Bremen. Bausparverträge sind in Zeiten der Eurokrise gefragter als selten zuvor. Die Branche profitiert vom soliden Image, das Immobilien als Geldanlage genießen. Auch in Bremen macht sich dieser Trend deutlich bemerkbar. Das kommt nicht von ungefähr: In kaum einem Bundesland stehen die Vorzeichen für den Erwerb von Wohneigentum günstiger.
Egal mit wem Ernst Dautert dieser Tage über die Gründe für gestiegene Nachfrage auf dem Bremer Immobilienmarkt spricht. Die Antwort ist immer die gleiche: Die Menschen setzen auf Wohneigentum als stabile Geldanlage, weil sie den Produkten der Finanzmärkte nicht mehr vertrauen. Dautert analysiert als Vorsitzender des Bremer Gutachterausschusses für Grundstückswerte die Situation auf dem Immobiliensektor der Hansestadt. Seit zwei Jahren beobachtet er einen steilen Nachfrageanstieg bei Wohneigentum in der Hansestadt. „Wir erleben einen deutlichen Aufwärtstrend“, sagt er.
2011 wurden in der Hansestadt 6,5 Prozent mehr Kaufverträge für Immobilien abgeschlossen als im Vorjahr. „Verglichen mit dem Jahr 2009 liegt der Anstieg sogar bei 20 Prozent“, erläutert Dauert. Besonders gefragt sind demnach Eigentumswohnungen. In diesem Bereich wuchs die Nachfrage um ein Drittel. Mancher Makler beklagt bereits, dass das vorhandene Angebot nicht mehr ausreiche.
Vom großen Interesse an Immobilien profitieren unter anderem die Bausparkassen. Bei der LBS, dem Marktführer unter Bremens Baufinanzierern, gibt es zwar bisher nur ein vorläufiges Ergebnis für das abgelaufene Jahr, die Entwicklung ist allerdings eindeutig: Über 13 000 neue Verträge im Wert von fast 300 Millionen Euro schloss die Landesbausparkasse ab. Das entspricht einer Steigerung von knapp einem Fünftel gegenüber dem Vorjahr. „Wir rechnen auch für 2012 mit einer stabilen Weiterentwicklung“, sagt Sprecherin Andrea Horeis. Trotz der Unwägbarkeiten an den internationalen Finanzmärkten seien die meisten Bremerinnen und Bremer optimistisch, was ihre persönliche Einkommenssituation und Jobsicherheit angehe. Zudem entschlössen sich immer mehr Hausbesitzer, ihr Gebäude sanieren zu lassen, was ebenfalls häufig über Bausparverträge finanziert werde. Durch die steigenden Energiepreise rechnen sich Investitionen dieser Art deutlich schneller.
Im ländlichen Raum hat traditionsgemäß die Bausparkasse Schwäbisch Hall, deren Produkte unter anderem über die Volks- und Raiffeisenbanken vertrieben werden, große Marktanteile. In der Baufinanzierung verzeichnete Schwäbisch Hall 2011 das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte. In der Region legte das Unternehmen nach eigenen Angaben vor allem im Raum Vechta und Oldenburg deutlich zu.
Allgemein läuft es derzeit gut in der Branche. Die privaten Bausparkassen haben im vergangenen Jahr ihr Neugeschäft insgesamt um ein Zehntel gesteigert. „Der Eigenheimbau hat wieder an Fahrt aufgenommen“, erklärt der Vorstand des Verbandes der Privaten Bausparkassen, Andreas Zehnder. Dabei verweist er unter anderem auf die Baugenehmigungen, die 2011 gegenüber dem Vorjahr bundesweit um rund 20 Prozent zugelegt hätten.
Anhaltend niedriges Zinsniveau
Doch das brummende Geschäft hat aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch eine Kehrseite. Die Provisionen, die die Außendienstmitarbeiter bekommen, steigen. Das drückt auf den Gewinn. Zudem macht den Bausparkassen das anhaltend niedrige Zinsniveau Sorgen. Für Kunden, die jetzt einen Vertrag abschließen wollen, waren die Vorzeichen jedoch schon lange nicht mehr so günstig. „Mit einem Bausparvertrag – und nur damit – können sie sich das heute niedrige Zinsniveau dauerhaft sichern, auch wenn sie vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren bauen wollen“, betont Verbandschef Zehnder.
In Bremen und Niedersachsen sind die Vorzeichen für den Immobilienerwerb derzeit sogar noch günstiger als in den meisten anderen Bundesländern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung der Marktforschungsabteilung der LBS. Gemessen am Verhältnis von Einkommen, Hauspreisen und Finanzierungsbedingungen ist der Hauskauf im Nordwesten der Republik am einfachsten zu bewerkstelligen. Drei von vier Haushalten sind hier laut LBS in der Lage, ein ortsübliches Eigenheim aus dem Bestand zu finanzieren. Die Hansestadt verfügt demnach bundesweit sogar mit Abstand über die günstigsten Voraussetzungen. In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sowie den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sind die Bedingungen für den Kauf von Wohneigentum dagegen am schlechtesten.
Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass das Potenzial auf dem deutschen Immobilienmarkt noch lange nicht ausgeschöpft ist. Theoretisch könnte die Zahl der Menschen, die sich Wohneigentum leisten könnten, fast um ein Drittel höher sein, als es momentan der Fall ist. In Bremen fällt dieses Missverhältnis sogar noch sehr viel höher aus. Laut LBS könnten in der Hansestadt 83 Prozent aller Haushalte in den eigenen vier Wänden leben – allein, nur 35 Prozent aller Bremerinnen und Bremer tun dies auch.