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Verbandspräsident Schmitz räumt Versäumnisse der Institute ein und kündigt an, Vertrauen wieder herzustellen "Banken haben Fehler gemacht"

Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken BdB, lobt es als bemerkenswert, was am kleinen Bankenstandort Bremen alles passiert. Heute feiert der BdB-Landesverband im Rathaus sein 60. Jubiläum. Mit Schmitz sprach Günther Hörbst.
03.07.2012, 05:00 Uhr
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Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken BdB, lobt es als bemerkenswert, was am kleinen Bankenstandort Bremen alles passiert. Heute feiert der BdB-Landesverband im Rathaus sein 60. Jubiläum. Mit Schmitz sprach Günther Hörbst.

Der Bankenverband in Bremen feiert heute seinen 60. Geburtstag. Angesichts der Probleme in Ihrer Branche könnten Sie sich wohl bessere Gelegenheiten für einen solchen Termin vorstellen, oder?Andreas Schmitz:

60 Jahre gemeinsam etwas bewegt zu haben, ist immer ein Anlass mit Freude zurückzublicken. Und das, was in der Bankenlandschaft im kleinen Bremen passiert, ist schon bemerkenswert.

Was ist das Besondere in Bremen?

Es hebt sich durch seine vielfältigen Aktivitäten und sein Zusammengehörigkeitsgefühl ab – in guter hanseatischer Tradition. Aber um auf Ihre Frage einzugehen: Die Umstände, denen wir als Banker ausgesetzt sind, sind derzeit überhaupt nicht einfach. Doch das haben Generationen vor uns auch schon mitgemacht.

Aber für Sie und Ihre Generation der Bankmanager dürfte doch die aktuelle Krise das Schlimmste sein, was Sie bislang mitgemacht haben?

Ohne Wenn und Aber ja. Obwohl wir in Deutschland immer noch auf einer Insel der Seligen leben. Wir profitieren auch als Banken von der Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Deshalb fließt viel Kapital aus anderen Ländern zu uns.

Am 30. Juni hat sich der Niedergang der Industriebank IKB zum fünften Mal gejährt. Fünf Jahre dauert also die Bankenkrise schon an. Eine lange Zeit.

Einen so langen Zeitraum mit einer so ungewissen Situation im weltweiten Finanzsystem haben wir seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht gesehen. Auch wenn die Folgen bei uns nicht immer so spürbar waren, in anderen Ländern aber sehr wohl.

Sehen Sie denn schon ein Ende? Wann hört diese Krise der Banken auf?

Das ist sehr schwer zu sagen, weil es ja schon lange eine Staatsschulden- und keine Bankenkrise mehr ist.

Warum?

Diese Krise begann 2007 als Kollaps amerikanischer Immobilienbanken, ging über in eine weltweite Finanzkrise, weitete sich 2009 in die größte Rezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1934 und mündete schließlich in eine Staatsschuldenkrise, die den innersten Kern unserer Volkswirtschaften nachhaltig angreift. Das ist ein sehr kompliziertes Geflecht. Da gibt es keine einfachen und schnellen Lösungen, auch kein Patentrezept.

Sondern?

Nun, wir sind alle einen Berg hinaufgestiegen. Jetzt müssen wir alle gemeinsam den Berg wieder hinuntersteigen, um auf ein anderes Niveau zu gelangen. Von dort aus kann man versuchen, wieder auf einen neuen Berg zu gehen. Das heißt: Die Staaten müssen ihre Haushalte in Ordnung bringen, in ihren Reformanstrengungen nicht nachlassen, damit die Märkte wieder Vertrauen fassen.

Um Ihr Bild zu bemühen: Wo bleiben denn bei dieser Seilschaft Ihre Kunden? Sie sind extrem unzufrieden mit Banken und Beratern. Was ist da kaputt gegangen zwischen der Bank und ihren Kunden?

In der Krise ist viel vom Vertrauen in die Banken allgemein zerstört worden. Dazu haben unstreitig auch Fehler von Banken und Sparkassen geführt.

Was genau meinen Sie? Welche konkrete Schuld der Banken gibt es dabei?

Banken wie Regulatoren haben aus der Finanzkrise gelernt: Das gesamte System wurde mit viel zu wenig Eigenkapital betrieben, jetzt sind die Risikopuffer deutlich aufgestockt worden. Die Risikomanagementsysteme waren in vielen Häusern unzureichend, nun haben sie einen höheren Stellenwert und sind deutlich verbessert worden. Und es wurden teilweise Produkte angeboten, deren Komplexität von den Instituten selbst nicht mehr überblickt werden konnte. Schließlich ist das Anlagegeschäft auch mit Risiken verbunden. Über diese Risiken wurde da und dort nicht ausreichend informiert. Vielleicht auch, weil die Risiken gar nicht gesehen wurden, oder weil man sie für berechenbar hielt.

Viele Kunden werfen genau das ihren Banken vor: Risiken wurden verschwiegen.

Eins vorneweg: Jeder Kunde hat in Deutschland das Recht, anleger- und anlagegerecht beraten zu werden. Das schließt klar eine verständliche und umfassende Information über die Risiken der Geldanlage mit ein. Gerade hier ist viel passiert; mit Anlageberatungsprotokollen, den Produktinformationsblättern und auch dem kommenden Register für die über 300000 Kundenberater der deutschen Kreditwirtschaft. Wir setzen aber auch auf den mündigen Verbraucher. Banken haben ein legitimes Interesse, Geld an den Produkten zu verdienen. Das weiß jeder Kunde. Wer sich ein Auto oder eine neue Einbauküche kaufen will, weiß, dass der Verkäufer das nicht zu Selbstkostenbedingungen macht, sondern, weil er etwas verdienen will. Der Kunde reagiert darauf, er überlegt sich, was er will, informiert sich und vergleicht verschiedene Angebote. Bankberater werden sich nicht zu Banknotaren verwandeln.

Sie meinen, die Kunden wollen möglichst gar kein Risiko haben?

Bundespräsident Gauck hat einmal gesagt: Die Deutschen sind ein Volk von Angsthasen. Recht hat er. Sie wollen absolute Sicherheit – aber am besten größtmögliche Rendite. Doch das geht nicht. Es ist einfach so, steigende Rendite erkaufen Sie immer mit einem steigenden Risiko. Wobei: Die deutschen Banken sind – bei aller Kritik, die es natürlich gibt – im internationalen Vergleich bei Kundenservice wie auch bei den Konditionen weit vorn.

Das erklären Sie mal jemandem, der für sein Tagesgeld kaum Zinsen bekommt, aber dafür hohe Dispozinsen zahlen muss, wenn er mit dem Girokonto mal ins Minus kommt.

Gerade beim Dispozins ist die Bandbreite dessen, was Sie zahlen müssen, sehr groß. Und: Er ist nur dafür gedacht, kurzfristige Engpässe zu überbrücken, langfristig ist er viel zu teuer. Zudem kann ich den deutschen Kunden nur sagen: Reisen bildet. Sie profitieren vom starken Wettbewerbsdruck: In England, Italien und anderen Staaten finden Sie kein vergleichbares Preis-Leistungs-Verhältnis, auch keinen vergleichbaren Service.

Die deutschen Verbraucher sind also viel zu verwöhnt in Ihren Augen.

Nein, aber sie sind anspruchsvoll. Das ist in Ordnung, an diesen Ansprüchen wollen wir uns messen lassen, denn nur zufriedene Kunden kommen wieder. Was ich nicht akzeptieren kann, ist Einzelfälle herzunehmen und zu behaupten, deshalb wäre gleich das gesamte System verkehrt. Unser Bankensystem ist leistungsfähig.

Aber weshalb ist dann die Unzufriedenheit mit Banken so groß?

Banken wurden in der Krise mit Milliarden Euro gerettet, für andere Leistungen war jedoch kein Geld da. Ich verstehe, dass das viele nicht nachvollziehen können. Dass Banken der Blutkreislauf der Wirtschaft sind, mithin unverzichtbar, darüber ist viel zu wenig gesprochen worden.

Was tun die Banken denn gegen diese Vertrauenskrise?

Wir leben vom Vertrauen der Kunden...

...das aber arg zerrüttet ist.

Nein. Man muss unterscheiden zwischen dem Vertrauen in die Bankenbranche und in die eigene Bank. Nach unseren repräsentativen Befragungen vertrauen auch nach der Finanzkrise 88 Prozent der Deutschen ihrer Hausbank. Damit ist es viel größer, als das Vertrauen in die Branche allgemein, das liegt mittlerweile bei 50 Prozent. Wir haben 650000 Mitarbeiter im deutschen Bankgewerbe. Die machen täglich einen guten Job. Das wird von den Kunden akzeptiert.

Dennoch ist es Fakt, dass der Eindruck, den die Kunden von Banken haben, von Frust und Unzufriedenheit geprägt ist. Sie müssen doch ein Interesse daran haben, diesen Eindruck zu zerstreuen.

Natürlich. Aber diesen Eindruck kann ich nicht mit noch so vielen Reden zerstreuen. Der kann nur an der Front durch Taten beseitigt werden. Da ist viel passiert. Auf der Bankenseite ist ein neues Bewusstsein entstanden, was man welchem Kunden in welcher Situation empfehlen kann. Wenn ein Banker ein Produkt empfiehlt, das er zum einen nicht versteht oder das eigentlich für den Kunden auch nicht wirklich geeignet ist, dann ist er am falschen Platz.

Was wollen Sie dann machen?

Dafür sorgen, dass sie eben diese Aufgabe nicht mehr wahrnehmen. Oder wenn wir sehen, dass eine Bank als Ganzes ein solches Geschäftsmodell betreibt, von uns aus darauf hinwirken, dass sich das ändert. Es ist auch eine Aufgabe der Branche, schwarze Schafe zur Räson zu rufen. Denn alles, was diese tun, fällt auf alle anderen zurück. Das wird aber dauern.

Was wird dauern?

Neues Vertrauen herzustellen. Das geht nicht von heute auf morgen. Schon gar nicht in einer Atmosphäre, in der täglich Negatives über Banken zu lesen oder zu hören ist. Das lesen und hören ja auch unsere Kunden.

Noch einmal zurück zur Politik: Was halten Sie denn von der Idee der EU, eine europaweite Bankenaufsicht zu installieren? Dadurch soll die Kontrolle auch im Sinne der Verbraucher besser werden.

Das ist nichts anderes als die Einführung von Eurobonds durch die Hintertür. Also eine Vergemeinschaftung der Risiken. Es ist nichts anderes als die Erwartung, dass für Risiken von Banken in anderen Euro-Ländern der deutsche Steuerzahler einspringt. Und das darf es nicht noch einmal wie beim Geburtsfehler des Euro geben. Dass wirtschaftlich eine Gemeinschaft vorweggenommen wird, ohne mehr politische Europäische Union zu haben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Erst muss eine politische, eine Fiskalunion geschaffen werden. Erst brauchen wir auch auf europäischer Ebene Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten, dann Haftung. Bis das nicht geregelt ist, müssen wir mit einer Bankenunion gar nicht erst anfangen.

Und wie sehen Sie die Zukunft des Euro?

Wir Deutschen, wir Europäer sollten um den Euro kämpfen. Und die derzeitige Krise als Chance für ein Mehr an Europa begreifen. Mit glaubwürdigen Strukturen, unumkehrbaren Reformen und einem gemeinsamen Vorgehen, dem sich dann auch alle verpflichtet fühlen. Gelingt dies, dann mache ich mir um die Zukunft des Euro keine Sorgen.

"Banken haben Fehler gemacht"

Verbandspräsident Schmitz räumt Versäumnisse der Institute ein und kündigt an, Vertrauen wieder herzustellen

Zur Person: Andreas Schmitz (53) ist seit Juli 2006 Vorstandssprecher der Bank HSBC Trinkaus. Seit März 2009 steht der Jurist und Volkswirt als Präsident dem Bundesverband deutscher Banken vor.

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