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17 Verhandlungen an einem Tag Vonovia-Marathon im Bremer Landgericht

Im Bremer Landgericht ist an diesem Mittwoch Vonovia-Marathon: In 17 Fällen geht es meist darum, wie Mieterhöhungen nach einer energetischen Sanierung für Mieter nachvollziehbar darzulegen sind.
01.09.2021, 05:30 Uhr
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Vonovia-Marathon im Bremer Landgericht
Von Florian Schwiegershausen

Eine solche Bündelung von Fällen hat es im Bremer Landgericht länger nicht gegeben. Die Erste Zivilkammer wird an diesem Mittwoch. 1. September, einen Vonovia-Marathon hinlegen. In 17 Fällen haben Bremer Mieter gegen den Wohnungskonzern geklagt und bei den früheren Verhandlungen vor dem Amtsgericht Recht bekommen. Daraufhin ist Vonovia in jedem dieser Fälle in Berufung gegangen – Verfahren, die zum Teil noch aus dem Jahr 2019 datieren.

Vonovia hatte eine ganze Reihe von Wohnungen energetisch modernisiert. Bis Ende 2018 durften die Vermieter bis zu elf Prozent der Kosten auf die Miete umschlagen. Seit 2019 dürfen bis zu acht Prozent auf der entstandenen Bausumme auf die Miete aufgeschlagen werden. Für einige Mieter, die schon seit Jahrzehnten in der gleichen Wohnung leben und einen entsprechend alten Vertrag haben, bedeutete dies eine Erhöhung um 40 Prozent der Kaltmiete, wie der WESER-KURIER berichtete.

Kann der Mieter auf den ersten Blick verstehen, wie sich die Mieterhöhung zusammensetzt?
Valentin Weiß, Mietrechts-Fachanwalt

Bei den meist ähnlich gelagerten Fällen soll es am Mittwoch darum gehen, welche Anforderungen an eine Mieterhöhung bei einer Modernisierung zu stellen sind. Der Bremer Fachanwalt für Mietrecht, Valentin Weiß, der bei so gut wie allen Verfahren am Mittwoch die Anwohner vertritt, sagt, um welche Fragen es geht: "Kann der Mieter nach Erhalt einer Modernisierungsmieterhöhung eines zur Vonovia SE gehörenden Unternehmens ohne besondere Vorbildung auf den ersten Blick verstehen, wie sich die Mieterhöhung zusammensetzt? Welche Anforderungen sind an die Aufschlüsselung der einzelnen Positionen unterteilt nach Modernisierungs- und Instandsetzungsanteilen zum Verständnis der Mieterhöhungserklärung erforderlich?"

In anderen Fällen zuvor hatten die zuständigen Zivilkammern des Bremer Landgerichts geurteilt, dass die Unterlagen, die Vonovia seinen Mietern zukommen ließ, nicht ausreichten. Die Richter hatten die Mieterhöhung kassiert. Gegen die Urteile des Bremer Landgerichts hatte Vonovia im April 2020 Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Das Unternehmen teilte dem WESER-KURIER jetzt mit, dass Deutschlands höchste rechtliche Instanz die Beschwerde abgelehnt hat.

Anlass der Klagen war eine energetische Modernisierung in einer Wohnanlage auf dem Peterswerder. Einen Teil der Kosten hatte der Wohnungskonzern auf die Miete um­geschlagen. Die Mieter sahen in den Schreiben an sie die ausgeführten Arbeiten nicht ausreichend detailliert nach einzelnen Gewerken aufgelistet. So konnten sie die Kosten nicht nachvollziehen und gingen gerichtlich dagegen vor.

Seit 2018 befassten sich drei Kammern der Bremer Gerichte mit den Fällen. Die Mieter hatten bereits vor dem Amtsgericht Recht bekommen. Danach zog Vonovia vor das Bremer Landgericht. Dort hatten vor der Zweiten Zivilkammer erneut die Mieter Erfolg. Das Gericht ließ wegen mangelnder Chancen auf Erfolg auch keine Berufung zu, die zum Bundesgerichtshof (BGH) geführt hätte. Dagegen klagte Vonovia daraufhin vor der Ersten Zivilkammer, um damit die Zulassung einer Revision zu erreichen. Das scheiterte jedoch. Der letzte mögliche juristische Schritt war die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.

Für den Verhandlungsmarathon am Mittwoch habe sich Vonovia wie sonst auch vorbereitet, sagt Sprecherin Panagiota-Johanna Alexiou: "Unsere Haltung und unsere Argumentationen sind klar und wir sind von deren Richtigkeit überzeugt. Alles Weitere zeigt sich bei Gericht." Außerdem sei jeder Fall anders und müsse individuell betrachtet werden: "Natürlich geht es im weitesten Sinne um Modernisierungen, aber es gibt viele verschiedene Ausgangssituationen und Konstellationen."

Das börsennotierte Unternehmen verweist hier auf eine "sehr vielfältige Rechtsprechung", wie es Alexiou ausführt. "In den vergangenen Monaten sehen wir aber, dass viele Gerichte unsere Vorgehensweise stützen, vor allem, wenn sie sich in den höheren Instanzen näher mit der Materie befassen." So habe das Landgericht Bonn (Az. 6 S 154/20) die Vorgehensweise von Vonovia bestätigt und dabei den Bremer Gerichten widersprochen.

Rechtsanwalt Valentin Weiß verweist dagegen auf Urteile der Landgerichte Hamburg und Stuttgart: "Nach bisher herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung muss eine Unterteilung in Untergewerke vorgenommen werden, damit die zum Teil sehr hohen Beträge für die Gesamtmaßnahme für den Mieter verständlich werden." Was bereits abzusehen ist: Für die Richter der Ersten Zivilkammer könnte es ein langer Tag werden.

Zur Sache

Vonovias letzter Übernahmeversuch läuft

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia hat vergangene Woche den letzten Übernahmeversuch für den Konkurrenten Deutsche Wohnen gestartet. Das Bochumer Unternehmen hat den Aktionären der Deutsche Wohnen das Angebot von 53 Euro je Aktie gemacht. Die Angebotsfrist endet voraussichtlich am 20. September um 24 Uhr. Damit soll der Kauf noch vor der Bundestagswahl über die Bühne gehen. Ein weiteres Übernahmeangebot werde es definitiv nicht geben, teilte der Immobilienkonzern mit.

Vonovia bietet den Deutsche-Wohnen-Anteilseignern wie bereits bekannt 53 Euro je Aktie. Damit wäre Deutsche Wohnen insgesamt 19 Milliarden Euro wert. Vonovia war im vergangenen Monat mit einer Offerte für die Nummer zwei auf dem deutschen Wohnungsmarkt in Höhe von 52 Euro je Anteilsschein knapp an der Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent gescheitert. Auch das neue Angebot hat eine Mindestannahmequote von 50 Prozent zum Ziel.

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