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Gegen den Trend der Offshore-Parks Bremer Firma setzt auf Windkraft an Land

Bremen. Derzeit redet bei der Windkraft alles von den großen Offshore-Parks. An die Anlagen, die sich seit inzwischen zwei Jahrzehnten auf dem Festland drehen, denken die wenigsten. Dabei sieht das Bremer Unternehmen Deutsche Windtechnik darin großes Potenzial.
21.05.2010, 06:01 Uhr
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Von Krischan Förster

Bremen. Derzeit redet bei der Windkraft alles von den großen Offshore-Parks. Bis 2030 sollen nach den Vorgaben der Bundesregierung 25000 Megawatt in der Nordsee installiert werden - das würde 15 Prozent des deutschen Stromverbrauchs abdecken. An die Anlagen, die sich seit inzwischen zwei Jahrzehnten auf dem Festland drehen, denken die wenigsten. Dabei sieht das Bremer Unternehmen Deutsche Windtechnik darin großes Potenzial und setzt verstärkt auf Repowering - den Austausch älterer Windräder gegen neue, sehr viel leistungsfähigerer Anlagen.

Vor einem Jahr ist das noch junge Unternehmen auf ein historisches Areal direkt am Bremer Weserufer gezogen. Dorthin, wo einst die Norddeutsche Hütte vor mehr als einem Jahrhundert ihre Produktion aufnahm. Seit das Stahlwerk Mitte der 1950er Jahre flussabwärts nach Mittelsbüren umzog, lag das Gelände mehr oder minder brach. Bis die Deutsche Windtechnik, die vor drei Jahren gegründet wurde, um mehrere Einzelfirmen unter einem Dach zu vereinigen, auf der Suche nach einem neuen Firmensitz auf diesen industriehistorischen Standort mit seinen 50000 Quadratmetern freier Fläche stieß. 'Wir waren sofort davon angetan', berichtet DWT-Geschäftsführer Matthias Brandt.

Kein Gedanke daran, die uralte Halle von 1908 abzureißen. Stattdessen sollen unter dem Spitzgiebel auf einer Fläche von 80 mal 30 Metern Büro-Lofts, ein Ausbildungszentrum sowie ein Technikzentrum für die Wartung von Windenergieanlagen entstehen. Das Geschäft brummt: Mit 50 Mitarbeitern war man gestartet, 150 sollen es bis Jahresende werden. Die Monteure und Techniker sind zwischen Nordsee und Schwarzwald im Einsatz, sie reparieren Turbinen, Türme und Fundamente, tauschen in luftigen Höhen Getriebe und Rotorblätter aus oder übernehmen den kompletten Ölservice, aber auch die Betriebsführung von Anlagen und Umspannwerken. Alles Leistungen, die wegen der wachsenden Zahl von Windrädern stark nachgefragt werden und den Expansionskurs der DWT befördert haben, die inzwischen mehr als 1000 Anlagen betreut.

Jährlich 25 Prozent Wachstum

Die traditionellen Geschäftsfelder, die bislang regelmäßig für rasante Wachstumsraten von 25 bis 30 Prozent und einen Jahresumsatz von zuletzt 15 Millionen Euro gesorgt haben, sollen auch künftig gepflegt werden. Das größte Potenzial wird aber im Austausch alter Anlagen gesehen, der gerade erst begonnen hat. 'Wir wollen hier in Bremen das führende Zentrum auf dem Gebiet des Repowering werden', sagt Brandt.

Derzeit drehen sich im Bundesgebiet etwa 22000 Windräder. Die dahinter stehende Investitionssumme beläuft sich auf 30 Milliarden Euro. Dabei hatte die Branche vor gerade einmal zwei Jahrzehnten erst so richtig losgelegt. Zunächst in Küstennähe, in den starkwindigen und dünn besiedelten Regionen Schleswig-Holsteins und Niedersachsens, später auch im tieferen Binnenland, schossen Windräder wie Pilze aus dem Boden. Kritiker und verärgerte Anwohner schimpften angesichts einer damals noch fehlenden speziellen Raumplanung über Wildwuchs und 'Spargelsalat'.

Für diese eher niedrigen und nach heutigen Maßstäben leistungsschwachen Anlagen mit weit weniger als einem Megawatt an Leistung steht nun eine erste Erneuerungswelle an. Der englische Begriff 'Repowering' lässt sich weniger wörtlich, als viel besser mit einem Motto übersetzen: weniger Anlagen bei höherer Leistung. Gleichzeitig sollen dank der moderneren Technik die vielfach beklagten Einflüsse auf die unmittelbare Umgebung (Blinkfeuer, Schlagschatten, Lärm) trotz der größeren Dimensionen minimiert werden.

Erneut stehen jetzt Milliarden-Investitionen an. 'Dabei wollen wir ordentlich mitmischen', sagt Klaus Meyer, Chef des ebenfalls in Bremen ansässigen Projektentwicklers WPD und Aufsichtsratschef der Deutschen Windtechnik. Neben dem traditionellen Geschäft an Land, wo die DWT als Hersteller-unabhängiger Dienstleister für Wartung und Service agiert und insgesamt mehr als 1000 Wind-Anlagen betreut, und dem Zukunftsfeld Offshore soll Repowering das dritte starke Standbein des Unternehmens werden. 'Unser Standort hier in Bremen kann künftig eine überragende Rolle spielen', sagt Meier. Sein Optimismus kommt nicht von ungefähr.

Bei bundesweit 6300 Anlagen, zehn Jahre und älter, lohnt nach Angaben des Deutschen Instituts für Windenergie (DEWI) die Umrüstung. Betroffen sind Rotoren mit vergleichsweise bescheidenen 500 oder 600 Kilowatt. Zum Vergleich: An Land sind zwei oder drei Megawatt normal geworden, im ersten deutschen Windpark 'Alpha Ventus' wurden Fünf-Megawatt-Windräder installiert, Experten halten sogar Turbinen mit der doppelten Leistung schon bald für möglich.

Austausch von Alt gegen Neu

Meyer erwartet jetzt einen erheblichen Schub: 1000 bis 1500 Anlagen könnten jährlich ausgetauscht werden. Und die DWT hat längst vorgemacht, wie Repowering funktionieren kann. Drei alte Anlagen in Achim, Osterholz-Scharmbeck und in Syke wurden jüngst abgebaut, generalüberholt und ins Ausland verkauft. Für die vermeintlich alte Technik gebe es durchaus Nachfrage, vornehmlich in Osteuropa und in Afrika, sagt Brandt. An ihrer Stelle dreht sich jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft der Bremer Firmenzentrale ein Zwei-Megawatt-Windrad. Noch in diesem Jahr will die DWT nach Angaben ihres Geschäftsführers Brandt mindestens weitere 20 Alt-Anlagen abbauen, im kommenden Jahr könnten es schon 60 bis 80 sein.

Ähnliches passiert derzeit auf dem Klärwerksgelände in Bremen-Seehausen: Je 30 Meter hohe und insgesamt 1,4 Megawatt leistende Anlagen werden dort durch einen einzigen Zwei-Megawatt-Rotor mit 150 Metern Nabenhöhe ersetzt. Bremen liegt mit seinen 50 Anlagen und insgesamt 80 Megawatt Leistung im Ländervergleich zwar noch vor Bayern und Baden-Württemberg, einem Ausbau der Windkraft sind in dem kleinen Stadtstaat aber natürliche Grenzen gesetzt. 'Repowering' ist daher eine Alternative zur Neuinstallation, das Seehauser Modell könnte also Vorbild für weitere Vorhaben dieser Art werden.

Lob vom Umweltsenator

So kam auch Reinhard Loske, grüner Umweltsenator und nicht nur von Amts wegen Fan der erneuerbaren Energien, gern bei der DWT vorbei, als diese am Dienstag mehr als 400 Branchenvertreter zu einem 'Schautag' auf dem Firmenareal versammelte. Die DWT-Manager fuhren ihn und andere Besucher mit dem eigens angemieteten 'Skytable', einer speziellen Event-Hebebühne, per Kran auf 20 Meter Höhe, um ein klein wenig die übliche Arbeitsbedingungen ihrer Monteure zu simulieren.

Der Grünen-Politiker wurde dort von einer frischen und kühlen Brise zwar ordentlich durchgerüttelt, zeigte sich aber beeindruckt: 'Bremen ist mit seiner Fülle an Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereits einer der führenden Windkraftstandorte in Europa. Hier entsteht jetzt ein weiterer Vorzeigestandort', verteilte er Lob an die DWT.

Das noch junge Unternehmen will jetzt weiter wachsen und investieren, gemeinsam mit den Universitäten in Bremen und Oldenburg auch in Forschung und Entwicklung und in das Technologiezentrum für erneuerbare Energien. 'Wir haben erst ein Drittel dessen geschafft, was wir uns vorgenommen haben', sagt Aufsichtsratschef Meyer.

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