Den Bremer Stadtteil Horn-Lehe trennen von den Tropen ein paar Tausend Kilometer und an kalten Wintertagen gute 30 Grad Lufttemperatur. Und doch soll genau hier, an der Otto-Hahn-Allee im Technologiepark an der Uni, das neue Leibniz-Zentrum für marine Tropenforschung (ZMT) entstehen. Mangroven, Korallen und exotische Fische sollen in dem Gebäude ein neues Zuhause finden – neben 165 Wissenschaftlern, Technikern und Verwaltungsangestellten.
Beschlossen ist das Projekt schon seit Längerem. Der finanzielle Rahmen steht: 34,8 Millionen Euro wollen der Bund und das Land Bremen zahlen, um dem Institut einen zeitgemäßen Neubau bereitzustellen. Es gibt einen Gebäudeentwurf des Wiener Architekturbüros SWAP, das auf klimagerechtes Bauen spezialisiert ist.
Aber noch ist das Projekt in der Vorplanung; um viele Details wird weiterhin gerungen. Denn der Bau soll höchsten Ansprüchen an Nachhaltigkeit, Klimaschutz und den schonenden Umgang mit Ressourcen genügen. Schließlich befassen sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die in dem Tropeninstitut arbeiten, mit äußerst sensiblen Ökosystemen. „Der Neubau muss unserem nachhaltigen Anspruch gerecht werden“, sagt Nicolas Dittert, Kaufmännischer Geschäftsführer des ZMT.
Lebensgrundlage für drei Milliarden Menschen
Die tropischen Küsten mit ihren Mangrovenwälder und Korallenriffen gehören zu den artenreichsten Regionen der Erde. Sie bilden die Lebensgrundlage für mehr als drei Milliarden Menschen. Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen erforscht diese Ökosysteme sowie deren Bedeutung für Mensch und Natur seit 1991. Weil das Institut dabei stetig gewachsen ist, verteilen sich die Mitarbeiter inzwischen über ein halbes Dutzend angemieteter Gebäude. Mit dem Neubau sollen sie alle unter einem Dach zusammengeführt werden.
Der Architektenentwurf sieht einen etwa 6500 Quadratmeter großen Gebäudekomplex in Hybridbauweise aus Holz, Glas und Beton vor, mit einem offenen, lichtdurchfluteten Atrium, großen Holzstufen zum Sitzen und Holztreppen zu den einzelnen Geschossen. „Holz als nachhaltiger Baustoff wird immer beliebter“, sagt Maureen Edelmann vom Stuttgarter Beratungsunternehmen Drees & Sommer, das das Projekt für das ZMT steuert. Als nachwachsender Rohstoff verfüge Holz über exzellente Eigenschaften in Sachen Wärmedämmung, Statik und Witterungsbeständigkeit. Gleichzeitig sei der Baustoff einfach vorzufertigen und relativ leicht. Im Vergleich mit der herkömmlichen Beton-Bauweise ließen sich bis zu 40 Prozent CO2 einsparen.
ZMT-Chef Dittert möchte einen Schritt weitergehen: "Wir denken CO2-neutral bis -negativ", sagt er. "Dafür benötigen wir anderen Beton." Denn dessen Herstellung setzt große Mengen Treibhausgas frei. Dittert liebäugelt deshalb mit neuen Betonsorten wie Carbonbeton oder Beton aus Stahlwerksschlacke, die weniger Treibhausgase verursachen. Für das Bauen mit diesem Material jedoch gebe es noch keine Standards und Verfahren, also werde es erst mal teurer, räumt der ZMT-Geschäftsführer ein. Dafür sucht er jetzt zusätzliche Fördermittel.
Schon beim Bau des neuen Institutsgebäudes denken die Planer zudem an spätere Umbauten oder den Abriss. "Sortenreine Bauweise" lautet das Ziel, damit Materialien und Baustoffe später wiederverwertet werden können. Der Strom kommt von der eigenen Solaranlage auf dem Dach; die Wärme aus der Fernwärmeleitung. Und um Platz zu sparen, wird nicht jeder Mitarbeiter über einen eigenen Schreibtisch verfügen. Weil die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen immer wieder zu Forschungsreisen in den Tropen unterwegs sind oder im Homeoffice arbeiten, soll nur für rund die Hälfte ein Arbeitsplatz im Institut eingerichtet werden. „Wir setzen auf ein funktionales und variables Raumkonzept, das den Austausch zwischen den einzelnen Disziplinen und den hier arbeitenden Menschen mit vielen Gästen am ZMT fördert", beschreibt Dittert die Idee.
Neben den Wissenschaftlern sollen auch ihre Fische, Korallen und Mangrovenpflanzen in das neue Institutsgebäude umziehen. Die Meerwasserversuchsanlage (Maree) ist das Herzstück der Bremer Tropenforschung. In Aquarien und Gewächshäusern simulieren die Wissenschaftler eine zukünftige Welt unter anderen klimatischen Bedingungen und erforschen die Anpassungsfähigkeit der Tiere und Pflanzen. Künftig wachsen die tropischen Fische, Quallen und Seegraswiesen an der Otto-Hahn-Allee in Horn-Lehe heran, umgeben von einem Kleingartengelände. Der Baubeginn ist für Mitte 2025 vorgesehen, der Umzug für das Frühjahr 2027.