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Kleine Betriebe sehr stark betroffen Bierbrauer sitzen auf dem Trockenen

Die deutschen Brauer können über die unzähligen Bier-Witze in Bezug auf Corona nur schwer lachen. Die Branche ist vom Wirtschaftsstillstand extrem getroffen. Was nun Bremens kleinere Brauereien nun machen.
17.04.2020, 06:00 Uhr
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Von Florian Schwiegershausen und Larissa Schwedes

An normalen Abenden herrscht im „Früh em Veedel“ Hochbetrieb, Stammgäste treffen sich hier zum Feierabend-Kölsch, Touristen genießen das Brauhaus-Flair. Doch jetzt ist die Kneipe dicht, wie alle Bars und Restaurants in diesen Tagen. Getrunken wird zwar noch – aber wegen des Coronavirus nicht mehr in der Öffentlichkeit.

Für kleine Brauereien, die sich nicht auf den großen Absatz im Supermarkt verlassen können, ist das verheerend. „Wir stehen – wie die gesamte Brauwirtschaft – vor großen Herausforderungen, denen wir uns stellen“, sagt eine Sprecherin von Schlösser Alt, das zur Radeberger Gruppe gehört. Da helfe es auch nicht, wenn im Einzelhandel oder in Getränkemärkten mehr Bier verkauft werde.

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Die Sorgen der Brauer in der Großstadt teilen die Kollegen auf dem flachen Land. Werner Scharpf sitzt mutterseelenallein in seinem Brauereigasthof im oberfränkischen Heilgersdorf. Scharpf betreibt eine von 626 Brauereien in Bayern, 90 Prozent davon kleine Familienbetriebe mit einem Jahresausstoß von weniger als 30.000 Hektolitern.

Normalerweise kommen die Arbeiter zur Mittagspause oder nach Feierabend in seinen Gasthof, machen Brotzeit und trinken ein Bier dazu. Junge Leute holen sich die Partyfässer, auf dem Tanzboden wird das Bier genauso getrunken wie zur Kirchweih. „Der Hauptumsatz ist weggebrochen“, sagt der 52-Jährige. Seine Ehefrau, die normalerweise in Gaststube und Brauerei mitarbeitet, hat er in Kurzarbeit geschickt – sie ist jetzt Hilfs-Lehrerin für die drei Kinder.

„Maurerflaschen“ im Angebot

Scharpf macht 80 bis 90 Prozent Bier vom Fass. Damit ist er wie kaum ein anderer von der Corona-Krise getroffen. Wer Flaschenbier verkauft, hat wenigstens noch den Supermarkt als Absatzquelle. Ein kleiner Trost: Seit einiger Zeit bietet die Brauerei „Maurerflaschen“ an – Fassbier in Ein-Liter-Flaschen mit Schnappverschluss. „Die Leute kommen und holen ihren Sechser-Träger bei uns ab“, so Scharpf – eine Art aus der Not geborenes Walk-in-System im 450-Seelen-Ort Heilgersdorf.

„Wir leben gegenwärtig von der Substanz“, sagt der Brauer. Entscheidend sei, wie lange die Krise andauere. „Vier bis sechs Wochen hält ein gesunder Betrieb schon durch – dann ist es nicht schlimmer als lange Betriebsferien“, sagt der Brauer. Doch von Mai an steht das Biergartengeschäft an, viele Dorf- und Sportfeste in der Gegend bauen normalerweise auf sein Bier.

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Bremens kleinere Brauereien trifft es ähnlich, es macht sie aber auch erfinderisch. Lüder Kastens, Chef der Bremer Union-Brauerei in Walle, sagt pragmatisch: „Die Situation ist schwierig, aber da müssen wir durch.“ Zwei Drittel seines Umsatzes macht er mit Fassbier. Das wird beispielsweise vor und nach den Werder-Heimspielen am Standort am Brommyplatz ausgeschenkt sowie neben dem Stadion auch im Segelklub. Das fällt nun flach. Zumindest habe in den vergangenen Wochen der Flaschenverkauf im Handel leicht angezogen, stellt Kastens fest. „Das kompensiert aber natürlich nicht, was uns durch den Fassbier-Umsatz verloren geht.“ Noch schwerer allerdings, so sagt er, hätte es die Brauerei und auch die Kneipen wohl getroffen, wenn die Schließungen mitten ins Weihnachtsgeschäft im November oder Dezember gerauscht wären. „Und wir können froh sein, dass die Grünkohlsaison mit den Kohlfahrten bis Anfang März gerade noch abgeschlossen werden konnte.“

Bier-Lieferdienst eingeführt

Eine wesentlich kleinere Bremer Brauerei, der Achterdieker Bierverlach in Horn, macht aus der derzeitigen Not eine Tugend. Besitzer Holger Zapfe sagt: „Wenn die Leute nicht in die Kneipe kommen, komme ich zu den Leuten.“ Er hat Mitte März einen Lieferdienst aufgemacht. Über Facebook nimmt er Bestellungen auf. Bei einer Mindestabnahmemenge von zwei Kisten kommt er in Bremen und Umgebung mit seinem Lieferauto am Wochenende vorbei. Als kleinen Gag gibt es noch zwei Blatt vierlagiges Toilettenpapier dazu. Dabei macht Zapfe nur positive Erfahrungen: „So komme ich mit den Menschen ins Gespräch, die mein Bier trinken.“ Von den Begegnungen bei seinen Lieferfahrten berichtet Zapfe auch auf seiner Facebook-Seite – eine Tour führte ihn etwa ins Studio des Bremer Gitarristen Peter Apel. Ein Zusammentreffen „natürlich mit dem notwendigen Abstand“, sagt Zapfe.

Ohne die Kneipen könne er mit seiner kleinen Crafts-Beer-Brauerei ansonsten keinen Monat überleben, meint Zapfe. Denn auch wenn die verschiedenen Biersorten von ihm nun in Flaschen abgefüllt werden, liege der Hauptabsatz in der Gastronomie.

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Der Deutsche Brauer-Bund hat unlängst eine Befragung unter seinen Mitgliedern gestartet. 87 Prozent der Betriebe rechnen demnach damit, dass sie ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, 18 Prozent gehen sogar von Entlassungen aus. Dass die Krise Umsatzlöcher reißen wird, darüber sind sich fast alle Brauer einig die Kleinen wie die Großen. Kneipen, Restaurants, Biergärten und kulturelle Veranstaltungen seien extrem wichtige Absatzkanäle, sagt Uwe Gelmich, Geschäftsführer der Radeberger-Tochter Hövels und der Dortmunder Brauereien. „Das spüren wir auch bei Hövels deutlich.“ Man berate noch, ob staatliche Hilfen eine Lösung sein könnten.

Ein „Drive-in“ für Altbier-Fans

Thea Ungermann, die Geschäftsführerin der Alt-Brauerei Schumacher ist angesichts der Krise kreativ geworden. „Das ist eine heftige und dramatische Situation für uns“, sagt sie. Der Umsatz in der Gastronomie sei für die Brauerei der Hauptanteil. Um nicht ganz auf Einnahmen zu verzichten, bietet Schumacher nun jeden Freitag ein „Drive-in“ an. Altbier-Fans können dann mit ihrem Auto an der Brauerei vorfahren und sich ihr Wochen­end-Bier mit Kartoffelsalat und Frikadellen abholen. Auch einen Lieferservice hat Ungermann mit ihrem Team gestartet.

Um den Brauereien einen besseren finanziellen Spielraum zu verschaffen, soll ihnen nun die Biersteuer gestundet werden. Darauf haben sich das Bundesfinanzministerium und die Finanzministerien der Länder geeinigt. Denn die Steuer steht den Ländern zu und betrug 2019 nach Angaben des Bundesfinanzministeriums rund 650 Millionen Euro.

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