Zu viele Pakete, zu wenige Fahrer: Die Situation gleicht sich bundesweit. Deutschland lässt sich das Fest nach Hause schicken – und die Lieferdienste sind vom Weihnachtsgeschäft überfordert. Für viele Wartende heißt das derzeit: Geduld haben, Ruhe bewahren. Für die Bremer Kunden des Lieferanten DHL dürfte das in den kommenden Tagen noch wichtiger werden als anderswo in der Republik. Sie könnten noch länger auf ihre Pakete warten müssen.
Die Gewerkschaft Verdi hat weitere Warnstreiks der Paketzusteller vor Weihnachten angekündigt. Auch in Bremen sollen die Paketboten in den kommenden Wochen erneut die Arbeit niederlegen. Gleich mehrfach könnte es vor dem Fest Streiks geben, sagt Thomas Warner, der bei Verdi in Bremen die Sparte Postdienstleistungen verantwortet.
10,75 Euro pro Stunde
Anlass ist der aktuelle Tarifstreit in der Postdienste-, Speditionen- und Logistikbranche. Auch nach der fünften Verhandlungsrunde am Dienstag, die bis in die Abendstunden andauerte, liegen Unternehmen und Gewerkschaft noch immer weit auseinander. Nach Verdi-Angaben verdienen die Bremer Paketzusteller momentan 10,75 Euro pro Stunde.
Die Gewerkschaft fordert ein Lohnplus von 6,5 Prozent. Die Arbeitgeberseite bietet ihren Beschäftigten seit Dienstag 2,6 Prozent mehr Geld ab dem 1. Januar an. 2019 soll es noch einmal weitere 2,2 Prozent mehr geben. Der Gewerkschaft ist das deutlich zu wenig. Warner nannte das Angebot der Arbeitgeber „völlig inakzeptabel“.
Vor einigen Jahren hat das Logistikunternehmen DHL seinen Paketzustelldienst in ein eigenes Subunternehmen ausgegliedert. Seitdem sind die Bremer Boten bei DHL Delivery beschäftigt und werden nicht mehr nach dem Haustarif der Post bezahlt. Stattdessen bekommen sie den niedrigeren niedersächsischen Flächentarif der Speditions-und Logistikbranche, über den bereits seit Monaten gestritten wird. Am 25. Januar soll nun weiterverhandelt werden. Mit erneuten Streiks kurz vor Weihnachten will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber weiter erhöhen.
Die Kunden sind die Leidtragenden
„Ein erneuter Streik würde uns genauso treffen wie die vorherigen Maßnahmen auch, er hätte wohl die gleichen Auswirkungen“, sagt Maike Wintjen, die für Bremen zuständige Sprecherin der Deutsche Post DHL Group. "Die Kunden werden das ausbaden müssen, sie sind letztlich die Leidtragenden."
In der vergangenen Woche waren rund 15.000 Pakete in den beiden Depots der Tochterfirma DHL Delivery im Güterverkehrszentrum (GVZ) und in Gröpelingen liegen geblieben. Inzwischen seien alle Pakete aus der Vorwoche ausgeliefert, sagt Wintjen. Doch in den sozialen Netzwerken klagen weiterhin viele Bremer Nutzer über nicht zugestellte Pakete. Weitere Arbeitskämpfe der Zusteller würden dafür sorgen, dass sich die Pakete in den Bremer Depots erneut stapeln. Für die DHL könnte das zum Problem werden. Zu Weihnachten droht in Bremen der Paketkollaps.
Schon ohne Streiks ist die Weihnachtzeit die intensivste Phase des Jahres für die deutschen Paket- und Lieferdienste. Knapp 15 Millionen Pakete liefert die Branche zwischen Anfang November und Ende Dezember aus – pro Tag. An Spitzentagen in der Vorweihnachtszeit fährt die Deutsche Post DHL Group doppelt so viele Sendungen aus wie gewöhnlich.
8,5 Millionen Pakete täglich
8,5 Millionen Pakete müssen die DHL-Fahrer bundesweit an so einem Tag zustellen. Die Ursache liegt im Onlinehandel: In diesem Jahr wollen 70 Prozent der Deutschen laut einer Studie des Händlerbunds ihre Weihnachtsgeschenke im Internet bestellen – und selbstverständlich nach Hause geliefert bekommen.
"Das ist ein extrem sportliches Programm für unsere Zusteller", sagt Post-Sprecherin Wintjen. Das Unternehmen hat deshalb reagiert und bundesweit etwa 10.000 zusätzliche Kräfte für die Weihnachtszeit eingestellt. Für Verdi ist das nicht genug. Jährlich stiegen die Sendungsmengen um sechs bis zwölf Prozent an, schätzt die Gewerkschaft. Und weil nicht im gleichen Ausmaß eingestellt werde, würden die Zustellbezirke immer größer, erst recht zu Weihnachten. "Der Druck ist groß, oft kommen pro Tag 200 Pakete oder mehr auf einen Zusteller", sagt Thomas Warner. Auch deshalb blieben die Paketzusteller selten über mehrere Jahre in der Branche.
Verdi fordert deswegen im aktuellen Tarifstreit einen Vertrag, der vorsieht, dass Zusteller mit steigenden Berufsjahren zusätzlich vergütet werden. Alle zwei Jahre sollen die Beschäftigten eine Gehaltserhöhung von 50 Euro pro Monat erhalten. Die Gewerkschaft will so verhindern, dass Fahrer die Branche schnell wieder verlassen. Doch diesen Vorschlag haben die Arbeitgeber am Dienstagabend kategorisch ausgeschlossen.