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Bremer Daimler-Betriebsrat im Interview "Bis zur Oberkante ausgelastet"

Bremen. Bei der Jahrespressekonferenz wird der Daimler-Konzern seine Erfolgszahlen für 2011 vorlegen und einen Blick in die Zukunft werfen. Über die Bedeutung für das Bremer Werk spricht der Vorsitzende des Betriebsrats im Interview.
09.02.2012, 05:00 Uhr
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Bremen. Bei der Jahrespressekonferenz wird der Daimler-Konzern am Donnerstag seine Erfolgszahlen für 2011 vorlegen und einen Blick in die Zukunft werfen. Welche Rolle spielt dabei das Bremer Werk? Petra Sigge sprach darüber mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats, Uwe Werner.

Wie wird das Auto der Zukunft aussehen?

Uwe Werner:Wenn wir das wüssten. Unser Konzernvorstand Herr Dr. Zetsche sagt ja immer, das Auto muss neu erfunden werden. Im Moment aber weiß eben noch niemand, ob sich der Elektroantrieb durchsetzt, ob es der Hybrid wird oder ob doch der Verbrennungsmotor bleibt. Auf der Entwicklungsseite ist Daimler da gut aufgestellt. Das Problem ist, die neuen Techniken zum richtigen Zeitpunkt in die Produktion einzuführen.

Wann rechnen Sie mit grundlegenden Neuerungen?

Im Werk Bremen wird das vermutlich erst nach 2019 der Fall sein, wenn das nächste C-Modell ausläuft. Dann wird auch klar sein, mit welchen Antrieben und Werkstoffen wir künftig arbeiten müssen - mit Kunststoff, Kohlefaserverbundstoffen oder auch Aluminium. Für all das müssten jedoch schon einige Jahre vorher die technischen Vorbereitungen getroffen und die notwendigen Qualifizierungen gemacht werden. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit.

Der Autoabsatz in Europa ist rückläufig. Die Zukunft, so heißt es, liege in China und den USA. Auch Daimler investiert dort Milliarden in neue Produktionsanlagen. Was wird aus den deutschen Standorten?

Klar, macht uns diese Entwicklung Sorge. Die Verlagerung eines Teiles der C-Klasse nach Tuscaloosa in den USA war das erste Mal, dass Daimler auf einen Zukunftsmarkt gegangen ist und damit indirekt auch Arbeitsplätze ins Ausland verlagert wurden. Auch in China soll die C-Klasse demnächst gebaut werden. Im Moment ist geplant, dass wir in Bremen in den nächsten sechs, sieben Jahren täglich 1250 C-Klasse-Fahrzeuge für den europäischen Markt bauen. Das ist eine Zusage aus dem Interessenausgleich, den wir vor zwei Jahren abgeschlossen haben.

Und danach?

Das muss man dann sehen. Unsere Befürchtung ist schon, dass das Unternehmen künftig dort expandiert, wo der größte Zuwachs zu erwarten ist. Das trifft uns natürlich auch. Wir leben ja vor allem vom Export. Zurzeit gehen rund zwei Drittel aller im Bremer Werk gebauten Fahrzeuge ins Ausland.

Im zurückliegenden Jahr hat Daimler weltweit 1,36 Millionen Fahrzeugen ausgeliefert, so viele wie nie zuvor. Welchen Anteil hatten die Bremer Mercedes-Werker an diesem Absatzrekord?

Einen ganz erheblichen. Im letzten Jahr haben wir das erste Mal mehr als 300.000 Fahrzeuge gebaut, so viel wie noch nie. Das lag vor allem daran, dass die C-Klasse, die zum allergrößten Teil in Bremen produziert wird, so gut gelaufen ist. Sie war 2011 die erfolgreichste Baureihe im Konzern überhaupt. Was dazu geführt hat, dass wir das ganze Jahr über bis zur Oberkante ausgelastet waren.

Ist damit jetzt die Produktionsgrenze im Bremer Werk erreicht?

Also 314.000 Fahrzeuge im Jahr, das geht vielleicht noch. Aber dann ist bei den jetzigen Anlagen wirklich Schluss. Mehr geht nicht.

Wie viele Autos verlassen das Werk pro Tag?

Im Schnitt sind es über alle Bereiche 1400 bis 1450 Fahrzeuge. Neben den C-Klasse-Fahrzeugen bauen wir in Bremen ja unter anderem auch noch den kleineren Geländewagen GLK und die Sportwagen SL, SLK sowie von der E-Klasse das Cabriolet und das Coupé. Aber die tragende Säule mit rund drei Viertel aller Fahrzeuge macht die C-Klasse aus.

Bisher hat das Werk immer noch Jahr für Jahr die Kapazität gesteigert. Was passiert, wenn mit den jetzigen Anlagen keine neuen Produktionsrekorde mehr möglich sind? Soll der Standort noch mal ausgebaut werden?

Noch haben wir ja den Produktionsverbund mit dem Stammwerk in Sindelfingen. Wenn wir überlaufen, bauen die eben ein paar C-Klasse-Limousinen mehr. Allerdings ist der Zenit bei der aktuellen C-Klasse ohnehin überschritten. 2014 kommt das neue Modell raus und bis dahin geht die Nachfrage nach den laufenden Modellen erfahrungsgemäß allmählich zurück. Für 2012 und 2013 sind deshalb vorerst die gleichen Stückzahlen geplant wie im vergangenen Jahr.

Reicht das Personal denn aus, um weiter diese Rekordzahlen zu bringen?

Wir haben im vergangenen Frühjahr 350 Leute neu eingestellt. Aus meiner Sicht hätten es damals ruhig 150 mehr sein können. Dass wir obendrein auch noch etwas über 600 Zeitarbeiter beschäftigen zeigt ja, wie groß der Personalbedarf ist. Dass wir bisher einigermaßen über die Runden kommen, liegt nur daran, dass die Sportwagen-Typen in der kalten Jahreszeit nicht so gut laufen wie erwartet. Das heißt: Anders als geplant arbeiten wir in beiden Bereichen jetzt nur einschichtig. Dadurch wurden Beschäftigte frei, die jetzt in der C-Klasse eingesetzt werden können. Was nichts daran ändert, dass vor allem die Leute in der Montage ständig an ihrer Belastungsgrenze arbeiten.

Woran liegt das?

Vor zehn Jahren lagen die Taktzeiten für einen Arbeitsgang noch bei 90 Sekunden. Mittlerweile sind wir bei 75 Sekunden, wobei ein ständiger Rationalisierungsprozess läuft, um die Taktzeiten in der Montage noch weiter zu verringern. Die Arbeitsintensität also wächst, gleichzeitig aber haben wir hier im Werk Bremen die älteste Belegschaft im ganzen Konzern.

Wie alt sind die Beschäftigten denn?

Das Durchschnittsalter liegt bei 47 Jahren. Das ist für ein Autowerk sehr hoch. Woanders liegt der Schnitt bei 43 Jahren. Vor allem aber haben wir das Problem, dass wir eine sehr homogene Belegschaft haben. Das heißt, der Altersdurchschnitt von 47 Jahren rekrutiert sich aus den fast 70 Prozent der Beschäftigten, die in der Produktion tätig sind. Was daran liegt, dass in den 80er-Jahren auf einen Schlag sehr viele Leute eingestellt wurden. In zehn Jahren wird also der größte Teil der Belegschaft Mitte 50 und älter sein. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Arbeitsanforderungen. Man kann von den Älteren ja nicht die gleichen Höchstleistungen erwarten wie von den Jüngeren.

Was soll sich ändern?

Es gibt im Werk eine rege Diskussion darüber, wie man damit umgehen soll. Ein wichtiges Thema ist zum Beispiel die Ergonomie am Arbeitsplatz. Also wie Arbeitsplätze weniger belastend umgestaltet werden können. Bisher wird da noch zu wenig getan. Es wird sicher auch etliche Kollegen geben, die nicht bis zum Rentenalter durchhalten können. Für die muss es Ausstiegsmodelle geben. Auch da sind wir im Gespräch mit der Werksleitung. Wichtig ist, dass man jetzt früh genug junge Leute nachzieht und nicht damit wartet, bis der Berg an Älteren abgebaut ist, um erst dann wieder einen ganzen Schwung Junge einzustellen.

Gibt es denn genügend Bewerber?

Da haben wir im Moment kein Problem. 2010 hatten wir in Bremen 1114 Bewerber auf 110 Ausbildungsplätze, im vergangenen Jahr waren es sogar mehr als 1900 auf 116 Ausbildungsplätze. Das liegt allerdings auch am Wegfall des Wehrdienstes und an den Doppeljahrgängen wegen der verkürzten Schulzeit bis zum Abitur.

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