Der 13. Juli 2013 war ein schwarzer Tag für Papenburg, die Meyer-Werft und ihre Mitarbeiter. Zwei Schweißer aus Rumänien, 45 und 32 Jahre alt, starben bei einem Feuer in ihrer Unterkunft. Beide arbeiteten für die Werft, waren aber nicht bei ihr direkt angestellt, sondern bei einem Subunternehmer. Das Unglück rückte das Familienunternehmen, bekannt für seine spektakulären Kreuzfahrtschiffüberführungen über die Ems, ins Zwielicht. Eine Kommission stellte wenige Monate später in einem Untersuchungsbericht unhaltbare Arbeits- und Wohnbedingungen osteuropäischer Werkvertragsarbeiter fest. Die Werft reagierte, verabschiedete eine Sozialcharta, rief eine Task Force ins Leben und einigte sich mit der IG Metall auf einen Tarifvertrag für Werkarbeiter.
Doch in diesem Frühjahr veröffentlichte der „Spiegel“ eine Reportage über einen rumänischen Werkarbeiter, der unter anderem angeblich von dem Subunternehmer gezwungen wurde, 15 Stunden täglich zu arbeiten. Von einem „Klima der Angst“ ist die Rede. Wieder dunkle Flecken auf dem Image der Werft, und viele Beobachter fragen sich: Hat Meyer wirklich aus der Brandkatastrophe gelernt?
Es gebe Vorschriften und Regeln, die Vertragsunternehmen hätten ein enges Korsett, sagt der Kommunikationschef der Werft, Paul Bloem. Allerdings werde die Werft nicht ausschließen können, dass es zu Verstößen kommt. Bekomme das Unternehmen mit, dass sich ein Subunternehmer nicht an Regeln hält, werde zunächst mit ihm gesprochen. „Wenn die Vorwürfe belegbar sind, sagen wir den Unternehmern: Stellt sie ab“, sagt Bloem. „Es wird in speziellen Gremien bei uns bewertet, damit wir alle Fakten auf dem Tisch haben, und dann wird es der Unternehmensleitung vorgelegt um zu entscheiden: Kriegt die Firma noch eine Chance, oder ist es eine, mit der wir nichts mehr zu tun haben wollen.“
Kritik von Gewerkschaften
In dem Fall, den der „Spiegel“ aufgegriffen hat, ist das Unternehmen inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Vorwürfe bislang nicht belegen lassen. Eingeschaltet zur Aufklärung sind Zoll und Staatsanwaltschaft. Die Werft beauftragte zudem eine Düsseldorfer Anwaltskanzlei, den Fall aufzuarbeiten. Die Behörden konnten bislang keine Verstöße nachweisen. Aber es bleiben Zweifel, die Kanzlei sieht „Verbesserungspotenzial“ –und die Werft will Maßnahmen ergreifen. So muss der Subunternehmer künftig regelmäßig belegen, dass zumindest der Mindestlohn an die Mitarbeiter ausgezahlt wird und dass Mehrarbeit vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen wird. Sollten Ermittlungen der Behörden doch noch Verstöße ergeben, solle die Zusammenarbeit beendet werden.
Kritik an dem Vorgehen der Werft kommt von den Gewerkschaften: „Ich bin wirklich enttäuscht, dass die Meyer-Werft die Arbeit mit dieser Firma nicht einstellt“, sagte Daniela Reim von der Beratungsstelle für Mobile Beschäftigte bei Arbeit und Leben. Sie berät unter anderem die Rumänen auf der Meyer-Werft. Seit 2013 habe sich schon vieles verbessert, sagte sie. Aber noch immer berichteten Arbeiter von Missständen, gekürzten Löhnen und fehlenden Krankenversicherungen. Der neu gewählte Betriebsrat will sich künftig stärker um das Thema Werkarbeit kümmern, sagt Uwe Sap, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Es sei auch ein Betriebsratsmitglied freigestellt worden, der als Ansprechpartner für die Werkarbeiter über das Werftgelände laufen soll.
Stefan Sell ist Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Koblenz. Er hat für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung eine Studie über Werkverträge verfasst. Der Gesetzgeber habe gehandelt, indem er etwa 2017 für die Fleischindustrie die Generalunternehmerhaftung einführte: Demnach haften die Konzerne, wenn Subunternehmer gegen Gesetze verstoßen.
In der Bauindustrie gebe es die Unternehmerhaftung schon viel länger. Dennoch komme es kaum zu Verurteilungen. Wenn Unternehmen ihre Rechtsmittel ausschöpfen, dauern Verfahren vor Gerichten oft Jahre. Auch an entsprechenden Kontrollen mangelt es laut Sell. Er fordert zudem härtere Strafen: „Die Unternehmer müssten persönlich bestraft werden.“ Dazu müsste das Recht geändert werden – bei Ausbeutung von Werkarbeitern dürfte nicht das Arbeitsrecht gelten, sondern das Strafrecht.