesetzt oder auf Technologien der fortgeschrittenen Digitalisierung – zum Beispiel mit Software-Programmen wir BäckerAI, die künstliche Intelligenz bei der Betriebsführung einsetzen. Die Entwicklung zu größeren Ketten begünstigt natürlich auch eine Gegenbewegung. Bewusst traditionell arbeitende Betriebe können so einen Wettbewerbsvorteil erlangen und eine spezifische Kundengruppe ansprechen. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass generell das Bäckerhandwerk verschwindet.

Das Gespräch führte Christoph Barth.

Zur Person

Lukas Meub

ist promovierter Volkswirt und Geschäftsführer des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk (IFH) an der Universität Göttingen. In seiner angewandten Forschung veröffentlicht Meub unter anderem zu Themen der Innovations- und Umweltökonomik sowie der Digitalisierung des Mittelstands und Handwerks.

Zur Sache

Das deutsche Bäckerhandwerk ist in den vergangenen acht Jahren um 3000 Betriebe geschrumpft, ein Rückgang um etwa ein Viertel. Durch die Energiekrise habe sich der Prozess noch beschleunigt, sagt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. In Bremen verabschiedete sich im vergangenen Jahr die Traditionsbäckerei Otten vom Markt. Auf Expansionskurs befinden sich dagegen Bäckereibetriebe aus dem Umland: So betreibt etwa die Bäckerei Müller und Egerer aus Rastede, die in diesem Jahr 75 Jahre alt wird, mittlerweile 67 Filialen im nordwestdeutschen Raum, davon 17 in Bremen. Die Delmenhorster Bäckerei Haferkamp bringt es auf 45 Filialen, davon 19 in Bremen; Meyer Mönchhof aus Ganderkesee auf 50 Filialen, davon ebenfalls 19 in Bremen.

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