Bärbel Peters ist im Bremer Stadtteil Arbergen Hörgeräteakustikerin, und für sie ist das der schönste Beruf der Welt. Sie sagt: „Wir können in diesem Beruf den Menschen die Lebensqualität zurückgeben. Man sieht den Erfolg seiner Arbeit sofort, wenn die Hörsysteme zum ersten Mal am Kundenohr eingeschaltet werden. Das Glitzern in den Augen ist Gold wert.“ Sie selbst ist zu diesem Beruf gekommen, weil sie damals beim Arbeitsamt einen Test gemacht hat, welche Ausbildung denn zu ihr passen könnte.
Mehr als 1500 Schüler bisher angemeldet
Nun sucht sie selbst einen Azubi für das kommende Jahr und geht dabei einen neuen Weg. Denn sie gehört zu den 27 Firmen, die am Freitag im Weserpark bei der Handwerksshow all ihre Berufe vorstellen werden – statt Arbeitsamt also Einkaufszentrum. So hoffen sie alle, die Jugendlichen für eine Ausbildung begeistern zu können. Dazu will Peters „einen kleinen Lauschangriff“ starten, aber noch nicht mehr dazu verraten. Als sie in einer E-Mail von der Handwerkskammer zum ersten Mal von der geplanten Show gehört hatte, meldete sie sich sofort an, um dabei zu sein.

Martina Jungclaus, Hauptgeschäftsführerin Handwerkskammer Bremen
Das Interesse scheint groß zu sein. Denn auch bereits mehr als 1500 Schüler haben sich für diese Show zusammen mit ihren Lehrern angemeldet. Sie werden ab neun Uhr im Cinestar-Kino für Gespräche und verschiedene Talkrunden auf der Bühne und Präsentationen im Weserpark sein. Ab 13 Uhr startet dann der offizielle Teil der Show im Weserpark, ebenso mit Präsentationen und Azubis auf der Bühne, die von ihrem Beruf erzählen. Dorthin können alle Interessierten spontan auch ohne Anmeldung kommen, um sich Infos für eine Ausbildung zu holen. Durch das Programm führt unter anderem Ex-Bachelor Jan Kralitschka. Er bezeichnet sich selbst als leidenschaftlicher Heimwerker und wird gegen Zimmerleute im Dreikampf antreten.
Leichtes Minus gegenüber 2016
Während eines Foto-Shootings wird auch Miriam Engelhardt vom Friseur Ubeo in der östlichen Vorstadt mit auf der Bühne sein. Da bei ihnen gerade ein Azubi im zweiten Lehrjahr ist, suchen sie momentan keinen Azubi. Aber Engelhardt ist es ein persönliches Anliegen, ihr Friseurhandwerk zu präsentieren: „So viele gehen studieren und sehen gleichzeitig eine Ausbildung nicht mehr als hochwertigen Beruf an.“ Was das Schöne an ihrem Beruf ist, will sie den Jugendlichen zeigen: „Jeder Tag und jede Stunde ist anders und abwechslungsreich. Bei uns sieht man sofort das Resultat von dem, was wir gearbeitet haben. Und wenn der Kunde wiederkommt, sieht man, dass er zufrieden ist. Bei uns ist das mit den Stammkunden fast schon wie eine große Familie.“ Aber Engelhardt berichtet auch, dass es keine Gesellen gibt und es auch schwierig ist, Azubis zu finden: „Allerdings ist da die Situation bei Friseuren wohl immer noch besser als bei Klempnern.“
Die Zahlen zeigen den Abwärtstrend. Nach Angaben der Bremer Handwerkskammer wurden in ihrem Bezirk bis Ende September 1016 neue Ausbildungsverhältnisse geschlossen. Das entspricht laut Kammer einem leichten Minus gegenüber 2016. Insgesamt gibt es in dem Bereich, für den die Handwerkskammer zuständig ist, 3049 Ausbildungsverhältnisse. Das ist ein Plus von knapp 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt lag die Zahl aller neuen Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr bei 7350. Dazu gehören auch noch die kaufmännischen sowie die schulischen Ausbildungsplätze. Aktuelle Zahlen dazu wird die Arbeitsagentur im November veröffentlichen.
Handwerk auch für junge Menschen attraktiv
Martina Jungclaus, Hauptgeschäftsführerin der Bremer Handelskammer, sagt: „Diese Zahlen zu erreichen wird von Jahr zu Jahr schwieriger, weil immer mehr Jugendliche ein Studium anstreben. Alleine in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Schulabgänger aus Haupt- und Realschulen bundesweit um 150.000 gesunken. Vielen Jugendlichen ist nicht bewusst, dass ein Handwerksmeister in seinem Berufsleben durchschnittlich genauso viel verdient wie ein Fachhochschulabsolvent.

Ex-Bachelor Jan Kralitschka ist an diesem Freitag im Weserpark bei der Handwerksshow.
Handwerksmeister sind auch seltener arbeitslos als Akademiker." Nicht zuletzt sei laut Jungclaus das Handwerk auch für junge Menschen attraktiv, die ein eigenes Unternehmen führen wollen, weil die Quote der erfolgreichen Unternehmensgründungen auf der Basis einer Meisterprüfung mit 70 Prozent sehr groß ist. Jungclaus ergänzt: "Bis zum Jahr 2020 werden mehr als 180 000 Handwerksbetriebe bundesweit einen Nachfolger suchen. Damit folgt dem Fachkräftemangel im deutschen Handwerk ein Unternehmermangel." Die Handwerkskammer geht momentan davon aus, dass sie bis zum Jahresende doch noch in etwa die gleichen Ausbildungszahlen erreichen kann wie auch 2015 und 2016.
Speed-Praktika
Jungclaus betont auch: "Die Politik und die Kammern setzen sich verstärkt für die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung ein“. Um das zu unterstreichen, werden auch Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) und Arbeitssenator Martin Günthner (SPD) die Show besuchen. Auch um dem drohenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken, will die Kammer mit dieser Handwerksshow neue Wege zur Unterstützung in der Berufsorientierung gehen. Die Veranstaltung soll als Bindeglied zwischen Schulen und Unternehmen dienen. Denn in den vergangenen Monaten berichteten einige Lehrer im Gespräch mit dem WESER-KURIER, dass sie gern mehr Kontakt zu den Betrieben hätten, und die Unternehmer irgendwie einen Draht zu den Schulen. Wenn sich am Ende des Tages das Format als Erfolg erweist, könnte es auch als Vorbild dienen für die Handwerkskammern in anderen Bundesländern.
Die Betriebe, die all ihre Gewerke zeigen, hoffen auf künftige Azubis. Hörgeräteakustikerin Peters bietet Interessierten sogar Speed-Praktika an: „Da können die Jugendlichen nach der Schule für einen oder zwei Nachmittage bei uns vor Ort schauen, ob der Beruf auch für sie etwas sein könnte.“ Auf dass auch sie den Kunden in Zukunft ein Glitzern in die Augen zaubern.