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Kritik an Streckennetz „Bremen wird zu einer Provinzstadt“

Für einige Unternehmen ist es ein großes Problem, dass Toulouse und Brüssel künftig nicht mehr von Bremen aus angeflogen werden. Doch Kritik gibt es auch an anderen Standortfaktoren.
21.10.2017, 06:00 Uhr
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Von Patrick Reichelt und Maren Beneke

Flüge in die Metropolen Europas – für international agierende Unternehmen sind sie ein wichtiger Standortfaktor. Ab kommender Woche werden vom Bremer Flughafen mit Toulouse und Brüssel zwei wichtige europäische Städte nicht mehr direkt angeflogen. Für Unternehmen wie Arcelor-Mittal Bremen oder Airbus ist das ein echtes Problem. Aber auch andere Firmen aus der Hansestadt sind betroffen.

Neusta Consulting zum Beispiel. Das Unternehmen, das zu Team Neusta gehört, hat einen Standort in Toulouse, der Geschäftsführende Gesellschafter Thorsten Prüser ist oft in die französische Stadt geflogen. „Mein Eindruck war, dass der Flieger gut ausgelastet ist“, sagt er. Die Lufthansa-Tochter BMI Regional, die die Flüge durchführt, widerspricht. Aus wirtschaftlichen Gründen würden die Verbindungen eingestellt, hatte ein Sprecher in dieser Woche mitgeteilt (wir berichteten). Für Prüser passt das Einstellen der Verbindung ins Bild. „Bremen wird immer mehr zu einer Provinzstadt“, sagt er. Die Wirtschaft konzentriere sich immer mehr auf die Metropolen. Bremen müsse mehr für seine Attraktivität tun.

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Die Anziehungskraft der Hansestadt ist auch beim Nahrungs- und Genussmittelkonzern Mondelez ein großes Thema. „Wir stehen durchaus vor der Herausforderung, junge internationale Talente für den Standort zu begeistern“, sagt eine Sprecherin. Dabei seien mangelnde Fluganbindung, wenig Internationalität und die geringe Bekanntheit der Stadt immer wieder Punkte. Dennoch habe sich das Unternehmen bewusst für Bremen entschieden: „Wir haben hier eine lange Historie und sind eng mit der Stadt verwurzelt.“ Die Mitarbeiter des Mondelez-Verwaltungssitzes ziehen bis Ende 2017 von der Neustadt in die Überseestadt.

„Wir müssen uns alle gemeinsam anstrengen, um die Attraktivität der Stadt zu erhöhen“, sagt auch ein Sprecher des Raumfahrtunternehmens OHB. Zwar arbeiten 36 unterschiedliche Nationalitäten in der Firma. Aber: Hätten Bewerber mit Kindern Angebote von Betrieben an anderen Standorten, komme es schon vor, dass diese vorgezogen würden. Das habe aber weniger mit der Erreichbarkeit, sondern mehr mit Faktoren wie Bremens Abschneiden in den Bildungsrankings zu tun.

Verkehrsinfrastruktur für Unternehmen wichtig

Die Verkehrsinfrastruktur spielt für Unternehmen bei der Wahl ihres Standorts sehr wohl eine große Rolle, sagt André Heinemann vom Institut Arbeit und Wirtschaft in Bremen. „Hier hat die Stadt noch Luft nach oben.“ Ein weiteres Kriterium seien die sozialen Strukturen. „Führungskräfte schauen etwa auf die Kinderbetreuung und das soziale Umfeld“. Nach seinen Angaben verliert die Hansestadt immer mehr an Bedeutung für Konzerne. Der Weggang von internationalen Unternehmen wie Kellogg zeige: „Große Entscheidungen werden hier immer seltener getroffen.“

Aus dem Wirtschaftsressort heißt es dagegen: „Bremens Wirtschaft lebt und wächst kräftig.“ Die internationale Attraktivität einer Stadt bemesse sich nicht an einzelnen Flugrouten, sagt Tim Cordßen, Sprecher von Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Er ist zuversichtlich, dass der Bremer Flughafen es schaffen wird, neue Fluggesellschaften für die Strecken nach Toulouse und Brüssel zu finden – auch, weil es nach seinen Angaben keine Auslastungsprobleme auf den Strecken gegeben habe.

„Die Erreichbarkeit ist ein wichtiger Standortfaktor“, sagt dagegen Friso Schlitte, der bei der Handelskammer Bremen im Bereich Standortpolitik, Häfen und Verkehr arbeitet. Das gelte insbesondere für Unternehmen, die international tätig und deren Mitarbeiter und Geschäftskunden auf eine gute Anbindung angewiesen sind. Brüssel nennt Schlitte ein wichtiges Drehkreuz für Unternehmen, die international oder auf europäischer Ebene agieren.

Positiv hatte zuletzt das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut HWWI die Erreichbarkeit Bremens bewertet. Zwar nicht mit Bezug auf die möglichen Flugverbindungen in die Stadt. Die Wissenschaftler bewerten vielmehr, wie gut Flughafen, Autobahn und Hauptbahnhof erreichbar sind – und hier verzeichnet Bremen Bestwerte.

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