London. Der Finanzplatz London hat einen neuen Bankenskandal, einer der einflussreichsten Bankmanager der Welt muss gehen: Bob Diamond, Vorstandschef der britischen Großbank Barclays, ist gestern mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Der öffentliche Druck wegen möglicherweise manipulierter Zinssätze im Handel zwischen Banken (Libor) war in den vergangenen Tagen immer größer geworden. "Bob Diamond hat die richtige Entscheidung für Barclays und die richtige Entscheidung für das Land getroffen", sagte der britische Finanzminister George Osborne.
Der Druck auf Barclays habe ein Niveau erreicht, das die Zukunft des Unternehmens bedrohe, heißt es gestern in einer Mitteilung der Bank. "Das durfte ich nicht geschehen lassen", erklärte der scheidende Vorstandschef. Barclays hatte an den Börsen im Zuge der Affäre in den vergangenen Tagen erhebliche Verluste einstecken müssen. Bei der Bank hinterlässt der 60-jährige Diamond ein Machtvakuum.
In der vergangenen Woche waren Barclays von der britischen und der US-amerikanischen Finanzaufsicht sowie vom US-Justizministerium Strafzahlungen in Höhe von 290 Millionen britischen Pfund (rund 345 Millionen Euro) auferlegt worden. Der Liborsatz ist der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Untersuchungen in diesem Fall laufen noch gegen mehrere andere Großbanken, darunter auch die Deutsche Bank. Die britische Finanzaufsicht war zu dem Schluss gekommen, dass die Verfehlungen bei Barclays "ernst und großflächig" gewesen seien. Unklar ist gegenwärtig, ob dem Vergleich mit den Behörden noch Schadensersatzforderungen von Marktteilnehmern folgen können.
Die Suche nach einem Nachfolger für Diamond gestaltet sich derart schwierig, dass der ebenfalls bereits vor seinem Rücktritt stehende Verwaltungsratschef Marcus Agius reaktiviert werden musste. Agius hatte am Montag erklärt, er werde die Konsequenzen aus der Affäre ziehen und abtreten. Jetzt muss er die operativen Geschäfte führen, bis ein Nachfolger für Diamond gefunden ist.
Dieser muss sich bereits heute vor dem Finanzausschuss des britischen Parlamentes verantworten. Viele Politiker werfen ihm vor, dass er als Chef der Investmentsparte von Barclays in der fraglichen Zeit der Jahre 2005 bis 2009 die Manipulationen ermöglicht hat. Die Labour-Opposition möchte, dass über die parlamentarische Untersuchung hinaus ein richterlicher Untersuchungsausschuss einberufen wird, der sich mit der Unternehmenskultur der für die britische Wirtschaft so wichtigen Finanzinstitute beschäftigt. "Es geht nicht nur um einen Einzelnen. Es geht um die Kultur in der gesamten Branche", sagte Oppositionsführer Ed Miliband.