In Emden wachsen die Sorgen um den Windkraft-Pionier Bard. Bislang konnte kein Investor für das angeschlagene Unternehmen gefunden werden. Nun soll es in Teilen verkauft und zerstückelt werden.[GRUNDTEXT]
Emden. Als die Investorensuche gestartet wurde, war man bei Bard noch optimistisch, schnell einen solventen Käufer präsentieren zu können. Und in Branchenkreisen war bald von Schwergewichten aus dem Energiesektor die Rede, die sich den Offshore-Pionier genauestens angesehen haben sollen. Der koreanische Konzern DSME war darunter, der US-Technologieriese General Electric kam ins Spiel, auch Dong aus Dänemark. Doch keiner der potenziellen Interessenten hat angebissen. "Wir wollen Bard mit allen Unternehmensteilen und Arbeitsplätzen erhalten und weiterentwickeln", erklärte noch im vergangenen Herbst Geschäftsführer Bernd Ranneberg. Doch nicht einmal eine Verlängerung des Investorenverfahrens hat geholfen. Seit gestern gilt der Versuch, Bard in Gänze zu verkaufen, als gescheitert, für Ranneberg kommt ein neuer Chef.
Ab 1. Juli steht Michael Baur vom Beratungsunternehmen "AlixPartners" an der Spitze von Bard. Er soll nun offenbar versuchen, wenigstens Teile des Unternehmens zu versilbern. Was von Bard am Ende noch übrig bleibt und wie viele der mehr als 1000 Arbeitsplätze gerettet werden können, ist völlig offen. Vorerst soll die Mannschaft den ersten Offshore-Windpark "Bard Offshore 1" mit 80 Anlagen unbedingt fertigstellen, die Banken ziehen mit – denn sonst muss alles wieder abgebaut werden. Als Eröffnungstermin wird nun der Jahreswechsel 2013/14 genannt – und damit zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Von 80 Anlagen stehen vor Borkum erst 42 im Wasser, 15 sind am Netz. Kostspielige Probleme bei der Installation dieses ersten kommerziellen Windparks und eine offenbar falsche Unternehmensstrategie haben Bard in Existenznot gebracht.
So früh wie kein anderer Akteur hat sich die 2003 in Bremen gegründete Firma ins Offshore-Geschäft gewagt. Zudem wollte Firmengründer Arngolt Bekker, ein im Gasgeschäft reich gewordener Russe, einen Systemanbieter schaffen, der Windparks nicht nur projektiert und finanziert, sondern sie auch mit Windrädern aus eigener Produktion bestückt und sie schlüsselfertig übergibt. Bekker, der entlang der gesamten Wertschöpfungskette verdienen wollte, stellte Hunderte Mitarbeiter ein, baute Fertigungshallen in Cuxhaven (Fundamente) und Emden (Rotorblätter, Turbinen) und gab eigene Schiffe in Auftrag – noch ehe ein einziger Euro verdient war. Zudem übernahm Bekker das gesamte finanzielle Risiko in einem völlig neuen Geschäftsfeld. Ein fataler Fehler. Gleich beim ersten Projekt liefen Zeitplan und Kosten völlig aus dem Ruder.
Statt der veranschlagten 1,3 Milliarden Euro kostet der Windpark vor Borkum inzwischen 2,9 Milliarden Euro und damit fast eine Milliarde mehr, als bei einem Verkauf wieder eingespielt werden kann. Nachdem die finanzierende Hypo-Vereinsbank (HVB) die eigene Risikovorsorge um knapp 70 Prozent auf 710 Millionen Euro hatte aufstocken müssen, wurde Firmengründer Bekker (76) mitsamt seinem Management auf Druck der Banker aus der Firma gedrängt und musste seine Anteilsmehrheit (87 Prozent) einem Treuhänder übertragen. Dieses Paket stand zum Verkauf – letztlich ohne Erfolg.
Der scheidende Bard-Chef Ranneberg führt die gescheiterte Investorensuche darauf zurück, dass es kaum Erfahrungen mit Nordsee-Windparks gegeben habe, hinzu kämen komplizierte Genehmigungsverfahren und der schleppende Netzausbau. Aber auch der Markt schwächelt erheblich durch die Verzögerungen bei den Offshore-Windparks. Erst seit diesem Frühjahr wird an den nächsten größeren Projekten in der Nordsee gearbeitet, die Windkraftproduzenten haben angesichts der schwachen Nachfrage erhebliche Überkapazitäten aufgebaut. Unter den ersten Opfern war neben dem Stahlproduzenten Siag, der im März Insolvenz anmelden musste, auch die Rotorblattfertigung von Bard in Emden mit rund 80 Mitarbeitern. Das Werk wird Ende September geschlossen, weil es nach "Bard Offshore I" keine Anschlussaufträge gibt. Gleiches gilt für das Fundamentwerk Cuxhaven Steel Construction (CSC).
Die nächsten Wochen müssen zeigen, ob sich Käufer für andere Unternehmensteile finden. Brancheninsider halte es durchaus für möglich, dass sich Wettbewerber ohne eigene Offshore-Kompetenz das technische Know-how für die Fünf-Megawatt-Turbine von Bard oder die Fundamentfertigung in Cuxhaven sichern könnten. Aber auch eine völlige Zerschlagung des Offshore-Pioniers wird nicht ausgeschlossen.
Einer der letzten großen Fälle von AlixPartners war übrigens der Modellbahnhersteller Märklin. Aufgrund eines Schiedsgerichtsurteils von Ende 2011 muss das Beratungsunternehmen wegen fehlerhafter Beratung des Investors Kingsbridge vierzehn Millionen Euro Schadenersatz zahlen.
Bard kämpft ums Überleben
Verkauf des Offshore-Pioniers gescheitert / Unternehmen soll nun zerstückelt werden
Zitat:
"Das tägliche Krisenmanagement gehört zur
Offshore-Branche."
Bernd Ranneberg, Bard-Geschäftsführer