Besorgt, erschüttert, ratlos – so reagieren Vertreter der Bremer Wirtschaft auf die russische Invasion in der Ukraine. An erster Stelle steht bei allen der Gedanke an die Menschen, die unversehens in einen Krieg geraten sind. Aber auch die wirtschaftlichen Folgen der Auseinandersetzung, die den Kontinent möglicherweise für längere Zeit in feindliche Lager teilen wird, machen den Unternehmen Sorgen.
Wie wichtig sind Russland und die Ukraine für die bremische Wirtschaft?
Russland steht auf Platz 8 der wichtigsten Handelspartner Bremens, hinter Polen und den Niederlanden. Bei den Bremer Importen allerdings rückt das rohstoffreiche Land nach Zahlen der Handelskammer auf Platz 3 vor – vor allem mit Öl, Kohle und Metallen. Wichtigste Exportprodukte Bremer Unternehmen nach Russland sind Autos, Maschinen, Nahrungs- und Futtermittel. Etwa 130 Unternehmen aus dem Kammerbezirk unterhalten nach eigenen Angaben Handelsbeziehungen mit Russland. Davon haben 36 Unternehmen dort eigene Tochtergesellschaften oder Niederlassungen. Die Ukraine taucht erst auf Platz 56 der wichtigsten Bremer Handelspartner auf.
Was die Unternehmen sagen: BLG
"Wir beobachten die Situation mit Sorge", sagt Stefanie Effner, Sprecherin der BLG Logistics Group. In der Ukraine ist die BLG seit 2007 in einem Joint Venture tätig. Gemeinsam wurden ein Autoterminal in Kalinovka errichtet und eine Niederlassung in Chornomorsk eröffnet. Etwa 80 lokale Mitarbeiter kümmern sich laut BLG um das Handling, die Lagerung und den Transport der Fahrzeuge. In Russland ist die BLG seit 2008 mit eigenen Büros in St. Petersburg und Moskau vertreten. "Mit einem Fuhrpark von 70 Autotransportern bieten wir Dienstleistungen rund um die Fahrzeuglogistik in Russland und den GUS-Staaten an", so die Sprecherin.
Eurogate
"Wir sind von der Situation erschüttert", sagt Steffen Leuthold, Sprecher des Hafenbetreibers Eurogate, der in Ust-Luga bei St. Petersburg an einem Containerterminal beteiligt ist. "Wir wissen derzeit nicht, welche Auswirkungen das auf unsere Terminalbeteiligung haben wird."
Speditionen
Deutsche Logistikunternehmen haben ihre Transporte aus der Ukraine gestoppt. Die Firmen würden Mitarbeiter zurückbeordern, sagte Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV). Die Situation dürfte die Lieferengpässe in Deutschland verschärfen. Fast die Hälfte der hier eingesetzten Lkw-Fahrer stammt aus Osteuropa, viele davon aus der Ukraine, sagt Thomas Hansche, Sprecher des Bundesverbands Logistik und Verkehr. Auch auf Bremer Speditionen werden sich die Auseinandersetzungen negativ auswirken, prognostiziert Robert Völkl, Geschäftsführer des Vereins Bremer Spediteure.
Raumfahrt: Airbus Defence and Space und OHB
"Es ist verfrüht, sich zu den möglichen Auswirkungen und dem Umfang der Sanktionen zu äußern", so ein Sprecher des Raumfahrtindustrie-Unternehmens Airbus Defence and Space. Der Bremer Standort ist unter anderem für den Betrieb der Internationalen Raumstation (ISS) zuständig, an der auch Russland beteiligt ist. Die internationalen Raumfahrtaktivitäten liefen in der Vergangenheit trotz aller Krisen in der Regel weiter. Das sei bislang auch in der Ukraine-Krise der Fall, schreibt das Magazin "Space News" auf seiner Onlineseite. Es gibt allerdings auch Stimmen aus der Branche, die die Kooperation mit Russland nach dem Überfall auf die Ukraine für gefährdet halten. Der Bremer Satellitenbauer OHB hat für die russisch-europäische Mars-Mission "Exomars", die im September starten soll, das Trägermodul für die Landeeinheit sowie Teile des Rovers gebaut. Über die möglichen Auswirkungen der Krise auf dieses Projekt und die künftige Kooperation mit Russland wollte sich das Unternehmen nicht äußern.
DMK
Die Bremer Molkereigenossenschaft DMK hat im südrussischen Bobrow gerade für 23 Millionen Euro ein zweites Käsewerk in Betrieb genommen. In einer Pressemitteilung sprach das Unternehmen im Dezember noch vom "Wachstumsmarkt Russland". Derzeit sei es aufgrund der "dynamischen Entwicklungen schwer, hier Folgen abzuleiten", sagt DMK-Sprecher Oliver Bartelt. Die DMK-Käseproduktion in Russland ist bereits eine Folge der erschwerten Handelsbeziehungen zu Russland nach der Krim-Annexion 2014: Moskau konterte die EU-Sanktionen damals mit einem Einfuhrverbot für bestimmte Lebensmittel, unter anderem Milchprodukte. DMK stieg daraufhin in ein Käsewerk in Bobrow ein, das Milch aus lokaler Produktion verarbeitet und die Produkte in Russland verkauft.
Mercedes
Der Autobauer verkaufte im vergangenen Jahr insgesamt 43.000 Fahrzeuge in Russland und 3000 in der Ukraine. Einen eigenen Standort hat Mercedes in der Ukraine nicht. Es gibt aber ein Produktionswerk unweit von Moskau mit circa 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dort wird die E-Klasse produziert sowie SUVs. Im Moment sei es noch zu früh, die Auswirkungen abzusehen, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius im Anschluss an die Bilanzvorstellung.
Arcelor-Mittal
Die Bremer Hütte bezieht Kohle aus Russland für seine Hochöfen. Sorgen macht man sich in Bremen allerdings eher um die Kollegen im ukrainischen Werk Krywyj Rih. "Unser Team arbeitet daran, die Produktion auf ein technisches Minimum zu drosseln, und die Produktion in unseren Bergwerken wird eingestellt werden", sagt Marion Müller-Achterberg, Sprecherin von Arcelor Mittal Bremen.