Seit gut 50 Jahren sind die “Rhön” und die “Spessart” für die deutsche Marine im Einsatz. Die sogenannten Marinebetriebsstoffversorger (MBV) sind schwimmende Tankstellen für Kriegsschiffe. Doch der Zahn der Zeit nagt an den Versorgern. Vor einigen Jahren verloren sie bereits kurzfristig die Zulassung wegen mangelnder Schiffssicherheit. Zudem geht der Betrieb der altgedienten Schiffe ziemlich ins Geld, wie der Bundesrechnungshof monierte.
Erster Marineversorger 2023 auf Kiel gelegt
Umso größer war im August 2023 deswegen wohl auch der Optimismus, als das erste von zwei Ersatzschiffen in Rostock im Dock der zur Meyer-Werft gehörenden Neptun Werft auf Kiel gelegt wurde. Die Marineschiffbauer von Naval Vessels Lürssen (NVL) hatten sich den gut 900 Millionen Euro schweren Auftrag für die Tankschiffe gesichert – und weite Teile der Arbeiten als Unterauftrag an die Meyer-Werft vergeben.
In der entsprechenden Mitteilung der Bundeswehr zur Kiellegung in Rostock hieß es: “Das erste Tankschiff der Klasse 707 soll bereits im ersten Quartal 2025, das zweite ein Jahr später im ersten Quartal 2026 an die Marine ausgeliefert werden.” Gerade rechtzeitig, denn im August 2026 werde die Nutzungsdauer des Duos enden, so die Bundeswehr seinerzeit.
Deutlich hinter dem Zeitplan
Doch aus dem nahtlosen Übergang wird nichts. Der Bau der Nachfolgeschiffe liegt deutlich hinter dem Zeitplan. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärt auf Anfrage: “Die Auslieferung der ersten Einheit ist derzeit für Ende 2026 geplant”, das zweite Schiff soll dann im Laufe des Jahres 2027 folgen.
Ursächlich für die Verzögerungen sind laut Ministerium Auswirkungen der Corona-Pandemie, Lieferketten-Probleme nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sowie “die bekannten wirtschaftlichen Herausforderungen bei Unterauftragnehmern”. Gemeint sein dürfte damit die Meyer-Werft.
Pünktliche Ablieferung der Kreuzfahrtschiffe
Die war im Jahr nach der Kiellegung des ersten Tankers am Standort Rostock in schwere wirtschaftliche Schieflage geraten. Erst durch einen Einstieg vom Bund und dem Land konnte das Unternehmen im Herbst 2024 vor dem Bankrott gerettet werden.
Inwieweit nun die Krise des für Kreuzfahrtschiffe bekannten Unternehmens sich auf den Unterauftrag für die Marine ausgewirkt hat, lässt das Ministerium offen. Ihre jüngsten Kreuzfahrtschiffe hatte die Meyer-Werft ungeachtet aller Probleme pünktlich abliefern können.
Herausforderungen bei Lieferketten
Die Werft selbst verweist auf Anfrage an ihren Auftraggeber: Bei NVL spricht man von Herausforderungen bei Lieferketten und beim Fertigungsprozess, weswegen sich die Ablieferung verzögern werde. “Es haben sich insbesondere Komplikationen im Fertigungsablauf und Störungen der Lieferketten negativ auf den zeitlichen Verlauf des Projektes ausgewirkt”, teilt ein Sprecher mit. Und weiter: Man setze “alles daran, die beiden Versorgungsschiffe entsprechend dem angepassten Zeitplan an die Deutsche Marine abzuliefern – wo möglich, versuchen wir selbstverständlich, auch noch zu verkürzen”.
Das dürfte dringend notwendig sein. Schließlich betonte die Bundeswehr selbst zur Kiellegung des Neubaus noch die endliche Nutzungsdauer seiner Tanker-Oldies. Ein nahtloser Übergang könnte knapp werden. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es dazu: “Die Betriebsstoffversorgung seegehender Einheiten kann, bis die neuen Marinebetriebsstoffversorger zur Verfügung stehen, anderweitig sichergestellt werden.”
Marine benötigt dringend Ersatz
Die Marine jedenfalls wartet sehnsüchtig auf den Ersatz. Fregattenkapitän Marco Thiele, Vorsitzender Marine im Deutschen Bundeswehrverband, sagt: "Wir brauchen die neuen Tanker dringend.” Die Oldies “Rhön” und “Spessart” seien sogenannte Ein-Hüllen-Tanker und solche dürften in immer weniger Häfen festmachen – zu groß wohl die Sicherheitsbedenken. Deswegen müssten die Tanker häufig selbst auf hoher See betankt werden, erklärt Thiele.
Der Interessenvertreter der Marine-Soldaten räumt ein, dass es nicht einfach reiche, Tanker zu kaufen und grau anzumalen. “Die neuen Schiffe sind viel komplexer als die alten, sie bekommen unter anderem geschützte Kommunikation. Die wird auch dringend gebraucht.” Was aber dennoch gelte: “Wenn die Bundeswehr etwas plant und baut, dauert es eine Ewigkeit. Daran hat auch Boris Pistorius bislang nichts geändert.”
Eines steht laut Ministerium aber fest: Anders als andere öffentliche Bauvorhaben werde der Tanker-Auftrag nicht teurer. Beim Preis werde nicht nachverhandelt, heißt es. Sehr wohl werde derzeit aber die Beschaffung eines dritten Tankers geprüft, bestätigt das Ministerium.