Bremen. Die Pop- und Rockszene Bremens bietet seit Jahren ein trauriges Bild. Kaum eine Band aus Bremen schafft es, bundesweit, geschweige denn international, Aufsehen zu erregen. Dabei herrscht kein Mangel an Talenten. Es fehlt aber an Strukturen, um aus Begabung Erfolg zu machen. Eine Initiative aus Wirtschaftsförderern, Gastronomen und Vertretern der Musikbranche ist nun angetreten, um Bremens Szene professioneller und wirtschaftlich erfolgreicher auszurichten.
Karsten Eichholz hat sich entschieden. Der 26-Jährige hat gerade sein Studium in Biochemie abgeschlossen und will nun schnellstmöglich beruflich auf eigenen Füßen stehen. Sein Geld möchte der Bremer allerdings nicht im Labor verdienen. Mit seiner Band "Fucking In Champagne" will Eichholz Musikkarriere machen. Die ersten Hürden hat das Rock-Quartett schon genommen. Im vergangenen Jahr gewann die Band den Talentwettbewerb "Live in Bremen". Damit sicherte sich die Gruppe nicht nur eine professionelle CD-Produktion, sondern auch die nötige mediale Aufmerksamkeit, um in der Hansestadt für weitere Auftritte gebucht zu werden.
100 Unternehmen in der Branche
Vor dem erfolgreichen Wettbewerb war es für die Band so gut wie unmöglich, Spielstättenbetreiber davon zu überzeugen, sie auftreten zu lassen. "Auf die kleinen Bühnen kommst du einfach nicht rauf - wenn du es trotzdem irgendwie geschafft hast, bekannt zu werden, spielst du gleich in größeren Läden", sagt Eichholz.
Das Problem, kaum Auftritte zu bekommen, beobachtet Andreas Mückley bei vielen verheißungsvollen Bremer Bands. Der Vorsitzende des Vereins Musikszene Bremen vertritt rund 200 Musiker aus dem Rock- und Popbereich, die in den Räumen des alten Zollamts in der Überseestadt ihre Proberäume haben. "Das Problem der Bremer Szene war bisher, dass sich zwar viele Akteure untereinander kannten, es aber keinerlei feste Strukturen gibt", sagt er. An einer Veränderung dieses Zustands wird mittlerweile intensiv gearbeitet.
Vor einem Jahr hat die Wirtschaftsförderung Bremen (WfB) erstmals Dutzende Akteure an einen Tisch geholt, um gemeinsame Interessen auszuloten. Obwohl Bremen bei der Musikwirtschaft deutlich kleiner aufgestellt ist als etwa Köln, Berlin oder Hamburg, gibt es auch hier rund 100 Unternehmen. Unmittelbare Wechselwirkungen bestehen überdies Wirtschaftszweigen wie Gastronomie, Werbung oder Handel. "Außerdem ist eine lebendige Musikszene für eine Stadt, die attraktiv für Touristen und junge Fachkräfte sein will, ein wichtiger Standortfaktor", sagt Kai Stührenberg, Innovationsmanager der WfB. Aus dem Treffen ging hervor, dass dieser Standortfaktor noch deutlich ausbaufähig ist.
Eine Arbeitsgruppe, der auch Andreas Mückley von der Musikszene Bremen und Kulturmanagerin Julia von Wild angehören, hat im Auftrag der Runde den konkreten Bedarf in Bremen ermittelt. "Bei unserer Bestandsaufnahme haben wir festgestellt, dass es zwar eine relativ lebendige, aber wenig vernetzte Clubszene in der Stadt gibt - außerdem gibt es kaum Möglichkeiten für Rock- und Popmusiker aus Bremen, sich zu professionalisieren", sagt von Wild. An Letzterem scheitern nach Meinung der 29-Jährigen die meisten Bands bereits im Ansatz.
Die Anforderungen an junge Musiker seien heute längst nicht mehr nur künstlerisch, sondern zunehmend unternehmerischer Natur. "Wie organisiert man sich, wie entwickelt man als Band ein Profil, funktioniert sinnvolles Management, wie tickt das Business - das sind Fragen, auf die junge Musiker in Bremen momentan keine Antwort bekommen", sagt sie. Trotz vereinzelter Angebote fehle es in Bremen immer noch an einem konkreten Programm zur Professionalisierung und zur
Begleitung von Bands und Einzelkünstlern mit Potenzial. Die Beispiele von Städten mit entsprechender Infrastruktur zeigten, wie positiv sich solche Maßnahmen auswirken könnten. "Mannheim zum Beispiel hat durch Engagement in diesem Bereich eine beeindruckende Profiszene hervorgebracht", sagt Mückley.
Der zweite Schwerpunkt, an dem künftig gearbeitet werden soll, ist die bessere Vernetzung von Musikern und Konzertveranstaltern. "Es hört sich profan an, aber es gibt in Bremen viele potentielle Spielstätten, die aus Unwissenheit keine Musiker bei sich auftreten lassen", sagt Mückley. Umgekehrt wüssten viele Künstler nicht, wie sie sich gegenüber den Gastronomen verkaufen können. Diesen Zustand könne eine gemeinsame Plattform ohne großen Aufwand verbessern.
Tenor der Musikclub-Betreiber, die an der WfB-Veranstaltung teilgenommen haben, war es auch, dass sich die Spielstätten untereinander enger verzahnen müssen. Zwar sehen sich die Gastronomen einerseits als Konkurrenten, es herrscht jedoch Einigkeit, dass sie andererseits durch gemeinsames Auftreten mehr Schlagkraft bei Werbung, Marketing und Künstlerakquise entwickeln können. Vorbild ist ein Hamburger Club-Kombinat, das dort bereits seit Jahren erfolgreich Synergieeffekte nutzt. Mitglieder dieses Zusammenschlusses sind keine klassischen Diskotheken, sondern vielmehr Einrichtungen, die regelmäßig Auftritte von Musikern ermöglichen.
Verein will die Szene fördern
Bei allen Maßnahmen soll die Musikszene Bremen e.V. als Organisator, Moderator oder Sprachrohr eine integrale Rolle spielen. Bisher ist der vor fünf Jahren gegründete Verein rein ehrenamtlich geführt. Momentan bemüht sich die Gruppe um Förderung aus Bundes- und EU-Mitteln. Ziel ist es, eine bezahlte Stelle für einen festen Ansprechpartner für die Belange der Bremer Musikwirtschaft zu schaffen. "Wir im Vorstand sind alle voll berufstätig, wir können das nicht nebenher leisten", sagt Andreas Mückley. Bereits vorhandene Einrichtungen wie etwa das Kreativwirtschafts-Coachingprogramm "Ideenlotsen" oder der "Klub Dialog" sollen nach Möglichkeit in die Aktivitäten eingebunden werden. Außerdem ist ganz grundsätzlich angedacht, die Metropolregion stärker in sämtliche Vorhaben mit einzubeziehen. Erste konkrete Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr vorliegen.
Ob Karsten Eichholz und seine Band noch von den Vorzügen der neustrukturierten Bremer Musikszene profitieren werden, ist dennoch ungewiss. Der studierte Biochemiker und seine Kollegen haben sich ein klares Ziel gesetzt, bis wann es mit der Rockkarriere geklappt haben muss: "Wir wollen jetzt eineinhalb Jahre intensiv daran arbeiten." Wenn der Durchbruch bis dahin nicht gelungen ist, werden die Musiker wohl bürgerlichere Wege einschlagen.