Bremen. Der US-Finanzinvestor Oaktree hat Donnerstagabend noch einmal Banken, Emissionshäuser und Anleger zu einem Krisentreffen nach Hamburg gebeten. Es geht um nicht weniger als die Zukunft der Bremer Beluga-Reederei mit ihren 500 Beschäftigten allein in Bremen.
Ohne finanzielle Zugeständnisse der Gläubiger droht angeblich die Insolvenz des einstigen Vorzeigeunternehmens. So behaupten es die Manager von Oaktree, die in der vergangenen Woche die Kontrolle bei Beluga übernommen haben. Eine Einigung wurde aber offenbar nicht erzielt.
Ganz im Gegenteil: Viele Investoren sperren sich gegen die harten Einschnitte, die Oaktree fordert. Denn sie sollen finanziell Verzicht üben – ohne Gegenleistung. Nachdem teilweise schon in den vergangenen Wochen kein Geld mehr geflossen ist, verlangt Oaktree dem Vernehmen nach jetzt von den vielen Tausend Anlegern und den Banken, bis Mai alle Zahlungen zu stunden. Inzwischen haben sich die Betroffenen, initiiert vom Hamburger Emissionshaus HCI Capital, in einer „Interessengemeinschaft Charterschiffe“ verbündet, um den US-Fonds bei seinem als allzu forsch empfundenen Vorgehen auszubremsen.
Oaktree hatte vor genau einer Woche den Firmengründer Niels Stolberg und Beluga-Führungskräfte vor die Tür gesetzt, nachdem angeblich erhebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen der Reederei entdeckt worden waren. Anschließend wurde Anzeige erstattet, inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft „wegen Betrugs in einem besonders schwerem Fall“. Der Vorwurf lautet auf Bilanzfälschung in Höhe einer dreistelligen Millionensumme.
Zusätzlich soll Beluga eine Schuldenlast von knapp 60 Millionen Euro aufgehäuft haben. Denn die Einnahmen aus dem Schwergut- und Projektgeschäft fließen nicht wie erhofft, ein teures Neubauprogramm für den noch von Stolberg begonnenen Flottenausbau hat die Finanzkraft des einstigen Bremer Vorzeigeunternehmens zusätzlich aufgezehrt. Oaktree hatte zwar nach der Machtübernahme erklärt, die Reederei und ihre Position als Weltmarktführer erhalten zu wollen. Derzeit wird deshalb das gesamte Unternehmen auf den Kopf gestellt, um Kosten zu reduzieren und ein offenbar tief verschachteltes Firmenimperium mit mehr als 200 Einzelfirmen neu zu ordnen. Auch Entlassungen sind offenbar im Gespräch.
Scheinbar reicht das nicht aus. Das neu installierte Management versucht jetzt, die vielen Gläubiger an der Sanierung von Beluga zu beteiligen. Kreditgebende Banken wie die Bremer Landesbank sollen sich einverstanden erklären, Zins und Tilgung zu reduzieren oder gar vorübergehend auszusetzen. Und all die größeren und kleineren Anleger, die über die beteiligten Emissionshäuser ihr Geld in Schiffe investiert und diese zu festen Raten an Beluga verchartert (vermietet) haben, sollen sich vorerst mit weniger Geld begnügen oder die fälligen Forderungen gleich bis Mai stunden. Sollten sie dazu nicht bereit sein, so die Botschaft von Oaktree, drohe Beluga die Pleite. Würde tatsächlich eine Insolvenz angemeldet, wie bereits für nächste Woche angekündigt, wären sämtliche Vermögenswerte vor den Gläubigern zunächst geschützt – und Geld würde erst recht nicht mehr gezahlt werden.
Doch noch wehren sich viele Investoren und pochen auf ihre Verträge. Auch für sie sind der überraschende Machtwechsel bei Beluga und die vermeintlich prekäre Finanzkrise nur schwer nachzuvollziehen. Bei Beluga engagierte Emissionshäuser berichten, dass die Reederei alle vereinbarten Raten in der Vergangenheit und noch bis vor etwa sechs Wochen regelmäßig gezahlt habe. Würde jetzt den Forderungen von Oaktree entsprochen, müssten die Anleger nicht nur auf die versprochenen Einnahmen verzichten, sondern womöglich bereits gezahlte Ausschüttungen für das eingesetzte Kapital an die einzelnen Schiffsfonds-Gesellschaften zurückführen, um wiederum deren Überleben zu sichern.
Bereits am Mittwoch hatte es ein Krisentreffen der betroffenen Kapitalgesellschaften gegeben, um ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen, Ergebnisse wurden allerdings noch nicht mitgeteilt. „Es gibt noch Abstimmungsbedarf“, erklärte Olaf Streuer, Sprecher bei HCI Capital. Gestern Abend folgte dann ein erneutes Zusammentreffen mit den Oaktree-Vertretern, Details darüber sind ebenso wenig bekannt.
Die Oaktree/Beluga-Gläubiger sind in einer Zwickmühle. Anleger dürften zwar angesichts ausbleibender Zahlungen sofort aus ihren Charter-Verträgen aussteigen und ihre Schiffe bei anderen Reedereien unterbringen. Freie Tonnage auf dem Markt drückt die ohnehin schwachen Preise allerdings weiter nach unten. Auch Banken könnten dank einer Vertragsklausel bei einem Machtwechsel in einer Firma ihre Kredite aufkündigen. Die entscheidende Frage ist für alle, welche Variante verlustreicher ist. Es steht viel auf dem Spiel, nicht mehr nur das Schicksal der Bremer Beluga-Reederei.