Infolge der steigenden Preise bei Strom und Gas geht mit der Kehag Energiehandel ein Lieferant aus Oldenburg in die Insolvenz. Der entsprechende Antrag wurde jetzt beim Amtsgericht Oldenburg eingereicht. Der Lieferant richtet sich im Gegensatz zu den Discount-Anbietern nicht an private Endkunden, sondern an Unternehmen. Doch mit den Stadtwerken Bad Belzig bei Potsdam sind nun auch die ersten kommunalen Energieversorger von einer Insolvenz betroffen und haben das Ende der Stromlieferung angekündigt.
Das Dilemma für Bremens Energieversorger SWB
Das alles sind keine Einzelfälle, auch von den Discount-Anbietern werden weitere wohl in den kommenden Wochen die Lieferung von Strom und Gas einstellen. Damit rechnet angesichts der weiterhin hohen Preise an den Märkten sowohl Bremens Energieversorger SWB als auch die Verbraucherzentrale Bremen. Für die SWB kann das ein Dilemma bedeuten. Vertriebschef Alexander Kmita hat angekündigt, dass das abrupte Liefer-Aus anderer Firmen für die eigenen Kunden dazu führen könnte, dass die Preise steigen.
Das ist damit begründet, dass im Gebiet der Netztochter Wesernetz die SWB immer dann einspringt, wenn ein anderer Anbieter von Strom und Gas plötzlich insolvent wird oder aus anderen Gründen die Lieferung abrupt einstellt. Dann übernimmt die SWB nahtlos die Ersatzversorgung. Dazu ist das Bremer Unternehmen als sogenannter Grundversorger laut Energiewirtschaftsgesetz verpflichtet. Als Grundversorger gilt das Unternehmen, das in einem Netzgebiet die meisten Haushalte mit Strom und Gas versorgt.
Post an Stromio-Kunden sollte angekommen sein
Im Dezember waren es in Bremen und Bremerhaven mehr als 9000 Kunden, bei denen die SWB mit der Ersatzversorgung einspringen musste, weil die Discount-Marken gas.de, Grünwelt Energie oder die Schwestermarke Stromio die Lieferung einstellten. Weniger als 100 Kunden waren vom Ende bei Neckermann Strom betroffen. Gas.de, Grünwelt Energie und Stromio hielten sich wie schon bei dem Aus von Immergrün im Oktober nicht an die vereinbarten Kündigungsfristen und machten sich noch nicht einmal die Mühe, die Kunden rechtzeitig über das Ende zu informieren. Mit der Folge, dass Kunden die Informationsschreiben der SWB und von Wesernetz ungelesen in den Müll, weil sie die Briefe für Werbung hielten. Dabei informierte der Energieversorger darin, wie gesetzlich vorgeschrieben, über die Ersatzversorgung und die nächsten Schritte für die betroffenen Kunden.
Die Kunden im Gebiet von Wesernetz erhalten demnach Strom und Gas von der SWB im Basistarif, dem derzeit höchsten Tarif. Innerhalb von drei Monaten haben die Kunden Zeit, sich einen neuen Anbieter oder passenden Tarif bei der SWB zu suchen. SWB-Geschäftsführer Kmita bezeichnet es als Glück für die Betroffenen, dass der Gesetzgeber die Ersatzversorgung geschaffen hat. "Letzten Endes aber fußt das Geschäftsmodell der Billiganbieter darauf, dass die Grundversorger für die zuverlässige Versorgungssicherheit der gesamten Bevölkerung geradestehen."
SWB denkt über Preiserhöhung nach
Die SWB könnte in ein Dilemma geraten, wenn weitere Anbieter aufgeben. "Die Folge könnte sein, dass die aktuelle Preiskalkulation angesichts der fehlenden Mengen bei den Grundversorgern angepasst werden muss. Zukäufe zum jetzigen Zeitpunkt aber sind sehr teuer", erklärt Kmita. Das könne eine Anhebung der Preise für alle Kunden zur Folge haben. Dabei hatte die SWB eigentlich geplant, die Strompreise ab Februar leicht zu senken.
Auch die Verbraucherzentrale Bremen sorgt sich um steigende Preise. Rechtsexperte Gerrit Cegielka: "Wir befürchten, dass die Grundversorger die Preise im Basistarif anheben und davon Kunden betroffen sein könnten, die schon jetzt alles andere als einen vollen Geldbeutel haben." In einigen Regionen hätten regionale Energieunternehmen die Grundtarife bereits erhöht.
Mehr Handlungsspielraum für die Bundesnetzagentur gefordert
Die Verbraucherzentrale hofft auf juristische Konsequenzen für Discount-Anbieter, die sich nicht mal an Kündigungsfristen halten. Cegielka: "Alle Verbraucherzentralen, inklusive dem Bundesverband, agieren bei solchen Fällen zum Beispiel mit Abmahnungen." In der Vergangenheit gingen Verbraucherschützer gerichtlich gegen einige Unternehmen vor, wenn diese die versprochenen Bonuszahlungen verweigerten – und zwar mit Erfolg.
Rechtsberater Cegielka sieht aber auch die Aufsichtsbehörde in der Pflicht: "Wir wünschen uns von der zuständigen Bundesnetzagentur bei Strom und Gas die gleiche Handhabe wie beim Telekommunikationsmarkt." Dort ist es der Bonner Behörde möglich, Telefonnummern zweifelhafter Firmen zu sperren oder gegen verbotene Werbeanrufe hohe Geldstrafen zu verlangen.
Bundesnetzagentur nicht für Kundenverträge zuständig
Der Sprecher der Bundesnetzagentur, Michael Reifenberg, sagte dem WESER-KURIER: "Das Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Energielieferant betrifft nicht den Zuständigkeitsbereich der Bundesnetzagentur." Die Behörde kann laut Paragraph Fünf im Energiewirtschaftsgesetz den Energielieferanten die Ausübung der Tätigkeit ganz oder teilweise untersagen, wenn die personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet sei.