Darwish Barkel fühlt sich gut betreut von der Jugendberufsagentur (JBA). Der 24-jährige Syrer, der vor einigen Jahren nach Deutschland floh, ist seit Kurzem Auszubildender bei der Bremer Landesbank. Zuvor hat er dort eine Einstiegsqualifizierung absolviert. „Ich fühle mich voll unterstützt“, sagt Barkel. Der für ihn zuständige Mitarbeiter helfe ihm in vielerlei Hinsicht, momentan helfe er ihm dabei, seine Deutschkenntnisse zu vervollkommnen.
2014 kündigte die SPD an, eine Jugendberufsagentur aufzubauen. Carsten Sieling macht die Agentur 2015 zum Wahlkampfthema, im Mai wurde der Standort in Bremen-Mitte (einer von drei) feierlich eröffnet. Im rot-grünen Koalitionsvertrag heißt es: „Beratungs- und Unterstützungsangebote werden wir (...) gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter in Jugendberufsagenturen bündeln. Dort sollen die Fäden zusammenlaufen, um junge Menschen in Bremen und Bremerhaven direkt anzusprechen und Unterstützung konkret auf ihre jeweiligen Bedürfnisse abzustimmen.“

Darwish Barkel, seit Kurzem Azubi bei der BLB, wird von der Jugendberufsagentur betreut. Er fühlt sich "voll unterstützt".
Zielgruppe: Junge Leute von 16 bis 25 Jahren ohne Berufsziel
Zielgruppe der JBA sind Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren, die nach der Schule nicht wissen wohin, denen ein Ausbildungsplatz fehlt oder andere Voraussetzungen. Neben dem Wirtschafts-, dem Bildungs-, dem Sozialressort und der Stadt Bremerhaven gibt es eine Reihe von Kooperationspartnern: die Handels-, die Handwerks- und die Arbeitnehmerkammer sowie die Unternehmensverbände. Ziel der JBA ist nicht nur die Beratung und Vermittlung, sondern auch herauszufinden, was aus Schulabgängern wird, ob sie mit Ausbildungs- oder Studienplätzen versorgt sind oder Unterstützung brauchen können.
Mit der JBA, genauer: mit der Auswertung und Beurteilung ihrer Ergebnisse, befassen sich am Mittwoch die Mitglieder der staatlichen Wirtschaftsdeputation. Dabei geht es laut Vorlage unter anderem um folgende Fragen: „Ist die JBA organisatorisch richtig aufgestellt, um die gesetzten Ziele zu erreichen? Sind die Prozesse und eingesetzten Instrumente geeignet, um die Ziele zu erreichen?“ Rund zwei Jahre sind seit der Geburt der Agentur ins Land gegangen, und jetzt befasst man sich mit diesen Fragen?
3700 junge Bremer angeschrieben, 50 Termine
Der Aufbau der Agentur sei komplizierter gewesen, als man sich erhoffen und sich als Außenstehender vorstellen könne, sagt Carola Brunotte, Repräsentantin der JBA. Beim Datenschutz sei man auf Schwierigkeiten gestoßen, die einen institutionellen Datenaustausch nicht ohne Weiteres erlauben. Ein eigenes Informationsnetzwerk – beispielsweise mit Schulen – müsse aufgebaut werden. Mittlerweile sei man den berechtigten Anliegen des Datenschutzes gerecht geworden, indem man an den Schulen Einverständniserklärungen einhole, um den Weg der Absolventen im Auge behalten zu können. „Wir würden uns mehr Resonanz wünschen“, räumt Carola Brunotte ein, aber ein Anfang sei gemacht.
Besonders schwierig sei es, sich einen Überblick über die Lebenslage der jungen Frauen und Männer zu verschaffen, die die Schule bereits verlassen haben. Im Sommer wurden mehr als 3700 junge Bremer „mit unklarem Verbleib“ angeschrieben, referiert Tim Cordßen, Sprecher des Wirtschaftsressorts. Gut 50 „konkrete Beratungstermine“ seien daraus entstanden, telefonische Kontakte ausgenommen. Cordßen: „Das ist nicht viel, muss man aber so hinnehmen.“ Der Zustand sei vorübergehend, da die Daten künftig früher und damit besser erfasst werden könnten. „Es müssen erst einmal die entsprechenden Strukturen geschaffen werden.“ Der Datenaustausch für eine „systematische Verbleibsklärung“ müsse organisiert werden, und das dauere.
Mehr Beratungsgespräche
Trotz derartiger Anlaufschwierigkeiten ist Carola Brunotte vom Erfolg der JBA überzeugt. „Das ist ein Marathon, und wir sind noch auf den ersten zehn Kilometern. Aber die Zahl der Personen, die wir beraten oder beraten haben, ist seit 2015 deutlich nach oben gegangen.“ Gerade jungen Menschen in schwierigen Phasen komme entgegen, dass sie nicht von Pontius zu Pilatus laufen müssten, sondern unter einem Dach ihre Ansprechpartner finden. „Die Beratungsqualität hat sich in vielen Fällen verbessert.“
Zudem gibt es die „aufsuchende Beratung“, um junge Leute zu erreichen, die womöglich in besonderer Form Beistand brauchen. Zwei Fachleute seien in Bremen, zwei in Bremerhaven unterwegs, um die Heranwachsenden dort anzusprechen, wo sie sich aufhalten, in Jugendfreizeitheimen, an üblichen Treffpunkten, um Kontakt herzustellen. Von Oktober 2015 bis Mitte September 2017 bilanziert die JBA hier fast 130 Einzel- sowie eine Reihe von Gruppenberatungen in Schulen oder anderen Veranstaltungen.
In Hamburg existiert seit fünf Jahren eine Jugendberufsagentur. Die Bilanz: 2012 hätten gut 25 Prozent der Schulabgänger nach der zehnten Klasse direkt eine Ausbildung begonnen, 2016 waren es knapp 35 Prozent. Als weiterer Erfolg wird gewertet, heißt es in einem Artikel des Bundesinstituts für Berufsbildung, dass „die Verbleibe der Jugendlichen nach Klasse 10 zu 100 Prozent lückenlos bekannt“ seien. Die Hamburger hätten indes nicht nur einen zeitlichen Vorsprung, sagt Carola Brunotte, sondern auch einen finanziellen sowie personellen. In Bremen seien in den Ressorts „einige wenige Stellen“ hinzugekommen. „Das hat in Hamburg schon eine andere Dimension.“
Ziel: „Ganzheitliches, individuelles Beratungsangebot“
Die Erwartungen der Handelskammer an die JBA sind laut Björn Reichenbach, Referent im Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung, noch nicht erfüllt. „Die Stoßrichtung der institutionenübergreifenden Zusammenarbeit“ sei zweifellos richtig. Es gebe auch „punktuelle Verbesserungen“, aber „es ist immer noch ein zäher Prozess“. Ein durchschlagender Erfolg lasse noch auf sich warten. Das liege vermutlich auch an der Konstruktion: Die JBA sei „eine Verwaltungsvereinbarung“ und keine eigene Institution mit eigenem Personal und Budget, was aufgrund der diversen Zuständigkeiten zwischen Land und Bund auch nicht möglich sei. Das stehe „großen Schritten“ womöglich auch im Weg.
Die Arbeitnehmerkammer lobt, „dass junge Menschen bei ihrem Weg in Ausbildung und in den Beruf alle Unterstützung unter einem Dach vorfinden sollen“, so Regine Geraedts, Referentin für Arbeitsmarktpolitik. „Jetzt geht es darum, die JBA zügig als ein ganzheitliches, individuelles Beratungsangebot zu etablieren, das die Jugendlichen gerne und mit Erfolg in Anspruch nehmen.“
Darwish Barkel ist ein positives Beispiel für die Arbeit der JBA, und für ihn ist die Jugendberufsagentur ein positives Beispiel für die Hilfe zur Integration, die er brauche.