Bremen. Ein Unternehmensteil der Bremer Reederei Beluga bereits insolvent, die anderen vermutlich finanziell angeschlagen. Fällt jetzt eine Reederei, über anderthalb Jahrzehnte von Niels Stolberg geführt und groß gemacht, wie ein gigantisches Kartenhaus in sich zusammen? Branchenkenner gehen davon aus. Denn die einzelnen Gesellschaften sind zu eng miteinander verwoben. Und ohne das Kerngeschäft "Chartering", Herzstück der Reederei, fehlen angesicht von Millionenkosten die Einnahmen.
"Dabei hätte man die Reederei wunderbar retten können", sagt der Hamburger Schiffs- und Finanzexperte Jürgen Dobert. Dafür aber hätte der US-Finanzinvestor Oaktree, neuer Herr im Hause Beluga, die Schiffseigner und Banken mit einem vernünftigen Angebot von einer gemeinsamen Sanierung überzeugen müssen. "Stattdessen sollten sie in Wildwest-Manier gezwungen werden, ihr eigenes Todesurteil zu unterschreiben", sagt der Branchenkenner. Sie sollten Bedingungen akzeptieren, die ihre eigene wirtschaftliche Existenz bedroht hätte.
Wie geht es nun weiter? Für den gestern als zahlungsunfähig deklarierten Teil der Beluga-Gruppe, die Befrachtungsgesellschaft, versucht nun Insolvenzverwalter Edgar Grönda zu retten, was zu retten ist. Gelingt ihm das nicht, dürften alle anderen Gesellschaften sehr schnell in die Insolvenz folgen, glauben die meisten Experten.
"Beluga Shipping" haftet für andere
Beispiel "Beluga Shipping", deren 100-prozentige Tochter das "Chartering" war. Laut Unternehmensbeschreibung bündelt sie das operative Geschäft. Dazu zählen Verwaltung und Personalwesen, auch für die Schiffsbesatzungen, und sonstige Dienstleistungen für andere Unternehmenszweige. Mit fünf Millionen Euro Stammkapital ist sie die finanziell am besten ausgestattete Beluga-Gesellschaft. Denn die "Shipping" hat sogenannte Patronatserklärungen übernommen, muss also für die finanziellen Verbindlichkeiten anderer Gesellschaften aufkommen. Zum Beispiel für fällige Kredite, ausstehende Ratenzahlungen oder zu erwartende Schadenersatzansprüche wegen Zahlungsverzugs.
Eigene Einnahmen erzielt die "Beluga Shipping" dagegen lediglich aus Schiffsbeteiligungen. Das dürfte kaum ausreichen, um Forderungen begleichen zu können. Fällt die Shipping, fällt auch die Firmenholding Beluga-Group, die zwar gesellschaftsrechtlich das Unternehmen dominiert, aber nur ein Verwaltungskonstrukt ist. Wie Dominosteine dürften alle anderen Gesellschaften folgen. Dazu zählt dann auch die Maritime Education GmbH, die alle Ausbildungsaktivitäten von der Sea Academy über das Beluga College bis hin zum geplanten Offshore Trainingszentrum in Elsfleth unter einem Dach vereint.
Geschäftsmodell gescheitert
Aus Sicht von Dobert ist die heutige Situation der Beleg, dass das lange erfolgreiche Geschäftsprinzip von Stolberg gescheitert ist. Der Bremer Reeder habe hohe Raten versprochen und so immer neue Geldgeber angelockt, zuletzt Oaktree. In schlechten Zeiten hätten fehlende Einnahmen ausgeglichen oder nachgezahlt werden können. Mit einer Expansion in Krisenzeiten habe sich Stolberg dann aber übernommen. Frisches Kapital war nicht aufzutreiben, die Ratenvereinbarungen konnten nicht mehr erfüllt werden. Nach Informationen unserer Zeitung hatte aber Beluga unter Stolberg zumindest immer Zins und Tilgung für sämtliche Kredite gezahlt, erst seit wenigen Wochen soll Beluga auch diese Überweisungen eingestellt haben.
Wie bislang auch schon, darf nun munter weiter spekuliert werden, welche Strategie der Kapitalinvestor Oaktree eigentlich mit der Machtübernahme bei Beluga verfolgt hat - und was nun beabsichtigt sein könnte. Üblicherweise engagieren sich Kapitalinvestoren drei bis fünf Jahre, um ausreichend Rendite aus einem Unternehmen abzuschöpfen. "Bei Beluga haben sie sich aber offenbar komplett verkalkuliert", sagt der Bremer Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel. Was könnte passieren?
Variante 1:Oaktree bleibt, wie früher angekündigt, als Investor und Gesellschafter an Bord und versucht weiter, Beluga mit einer stark reduzierten Belegschaft auf das Kerngeschäft zu reduzieren, rentabel zu machen, möglichst große Rendite zu erzielen und schließlich zu verkaufen. Das scheint aber angesichts der aktuellen Entwicklung und dem Verlust fast der gesamten Beluga-Flotte kaum noch möglich und wäre zudem von einem erfolgreichen Wirken des Insolvenzverwalters abhängig.
Variante 2:Oaktree lässt es zur Insolvenz kommen, steigt aus und versucht, die eigenen Verluste möglichst gering zu halten. Die Eigenkapitalbeteiligung bei Beluga ist relativ gering, der größte Teil des Geldes wurde in hochverzinste und zum Teil bereits zurückgezahlte Darlehen sowie in neue, sehr moderne und leistungsfähige Frachter investiert, die Oaktree jetzt gehören. Diese Schiffe im oberen und damit sehr lukrativen Schwergutsegment könnten gut verkauft oder verchartert werden. Dafür würde Beluga nicht mehr gebraucht.