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Schifffahrtskrise wirkt bei vielen Unternehmen noch nach Bremer Reeder fordern Hilfe aus Berlin

Bremen. Der Bremer Rhederverein hat zwei neue Mitglieder gewonnen. Liberty One und Lomar heißen die beiden Reedereien. Zusammen mit stark wachsenden Unternehmen könnten sie den Verlust kompensieren, der Bremen durch das Ende von Beluga entstanden ist
17.06.2011, 05:00 Uhr
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Von Krischan Förster

Bremen. Der Bremer Rhederverein hat zwei neue Mitglieder gewonnen. Liberty One und Lomar heißen die beiden Reedereien. Eine Neugründung die eine, die andere die Deutschland-Niederlassung der Londoner Schifffahrtsgruppe. Zusammen mit stark wachsenden Unternehmen wie Harren&Partner oder BBG könnten sie den Verlust kompensieren, der Bremen durch das Ende von Beluga entstanden ist.

"Für den Standort war die Beluga-Krise ein Desaster", sagte gestern Thorsten Mackenthun, Vorsitzer des Bremer Rhedervereins. Etwa 430 Schiffe wurden noch Anfang des Jahres von Bremen aus gesteuert, mehr als 50 sind mit der Beluga-Insolvenz im März verloren gegangen. Dazu gut 500 Arbeitsplätze. Die Nachfolge-Reederei Hansa Heavy Lift, gegründet vom ehemaligen Beluga-Gesellschafter Oaktree, zählt derzeit 18 Frachter und 70 Mitarbeiter. Und der US-Finanzinvestor hat offenbar nicht vor, dem Rhederverein beizutreten. Hartnäckig hält sich zudem das Gerücht, die Reederei plane ohnehin den baldigen Umzug nach Hamburg.

Bremen dürfte damit den lange verteidigten zweiten Platz unter den deutschen Schifffahrtsstandorten an Leer verloren haben. Und selbst das kleine Ems-Städtchen Haren könnte, was die Zahl der Schiffe angeht, an Bremen vorbeigezogen sein. Doch es gibt auch gute Nachrichten. Abgesehen von Beluga haben alle 30 Mitgliedsreedereien die schwerste Schifffahrtskrise der Nachkriegszeit bislang erfolgreich abwettern können. Vorbei sind die unruhigen Zeiten allerdings nicht. "Auch dieses Jahr bleibt schwierig", sagt Mackenthun.

Raten hinken noch deutlich hinterher

Gut jedes vierte in Bremen bereederte Schiff trägt Container über die Meere. Mit einem Mengenwachstum von zwölf Prozent im vergangenen Jahr wurde das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht. Die Raten hinken allerdings noch deutlich hinterher, so Mackenthun. Nach einem kurzen Aufschwung sind sie wieder deutlich gefallen. Immerhin verdienten die meisten Schiffe inzwischen wieder so viel Geld, dass neben den Betriebskosten auch Zins und in Teilen auch die Tilgung der Bankkredite gezahlt werden könnten. "In anderen Segmenten sieht es weniger erfreulich aus."

Bei den kleineren Tankern (Handymax) zum Beispiel. Die Zeiten sind noch gar nicht lange her, als nur 1500 Dollar pro Tag und Schiff zu bekommen waren. Danach waren es zunächst wieder bis zu 17000 Dollar, Anfang Juni stürzten die Raten allerdings erneut um 60 Prozent ab. "Wir haben die Stabilität noch nicht zurückgewonnen", sagt Peter Grönwoldt von der Reederei Harren&Partner, die zehn Tanker im Einsatz hat. Und auch Massenguttransporte mit sogenannten Bulkern sind derzeit nicht gerade das einträglichste Geschäft. "Der Markt ist vor allem durch zahlreiche Neubauten stark unter Druck", sagt Joachim Zeppenfeld, Geschäftsführer der Bremer Bereederungs-Gesellschaft (BBG). Auch die Bremer sind über ihre Muttergesellschaft Conti mit Bestellungen für 34 Bulker im Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Euro beteiligt, geben sich aber ganz gelassen. Zum einen, weil sie für die Schiffe noch vor der Krise langfristige Charterverträge schließen konnten, zum anderen, weil die Marktaussichten spätestens im kommenden Jahr deutlich besser sind.

Nicht nur die BBG, die ihre Flotte innerhalb von nur zwei Jahren mehr als vervierfacht, sondern auch Harren&Partner erschließt sich neue Geschäftsfelder. Gemeinsam mit dem Investor Goldman Sachs steigt die Reederei ins Offshore-Geschäft ein. 500 Millionen US-Dollar (337 Millionen Euro) werden in die Gründung des Dienstleisters OIG Offshore Installation investiert. Drei Spezialschiffe sollen bei der Erschließung von Tiefsee-Fördergebieten eingesetzt werden, etwa vor Westafrika oder Indien (wir berichteten).

Ultimatum bis Ende August

Es tut sich also etwas am Schifffahrtsstandort Bremen, auch ohne das bisherige Aushängeschild Beluga. Sorge bereiten der Branche aber die künftig ausbleibenden Hilfen der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr gab es noch 70 Millionen Euro an Lohnsteuereinbehalt und Lohnnebenkosten-Zuschüssen für Schiffe unter deutscher Flagge. Beides wurde gestrichen. "Bleibt es dabei, droht eine Ausflaggungswelle", sagt Mackenthun. Bis Ende August wollen die Reeder der Berliner Politik Zeit geben, auf ihre Forderungen einzugehen und das Maritime Bündnis aufrecht zu erhalten. "Sonst geht das ruckzuck."

Bereits auf der Maritimen Konferenz Ende Mai in Wilhelmshaven hatten die Reeder massiv aber erfolglos Korrekturen verlangt. Sie verweisen auf die Mehrkosten von rund 450000 Euro pro Jahr und Schiff, die sie künftig nicht mehr zur Hälfte, sondern allein tragen müssten. Das sei wirtschaftlich nicht zu machen und daher auch den Unternehmen und den vielen Anlegern nicht zu vermitteln.

Dabei hatte Bremen bei der Rückflaggung von mehr als 500 Schiffen sogar eine Vorreiterrolle übernommen. Die geforderte Quote von 17 Prozent der Flotte war übererfüllt worden, auch dank eines bis dahin einzigartigen Pool-Modells. Mehrere Reeder teilen sich dabei die Mehrkosten eines Schiffes. Noch im Februar war das vom Rhederverein entwickelte Vertragswerk überarbeitet worden, um weitere Teilnehmer auch außerhalb Bremens zu gewinnen. Das Interesse sei vorhanden gewesen, "doch jetzt können wir uns die Akquise sparen", sagt Mackenthun.

Ohne Nachbesserung fürchtet er einen massiven Rückschlag für die Branche in Deutschland. Weil das Geschäft international sei, lasse es sich ebenso gut und deutlich günstiger unter ausländischer Flagge betreiben. Mehr verlange auch die EU nicht. Gerade auch die Bremer Reeder hätten viel Geld in die Ausbildung in den eigenen Kontoren und an der Hochschule Bremen investiert. Diese Bemühungen würden nun konterkariert. "Ohne nautischen Nachwuchs drohen Reedereistandorte aber mittel- bis langfristig auszutrocknen."

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