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Bremer Landesbank Bremer Landesbank drohen Millionen-Ausfälle

Die Hälfte der Schiffskredite der Bremer Landesbank (BLB) ist leistungsgestört. Das sagte der BLB-Vorstandsvorsitzende Stephan-Andreas Kaulvers im Gespräch mit dem WESER-KURIER.
08.06.2016, 17:08 Uhr
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Bremer Landesbank drohen Millionen-Ausfälle
Von Maren Beneke

Die Hälfte der Schiffskredite der Bremer Landesbank (BLB) ist leistungsgestört. Das sagte der BLB-Vorstandsvorsitzende Stephan-Andreas Kaulvers im Gespräch mit dem WESER-KURIER.

Herr Kaulvers, der erwartete Verlust Ihrer Bank, den Sie in der vergangenen Woche öffentlich gemacht haben, passt so gar nicht mit den Zahlen Ihrer Bilanz für das Jahr 2015 zusammen. Wie kommt es, dass die Bremer Landesbank von heute auf morgen in solch große Schwierigkeiten geraten ist?

Stephan-Andreas Kaulvers: Bis November sind wir von einem Jahresgewinn zwischen 40 bis 50 Millionen Euro ausgegangen. Dann gab es plötzlich einen abrupten Einbruch aller Schiffscharterraten. Im Dezember kamen dann die ersten Ergebnisse aus der EZB-Prüfung, die wir noch im Dezember in den Jahresabschluss eingearbeitet haben.

Diese Bemühungen haben offenbar nicht gereicht.

Es gibt für das Jahr 2015 einen Jahresabschluss, der Mitte März ohne Beanstandungen testiert worden ist. Diese Zahlen habe ich auf der entsprechenden Pressekonferenz erläutert. Ende März wurden wir schließlich von der EZB über die abschließenden Ergebnisse ihrer Überprüfung informiert. Die Anforderung an uns: Wir sollen die Bewertungskriterien für unsere Schiffe noch einmal deutlich verschärfen, noch mehr Schiffe in den Exit schicken – und unser Portfolio in Höhe von 700 Millionen Euro wertberichtigen.

Die Bankenaufsicht sieht für viele Ihrer Schiffe also keine Zukunft mehr. Waren Sie zu optimistisch bei der Bewertung Ihres Portfolios?

Wir waren absolut überrascht von dieser Einschätzung. Diesen Unterschied kann ich mir nicht erklären. Ich weiß definitiv nicht, wie die EZB auf 700 Millionen Euro gekommen ist. Fakt ist, dass wir sämtliche Gremien einen Tag später über dieses Gespräch informiert haben. Im Trägerkreis haben wir dann darüber beraten, ob wir diese 700 Millionen Euro wertberichtigen, was zu einem Verlust dieser Bank führen wird – oder ob wir uns gegen die Forderung der EZB wehren sollten. In Abstimmung mit den Trägern haben wir uns darauf festgelegt, dass wir wertberichtigen.

Mit welcher Folge?

Auf Basis dieser Annahmen haben wir die Risikovorsorge neu kalkuliert. Wir sind dann per Gesetz verpflichtet, umgehend eine Ad-Hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Das haben wir in der vergangenen Woche getan. Bis zu dieser Mitteilung darf keines der Gremienmitglieder über deren Inhalt sprechen – sonst droht ein Bußgeld. Deswegen kommen solche Veröffentlichungen für externe Beobachter immer überraschend.

Ihre Schiffskredite haben aktuell einen Umfang von 6,5 Milliarden Euro. Wie viele dieser Schiffe können ihre Kredite nicht mehr zahlen?

Ungefähr die Hälfte des Portfolios ist leistungskonform: Diese Schiffe zahlen ihre Zinsen und Tilgung. Die andere Hälfte ist im sogenannten Ausfall und damit leistungsgestört. Das sind die Schiffe, die ihre volle Zins- und Tilgungsleistung nicht mehr erbringen können. In der Vergangenheit haben wir uns bemüht, solche Problemschiffe und die damit verbundenen regionalen Reeder zu stützen. Das geht natürlich nicht mehr, wenn diese Schiffe nun auf Exit gestellt werden und damit in die Insolvenz gehen.

Wie viele Schiffe betrifft das?

Die Zahl lässt sich noch nicht konkret beziffern. Wir schauen uns jetzt in jedem Einzelfall an, ob eine Reederei noch in der Lage ist, ihre Schiffe zu stützen und wie der Zustand der Schiffe ist.

Kommt diese Einsicht nicht zu spät?

Wir haben die Risikovorsorge für die Schiffe in den letzten Jahren immer wieder deutlich aufgestockt. Und wir haben schon sehr früh gesagt, dass wir die gesamte Performance dieser Bank für diese Wertberichtigung brauchen. Der Hinweis, dass unser Segment Schiffe risikoreich ist, war also ganz klar da. Womit wir aber nicht rechnen konnten, ist, dass eine solche Schiffskrise, wie wir sie jetzt erleben, in ihr achtes Jahr geht.

Das sieht nicht jeder so. Die Kritik von außen wird immer lauter, dass Sie sich schon viel früher von Ihren Schiffen hätten trennen müssen.

Jeder hat seine eigenen Markteinschätzungen. Das Schiffskreditgeschäft ist seit mehr als 30 Jahren Kerngeschäft der Bremer Landesbank. Wir haben etliche Krisen mitgemacht und alle Krisen haben sich in einem Zeitraum von drei bis vier Jahren wieder erledigt. Aus diesem Erfahrungsschatz heraus und aus der Prognose der zwei wesentlichen Markteinschätzungsinstituten haben wir unsere Strategie entwickelt. Diese Prognosen sind nicht eingetroffen. Im Nachhinein betrachtet haben wir in den Jahren 2003 bis 2006 zu viel Schiffsfinanzierung gemacht.

Die Wertberichtigung von 700 Millionen Euro wird nun kommen, einen Teil davon können Sie aus Eigenmitteln stemmen. Wie geht es für die Bremer Landesbank nun weiter?

Die Träger haben sich ganz klar dazu entschlossen, dass sie den Verlust von 350 bis 400 Millionen Euro nach IFRS, der sich aus einer erhöhten Risikovorsorge ergibt, über Kapitalmaßnahmen auffangen. Ich gehe davon aus, dass die Träger eine Lösung finden werden – leider dauert das sehr lange.

Welche Lösung wäre Ihnen am liebsten? Es gibt ja verschiedenen Szenarien von der Abwicklung über die Verwässerung der Bremer Anteile bis hin zur Komplettübernahme durch die Nord-LB…

Natürlich habe ich eine eigene Meinung: Ich bin bereit, für die Selbstständigkeit dieser Bank zu kämpfen. Dafür bin ich hier angetreten. Aber am Ende ist das eine Trägerentscheidung. Und die habe ich als angestellter Manager zu akzeptieren.

Die BLB-Aufsichtsratschefin Karoline Linnert (Grüne) hat sich am Dienstag noch einmal ganz klar hinter Sie gestellt. Was bedeuten Ihnen persönlich solche Aussagen?

Darum geht es nicht. Was zählt, ist, dass Frau Linnert diese Bank erhalten möchte. Und das kann ich aus Sicht des Landes Bremen verstehen.

Demgegenüber steht die Lösung, die Niedersachsen offensichtlich versucht durchzudrücken: die Übernahme durch die Nord-LB. Wie ist Ihr Verhältnis zur Konzernmutter aktuell?

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich hierzu nicht äußern möchte.

Gemessen an dem Gesamtkapital Ihrer Bank von 1,5 Milliarden Euro sind die 700 Millionen Euro, die nun wertberichtigt werden müssen, ein extrem hoher Betrag. Da stimmen die Relationen doch nicht.

Das stimmt, diese Wertberichtigung geht an die Substanz dieser Bank. Deswegen brauchen wir auch diese Kapitalerhöhung so dringend. Ich mache mir Sorgen, dass die Verhandlungen darüber sich zu lange hinziehen. Das beschädigt diese Bank und damit auch den Vermögenswert des Landes Bremen und der Nord-LB.

Wie reagieren Ihre Mitarbeiter?

Sagen wir es mal so: Es sind kommunikativ stressige Zeiten.

Einiger Bremer Abgeordnete sind über die Höhe des Verlusts, den Sie nun öffentlich gemacht haben, nicht nur überrascht, sondern verärgert darüber, dass sie erst so spät darüber informiert worden sind.

Hierzu gilt das eben genannte Kommunikationsverbot bis zur Ad-hoc-Meldung. Es wäre schön, wenn sich der ein oder andere daran erinnern würde, dass wir zwischen 2006 und 2011 350 Millionen Euro an unsere Träger ausgezahlt haben, während andere Banken mit hohen Milliarden-Beträgen rekapitalisiert wurden. Nun sind wir in einer Situation, in der wir Kapital brauchen. Meine dringende Bitte an die Träger ist daher nun, dass sie dieses Kapital auch kurzfristig vereinbaren.

War es ein Fehler, damals in dieser Höhe auszuschütten?

Als ich in diese Bank gekommen bin, waren die Ausschüttungserfordernisse gerade erst vereinbart worden. Ich habe mich dann sofort zusammen mit dem damaligen Finanzsenator darum bemüht, dass die Ausschüttung weniger üppig ausfällt. Ich komme aus einer Welt, wo man sagt: Wenn ein Gewinn verteilungsfähig vorhanden ist, dann belässt man die Hälfte in der Bank, um weiteres Wachstum zu finanzieren. Und die andere Hälfte wird ausgeschüttet. Das war bei uns leider etwas anders strukturiert.

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