In keinen anderen Bundesland ist der Anteil der Beschäftigten in Teilzeit, einem Minijob oder einer befristeten Anstellung so hoch wie in Bremen. Das geht aus einer Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Demnach liegt die Quote im kleinsten Bundesland bei 26,2 Prozent. In Brandenburg sind es dagegen nur 14 Prozent.
Die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland sind auffällig. In den Ost-Bundesländern liegt die Quote bei 17,5 Prozent. Der Westen weist dagegen höhere Anteile auf: Hamburg hat mit 17,9 Prozent noch den niedrigsten unter den West-Bundesländern. Grund ist nach Auffassung des WSI die besser ausgebaute Kinderbetreuung im Osten. Das ermögliche vor allem Frauen, Vollzeit zu arbeiten. Insgesamt arbeiten ein Fünftel aller Kernbeschäftigten in Deutschland als sogenannte atypisch Beschäftigte.
Grundlage der WSI-Datenauswertung sind Zahlen aus dem Jahr 2017. Atypisch beschäftigt ist, wer in Teilzeit arbeitet, einen Minijob hat oder befristet beziehungsweise als Leiharbeiter angestellt ist. Ausgenommen sind Menschen, die eine Ausbildung machen, in einem Ferienjob arbeiten oder einen Dienst wie den Wehrdienst leisten.
Im Gesundheits- und Sozialwesen ist die Quote am höchsten, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Als Kernbeschäftigte gelten Arbeitnehmer im Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Laut WSI gibt es unterschiedliche Faktoren, die mit atypischer Beschäftigung zusammenhängen – zum Beispiel das Geschlecht: Fast jede dritte Frau steckt in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis. Bei den Männern trifft dies hingegen nur auf knapp jeden Zehnten zu.
Viele Frauen bleiben wegen der Kindeserziehung lieber in Mini- oder Teilzeitjobs
Atypische Beschäftigung ist laut Sozialverband VdK ein Risiko mit Blick auf die Rente. Viele Frauen verzichten zum Beispiel für die Kindererziehung auf Vollzeitstellen und arbeiten stattdessen in Mini- oder Teilzeitjobs. Sie erhielten später nur eine kleine Rente und seien besonders häufig von Altersarmut betroffen, so VdK-Sprecherin Cornelia Jurrmann.
Flexible Beschäftigungsformen wie Minijobs sind aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) indes unverzichtbar für die Arbeitsmarktdynamik: „Sie erleichtern den Einstieg in Arbeit und bieten neue Beschäftigungsperspektiven für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose.“
In den Augen der Gewerkschaften ist das „Rosinenpickerei“. „Der Arbeitgeber holt sich den Arbeitnehmer ran, wenn er ihn braucht, und wenn er ihn nicht mehr braucht, wird er wieder entlassen“, kritisiert der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Johannes Jakob. Minijobs führten zu einer Entwertung der eigenen Qualifikation.
Entscheidend ist auch das Alter: Berufsanfänger erhalten oft nur einen befristeten Vertrag und sind damit atypisch beschäftigt, wie das WSI schreibt. Unter den 15- bis 24-Jährigen betrifft das fast ein Drittel. Außerdem ist entscheidend, ob man Deutscher ist oder nicht und wie hoch der Bildungs- oder Berufsabschluss der Arbeitnehmer ist.